Schwerer Betrug und Erpressung: Der Angeklagte Helg Sgarbi wird wohl die ganzen sechs Jahre im Gefängnis verbringen müssen. Bilder vom Klatten-Prozess.

München. Jetzt wirkt er doch getroffen. Helg Sgarbi (44) atmet tief durch. Er legt seine schwarze Hornbrille ab. Die linke Hand, an der der Ehering blitzt, verbirgt die Augen. Das Gesicht rötet sich - wie immer am diesem Tag, wenn die Vorwürfe konkret werden. Sgarbi senkt den Kopf. Gerade hat Gilbert Wolf, der Vorsitzende Richter der 8. Strafkammer am Landgericht München I, das Urteil verlesen: sechs Jahre Haft wegen schweren Betrugs und Erpressung. Als der Richter in seiner Urteilsbegründung erklärt, dass der Wiederholungstäter Sgarbi sich auch keine Hoffnung auf Haftverschonung um ein Drittel der Zeit machen kann, wirkt der Angeklagte, dem der Ruf des weltgewandten Herzensbrechers vorauseilte, noch unscheinbarer. Dabei war Sgarbi in seinem Prozess um Haltung bemüht.

Vier Stunden sitzt er fast regungslos auf der Anklagebank. Sehr hager ist er. Die Haare sauber gescheitelt. Das weiße Hemd mit den steifen Doppelmanschetten wirkt am Kragen etwas zu groß, aber der exakte Knoten seiner schwarz-grünen Krawatte hält ihn zusammen. Die ständig mahlenden Backenknochen verraten seinen Stress.

Der Gigolo, der als einfühlsamer Herzensbrecher, als formvollendeter Gentleman mit geradezu magischem Einfluss auf Frauen beschrieben wurde, wirkt im Schwurgerichtssaal 101 eher wie der schüchterne Schalterbeamte der Sparkasse. Auffällig ist an ihm nur seine Unauffälligkeit. Dabei ist der Schweizer die Hauptperson in einem aufsehenerregenden Prozess um Sex, Geld und Lügen. Vier Frauen wurden von Sgarbi erpresst, nachdem er sich ihr Vertrauen und ihre Zuneigung erschlichen hatte. Spektakulär wird das Verfahren durch ein besonders prominentes Opfer, die reichste Frau Deutschlands. Sgarbi hat unter anderem auch versucht, Susanne Klatten (46) zu erpressen. Die Quandt-Erbin und Großaktionärin von BMW und des Chemiekonzerns Altana sollte zunächst 49 Millionen, dann 14 Millionen Euro bezahlen. Andernfalls würde er kompromittierende Sex-Videos an die Familie und Firmen Klattens verteilen. Klatten zeigte ihn daraufhin an.

Gleich zu Beginn der Verhandlung, die ein ganz kurzer Prozess wurde, verliest Sgarbis Rechtsanwalt Egon Geis eine Erklärung. "Im Kern" träfen die Vorwürfe zu. Sgarbi habe mittels Videos versucht, die Frauen zu erpressen. Es ist sozusagen ein letzter Liebesdienst, den der Angeklagte seinen Opfern bringt. Weil er die Vorwürfe einräumt, brauchen die Frauen nicht vor Gericht auszusagen. Peinliche Details müssen nicht ausgebreitet werden. Und als wollte er sein Image als Kavalier unterstreichen, meldet sich Sgarbi auch ein einziges Mal zu Wort: "Ich bedauere das Vorgefallene zutiefst und entschuldige mich in dieser Hauptverhandlung und in aller Öffentlichkeit gegenüber den geschädigten Damen." Dass den Frauen der Zeugenauftritt erspart blieb, würdigt das Gericht bei der Strafzumessung ausdrücklich. Darüber hinaus bleibt der Angeklagte aber schweigsam und verrät auch nicht, wo das Geld geblieben ist. "Das ist nur ein halbes Geständnis", rügt Oberstaatsanwalt Anton Winkler. Denn Sgarbi ist auch nicht bereit, etwas zu seinen Motiven oder zum mutmaßlichen Drahtzieher seiner Erpressungen, Ernano Barretta (64) zu sagen. Der Italiener wurde in sein Heimatland ausgeliefert. Am 24. März soll ihm in Pescara der Prozess gemacht werden. So bleibt auch nach dem Urteil vieles im Dunkeln. "Wir haben kein Geld, keine Videos und keine Aussage zu Barretta", kritisierte Staatsanwalt Thomas Steinkraus-Koch.