Ob jemand das berühmte Glas Wasser eher halb voll oder halb leer sieht, hängt möglicherweise von einem einzelnen “Glücksgen“ ab.

Jeder kennt sie, diejenigen, die immer optimistisch durch die Welt gehen und selbst in den schlimmsten Zeiten nicht den Mut verlieren, und auch die ewigen Pessimisten, die in allem nur das Negative sehen. Jetzt haben britische Wissenschaftler herausgefunden: Ob jemand das berühmte Glas Wasser eher halb voll oder halb leer sieht, hängt möglicherweise von einem einzelnen "Glücksgen" ab.

Ihre Untersuchung deute darauf hin, dass manche Menschen eine "gengesteuerte Neigung" hätten, die Sonnenseite des Lebens zu sehen, hieß es in einer gestern veröffentlichten Studie der Wissenschaftlerin Elaine Fox und ihrer Kollegen von der Universität Essex. Die Forscher schauten sich ein Gen namens 5-HTTLPR genauer an, das beim Transport des "Gute Laune"-Stoffs Serotonin im Gehirn eine wichtige Rolle spielt.

Die Wissenschaftler zeigten 97 Versuchspersonen mehrere Bilderpaare, wobei diese aus drei Kategorien stammten: negative Bilder, die beim Betrachter Angst oder Stress auslösen, angenehme oder erotische Bilder sowie neutrale Bilder. Die Bildpaare waren jeweils aus zwei der Kategorien zusammengesetzt, wie es in dem Bericht in der britischen Fachzeitschrift "Proceedings Of The Royal Society B" hieß. In der Studie zeigte sich, dass die 16 Versuchspersonen mit einer "langen" Variante des Gens negatives Material "auffällig" mieden, während sie für positives Material besonders empfänglich waren.

Bei den übrigen Teilnehmern, die das Gen in zwei kürzeren Varianten trugen, sei es genau umgekehrt gewesen, wenn auch nicht ganz so deutlich ausgeprägt, berichteten die Wissenschaftler. Dies deute darauf hin, dass die Neigung, das Gute im Leben zu sehen, ein "kognitiver Kernmechanismus" sei, der darüber entscheide, wie stressbelastbar ein Mensch sei.

Hinweise darauf, dass das Gen 5-HTTLPR das Lebensgefühl beeinflusst, fanden sich schon in mehreren Studien mit Patienten. Die Studie aus Essex ist die erste, in der die Genvarianten und ihre Auswirkungen bei gesunden Menschen untersucht wurden. Es war auch schon bekannt, dass es drei Varianten des Transportgens gibt, und dass die beiden kürzeren mit einer stärkeren Anfälligkeit für Depressionen und Selbstmordversuchen einhergehen.

Allerdings ist es noch nicht so ohne Weiteres möglich, feststellen zu lassen, ob man selbst das Glücksgen in sich trägt. "Im Moment kann man sich noch nicht routinemäßig auf dieses Gen testen lassen, sondern nur im Rahmen von Studien", sagte Prof. Karsten Held, Humangenetiker und ärztlicher Leiter des Labors Genteq in Hamburg.

Doch auch wenn man nicht die positive Genvariante besitzt, heißt das noch lange nicht, dass man zwangsläufig zum Pessimisten wird. Denn die Art und Weise, wie der Mensch die Welt betrachtet, ist nicht nur eine Frage der Gene. Es gebe zwar genetische Unterschiede, die manche Menschen anfälliger und andere weniger anfällig gegen psychosoziale Belastungen machten, sagte Prof. Michael Sadre Chirazi-Stark, Chefarzt der Psychiatrie im Asklepios-Westklinikum in Rissen.

"Doch hinzu kommen zu weit mehr als 50 Prozent andere Faktoren. Das sind persönliche Erfahrungen, Erziehung und soziale Beziehungen", betonte der Psychiater. Anders als Tiere seien Menschen in der Lage, auf die Anforderungen der Umwelt differenziert einzugehen, sich in andere Menschen und Situationen hineinzuversetzen. Auch wenn die Gene uns viel über den Menschen verraten, so ist es doch beruhigend, zu wissen, dass sie uns nicht vollständig bestimmen.