Chesley “Sully“ Sullenberger III. verließ den Airbus erst, als alle Passagiere in Sicherheit waren. New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg: “Unglaublich, dieser Mann!“

New York/Hamburg. "Ich habe nur das getan, was fliegerisch nötig war", sagt der Mann, der in Amerika als Held gefeiert wird, bescheiden. Chesley "Sully" Sullenberger III. (57), Pilot von Unglücksflug US Airways 1549, wehrt alle Komplimente ab. Alles sei nur das Ergebnis seines konsequenten Trainings gewesen. Aber "etwas erleichtert" sei er schon, dass alles so glatt ging. "Das war eine Meisterleistung von Sullenberger und der gesamten Crew", preist dagegen New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg den früheren Kampfjetpiloten. "Unglaublich, dieser Mann! Als der Airbus schon halb im Wasser versunken ist, läuft er noch zweimal durch die Maschine, um zu sehen, ob alle Insassen das Flugzeug verlassen haben. Erst dann geht er als Letzter von Bord."

Die Welt staunt über das Wunder vom Hudson.

Einen Tag nach der dramatischen Notlandung auf dem Fluss mitten in der berühmtesten Metropole der Welt wird klar, wie knapp die 155 Menschen an Bord an einer Katastrophe vorbeigeschlittert sind. Es lagen nur Minuten zwischen einer Tragödie und der Rettung aller Passagiere.

Animation: Die Notlandung auf dem Wasser

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15.03 Uhr Ortszeit (21.03 Uhr MEZ): Der Airbus mit Ziel Charlotte (North Carolina) verlässt sein Gate auf dem Flughafen LaGuardia. Die Maschine hat 18 Minuten Verspätung. Die äußeren Bedingungen sind gut: sechs Grad minus, klarer Himmel.

15.26 Uhr: Die Starterlaubnis wird erteilt. Der Airbus hebt ab, steigt über der Bronx und Flushing Bay auf 600 Meter Höhe.

15.27 Uhr: Die Maschine ist auf knapp 1000 Meter gestiegen. Plötzlich ein Knall. Passagier Darren Beck (37) auf Sitz 3 A: "Wir gewannen gerade an Höhe, als auf der linken Seite des Flugzeugs ein Triebwerk ruckelte, als sei eine Waschmaschine blockiert." Doch die Lage ist noch viel dramatischer. Sullenberger meldet sich beim Tower: "Wir haben einen Notfall. Vogelschlag in beiden Triebwerken!" Er bittet um die Rückkehr nach LaGuardia. Der Pilot meldet sich bei den Passagieren: "Wir haben einen Notfall. Machen Sie sich bereit für eine Notlandung."

15.29 Uhr: Die Fluglotsen versuchen, den Jet nach LaGuardia zurückzudirigieren. Da nimmt Sullenberger unter sich in New Jersey eine Landebahn wahr. "Dieser kleine Flughafen da unten, welcher ist das?", fragt er. Tower: "Teterboro Airport." Sullenberger: "Kann ich da notlanden?" Doch zu spät - die Maschine ist bereits im Sinkflug. Aus einem der Triebwerke schlagen Rauch und Flammen. Fluggast Jeff Kolodjay (31), der mit Freunden eigentlich zum Golfen wollte: "Plötzlich sah ich das Feuer und es stank fürchterlich nach Sprit. Ich dachte, jetzt ist alles aus."

15.31 Uhr: Der Airbus verliert immer schneller an Höhe. Sullenberger zieht die Maschine nach links, fliegt in südlicher Richtung dem Hudson River zu. 500 Meter, 400 Meter, schließlich passiert Sullenberger die George-Washington-Bridge in knapp 100 Meter Höhe, die Passagiere sehen die Häuser Manhattans immer größer werden. Nur noch 30 Meter. In diesem Moment brüllt Sullenberger über Mikrofon: "Brace For Impact!" - Fertig machen für den Aufprall. Sekunden später kracht das Heck des Airbusses in den Fluss. Wasser dringt in das Flugzeug ein. Es droht eine Panik. Menschen schreien. Viele drängen in den Gang, wollen zu den Notausgängen. Eine Frau mit Baby ist in ihrem Sitz eingeklemmt. Passagier Kolodjay: "Da haben wir gerufen: 'Frauen und Kinder zuerst!' - und auf einmal hat sich alles beruhigt."

Video: Das Wunder vom Hudson: Bilder der Notlandung

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Sullenberger und seine Crew evakuieren das Flugzeug vorbildlich. Die Passagiere verlassen die Maschine vorn und an den Tragflächen. Sie stehen auf den Flügeln, dem Rettungsfloß und den Rutschen an den Türen, die bei Notwasserungen wie Schlauchboote funktionieren. In wenigen Minuten sind Boote und Fähren zur Stelle, die die durchnässten, aber größtenteils unverletzten Fluggäste aufnehmen.

Eine Stewardess brach sich beide Beine, die meisten anderen der rund 70 Verletzten erlitten Unterkühlungen. Taucher Michael Delaney über eine Frau, die er aus dem Wasser zog: "Ihre Arme und Beine waren zu Eis gefroren. Sie flehte mich an: 'Bitte, lass mich nicht untergehen.'" In dem kalten Wasser hätte sie höchstens fünf bis zehn Minuten überlebt.

Nicht nur die Rettung aller 155 Insassen, sondern auch die Stabilität der Maschine erstaunt die Experten. "Eine Notwasserung ist normalerweise zerstörerischer als eine Notlandung", sagt Unfallforscher Max Vermij. Eigentlich hätten Triebwerke und Tragflächen beim Aufprall abreißen müssen. US-Flugsicherheitsexperte Bill Waldock aus Arizona: "Das ist ein Erfolg des effektiven Flugzeugbaus. Die Maschinen sollen nicht nur flugtüchtig, sondern auch crash-tüchtig sein." Außerdem hätten Passagiere und Crew sich keinen Besseren im Cockpit wünschen können als Chesley Sullenberger. Der Mann mit den grauen Haaren und dem grauen Schnauzer aus Darnville in Kalifornien fliegt seit mehr als 40 Jahren, davon 29 bei US Airways. Als junger Mann war er Militärpilot bei der Air Force. Inzwischen absolvierte er 19 000 Flugstunden, hat eine eigene Firma für Sicherheitsfragen und arbeitet als Ermittler bei Abstürzen für die US-Flugsicherheitsbehörde NTSB. Und er ist auch noch begeisterter Segelflieger - was ihm geholfen haben dürfte.

Passagier Fred Beretta hatte nach seiner Rettung eine Botschaft für die Cockpit-Besatzung: "Danke. Danke. Danke. Ich hoffe, jemand verleiht euch eine dicke, fette Auszeichnung." Die erste gab es schon am Freitag. Bloomberg ehrte Sullenberger mit dem Schlüssel der Stadt New York.

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