Unter Vollnarkose wurden Sophie acht Zähne gezogen. Danach weigerte sie sich, zu essen und zu trinken.

London/Hamburg. "Wir bereuen, dass wir den Ratschlägen, die uns gegeben wurden, und nicht unseren eigenen Herzen gehorcht haben", sagte Janet Waller (33) mit Tränen in den Augen. Sie und ihr Mann Richard (35) hatten die Einwilligung zu einer verhängnisvollen Zahnoperation für ihre acht Jahre alte Tochter Sophie gegeben, nach der sich das Mädchen weigerte, zu schlafen, zu essen, zu trinken und zu sprechen. Die Achtjährige starb wenig später an Nierenversagen.

Der erschütternde Fall ereignete sich bereits Ende 2005, kam aber erst jetzt an die Öffentlichkeit, weil die Staatsanwaltschaft eine gerichtliche Untersuchung des Dramas in der englischen Stadt Truro angeordnet hatte. Begonnen hatte alles am 4. November 2005: Als die kleine Sophie mit ihrem Milchzahn auf einen Bonbon biss und daraufhin starke Zahnschmerzen bekam, wollte sie nichts mehr essen. Mutter Janet: "Sie hatte panische Angst vor dem Zahnarzt." 2004 hatte ihr ein Dentist mit einem Instrument aus Versehen in die Zunge gestochen. Aber nach drei Tagen hielt das Mädchen die Schmerzen nicht mehr aus. Die Eltern brachten das Kind ins Royal-Cornwall-Krankenhaus in Truro, wollten den Wackelzahn unter Vollnarkose ziehen lassen.

Die Klinikärzte entfernten Sophie aber gleich acht Milchzähne. "Wir haben unterschrieben, dass die Ärzte einen Zahn, aber nicht gleich alle ziehen sollen", sagte die Mutter vor Gericht. Nach der Operation verschlechterte sich Sophies Gesundheitszustand dramatisch. Sie wollte den Mund nicht öffnen, weil sie sich vor der Nachuntersuchung fürchtete. Zudem war das Zahnfleisch durch die vielen Zahnziehungen so wund und beschädigt, dass sie nicht richtig kauen konnte. Daraufhin wurde sie im Krankenhaus künstlich ernährt.

Zehn Tage später, am 17. November, entschied dann ein Psychologe, dass Sophie entlassen werden könnte. Eine fatale Entscheidung: Die Achtjährige verlor binnen kürzester Zeit elf Kilo. Als die Eltern sie zurück in die Klinik bringen wollten, wurden sie an den lokalen Arzt verwiesen. Doch Warnungen der Klinik über Sophies Gesundheitszustand gingen zum falschen Hausarzt. Das Mädchen starb am 2. Dezember 2005 an Nierenversagen. Es war verhungert und dehydriert. Richterin Emma Carlyon: "Die Ärzte und die Behörden haben versagt. Sophies Leben hätte gerettet werden können." Die Klinik entschuldigte sich gestern bei den Eltern. In einer Mitteilung erklärten Janet und Richard Waller: Die "einzige Rechtfertigung für Sophies Tod" sei, dass die Abläufe in den beteiligten Behörden verbessert worden seien. "Das wird hoffentlich einem anderen Kind das Leben retten."