Sein Schwiegervater hatte ihn tagelang gejagt und zum Aufgeben gedrängt. Türkische Behörden schließen seine Auslieferung aus. Bilder zum Fall Kardelen; Bilder zu den Fällen Michelle, Jenisa und Kardelen.

Istanbul/Paderborn. Er war fast einen Monat lang auf der Flucht vor der Polizei. Jetzt ist der mutmaßliche Mörder der achtjährigen Kardelen aus Paderborn in der Türkei gefasst worden. Der 29 Jahre alte Ali Kur hatte sich in der westtürkischen Kleinstadt Didim versteckt. Sein ebenfalls in Paderborn wohnender Schwiegervater verfolgte ihn tagelang in der Türkei und drängte ihn zum Aufgeben.

Die türkische Justiz will Kur aber nicht an Deutschland ausliefern, sondern ihn selbst vor Gericht stellen. Deshalb will die Staatsanwaltschaft Paderborn nach eigenen Angaben die Ermittlungsakten an die türkischen Behörden übergeben.

Ali Kur hatte sich zwei Tage nach der Tat Mitte Januar in die Türkei abgesetzt und sich zuletzt bei einer Tante aufgehalten.

Er wurde am späten Dienstagabend aus einem Auto heraus festgenommen. Wem der Wagen gehörte und ob Kur allein in dem Fahrzeug saß, ist noch unklar.

Der Schwiegervater Kurs, Kadir Ayaz, sagte, die Familie sei der Spur des Gesuchten bereits fünf Tage gefolgt. Er setzte auch Privatdetektive ein. In den vergangenen Tagen war in Deutschland die Befürchtung laut geworden, Kur könne wegen der Tat vor einer Festnahme umgebracht werden. Der Schwiegervater sagte, er habe Kur treffen und der Justiz übergeben wollen. Doch als er den Schwiegervater und seine Begleiter sah, sei Kur selbst zur Polizei gefahren. Seine Suche nach dem mutmaßlichen Mörder sei eine Frage der Ehre gewesen, betonte der Schwiegervater. Kardelens Eltern dankten gestern den Ermittlern in der Türkei und in Deutschland für die Arbeit der vergangenen Wochen. "Ich weiß, dass meine Tochter gestorben ist, und freue mich, dass andere Kinder gerettet worden sind, weil er gefasst wurde", sagt Kardelens Mutter. Der Vater fügte hinzu: "Unser Schmerz ist unser Schmerz. Und das kann nur Gott wissen, was wir leiden mussten, was wir durchmachen mussten."

Die türkischstämmige Kardelen war am 12. Januar in der Nähe ihres Elternhauses in der ostwestfälischen Stadt verschwunden. Drei Tage später wurde ihre Leiche am rund 60 Kilometer entfernten Möhnesee im Sauerland entdeckt. Die Ermittlungen ergaben später, dass die Achtjährige in der nahen Wohnung des türkischen Nachbarn Ali Kur missbraucht und erstickt worden war.

Der 29-Jährige flog nach der Tat mit seiner Frau vom Flughafen Köln-Bonn nach Izmir in die Türkei. Die Staatsanwaltschaft Paderborn: "Wir haben keine Anhaltspunkte, dass die Frau sich strafbar gemacht hat." Selbst wenn sie ihren Mann gedeckt haben sollte, wäre das gemäß deutschem Recht straffrei.

Die deutschen Ermittler erhoffen sich allerdings von der Aussage der Ehefrau Aufschluss darüber, wie das tote Mädchen nach dem Mord in Paderborn zum Möhnesee gebracht wurde. Ihr mutmaßlicher Mörder besitzt weder einen Führerschein noch ein Auto. Bisher gebe es aber keine Anhaltspunkte auf Komplizen.