Der aus Hamburg stammende Arne Gabius gewinnt bei der Leichtathletik-EM in Helsinki die Silbermedaille über 5000 Meter.

Helsinki. Nachdem Arne Gabius die Ziellinie überquert hatte, riss er erst die Arme in die Luft und schlug dann die Hände vor sein Gesicht. Immer wieder schüttelte der deutsche Serienmeister den Kopf, er konnte sein Glück kaum fassen: Silber. Bei den Leichtathletik-Europameisterschaften in Helsinki ist der 31 Jahre alte gebürtige Hamburger nach einem couragierten Rennen über 5000 Meter zu seiner ersten internationalen Medaille gelaufen.

"Davon habe ich immer geträumt", gestand Gabius später und würdigte in der Stunde seines größten Erfolgs seine früheren Trainer: Dieter Baumann, der 1994 an gleicher Stelle zu EM-Gold gelaufen war, und Gerd Seemann, der ihn bis 2004 bei der LAV Hamburg-Nord betreut hatte. "Ohne sie wäre diese Leistung nie zustande gekommen", sagte Gabius: "Dieter hat sich vor elf Monaten von mir getrennt, dann habe ich meine Sachen selbst in die Hand genommen, und man sieht, was dabei herausgekommen ist."

200 Meter vor dem Ziel hatte Gabius die entscheidende Attacke gesetzt und musste sich im Ziel nach 13:31,83 Minuten nur dem übermächtigen britischen Weltmeister Mohammed Farah (13:29,91) geschlagen geben. Bronze bei der einzigen Entscheidung des ersten EM-Tages gewann der gebürtige Kenianer Polat Kemboi Arikan (13:32,63) für die Türkei.

"Heute waren sie alle am Start, die laufen können in Europa", sagte Gabius und bekam das Grinsen gar nicht mehr aus dem Gesicht, "30 Meter vor Schluss wusste ich: Das reicht. Unglaublich." 18 Jahre nach dem Gold-Coup seines ehemaligen Trainers und Lehrmeisters Baumann gewann Gabius erstmals wieder eine EM-Medaille für die deutschen 5000-Meter-Läufer.

+++ Deutsche Erfolge über 5000 Meter +++

"Die Konkurrenz ist sehr stark, ich muss hellwach und im richtigen Moment da sein", hatte Gabius vor dem Rennen gesagt. Und der Mediziner und sechsmalige deutsche Meister, der in diesem Jahr seine Bestzeit bereits um 13,22 Sekunden steigern konnte und Anfang Juni in Oslo starke 13:13,47 Minuten lief, nutzte seine Chance eiskalt. "Ich hatte ja nichts zu verlieren", sagte er später. Hinter Farah lauerte Gabius stets geschickt im Windschatten des großen Favoriten und konnte alle Attacken der Konkurrenz parieren. Auf der Schlussrunde ließ er Arikan und den viertplatzierten Franzosen Yohan Durand förmlich stehen.

+++ Gabius läuft in Helsinki auf Baumanns Spuren +++

Im Ziel ließ sich Gabius dann von seinem Bruder Jan die deutsche Fahne zuwerfen und begab sich mit seinem Freund Farah und Arikan auf die Ehrenrunde. Weltmeister "Mo" Farah rannte erwartungsgemäß nicht nur Gabius davon: Der aus Somalia stammende Brite überquerte die Ziellinie bereits nach 13:29,91 Minuten.

Bei den Olympischen Spielen (27. Juli bis 12. August) wird der 29-Jährige nun von den so starken Kenianern und Äthiopiern gejagt. In London weht auch für Gabius ein anderer Wind: In der Welt ist er derzeit hinter zig Afrikanern nur die Nummer 36. Aber EM-Silber kann ihm keiner mehr nehmen. Gabius hatte recht behalten: "Mit 30 fängt das Läuferleben doch erst an", sagte der Ausdauerspezialist, der sogar von einem Rapper ("Ich bin hochbe-Gabius") besungen wird, kürzlich. "Vielleicht stehe ich am 11. August ja schon wieder in einem Finale." Qualifiziert ist er jedenfalls für London.

Eine zweite deutsche Medaille könnte es heute im Zehnkampf geben. Der Frankfurter Pascal Behrenbruch liegt nach fünf Disziplinen nur 61 Punkte hinter dem führenden Ukrainer Alexej Kasjanow (4352) und darf sogar auf den Titel hoffen. Über 100 Meter lief Behrenbruch 10,93 Sekunden und ließ 7,15 Meter im Weitsprung folgen (jeweils Saisonbestleistung). Im Kugelstoßen steigerte er seine persönliche Bestleistung auf 16,89 Meter. "Ich wollte allen zeigen, dass ich der Chef im Ring bin", sagte Behrenbruch. Im Hochsprung musste er dann den ersten Rückschlag hinnehmen, als er nicht über 1,97 Meter hinauskam. Mit Wut im Bauch rannte er die abschließenden 400 Meter in starken 48,54 Sekunden.

Weniger erfolgreich verlief der EM-Tag für Sinje Florczak. Die Hamburger Weitspringerin, die für Paderborn startet, kam in ihrem ersten großen Wettkampf nicht über 6,15 Meter hinaus und verpasste das Finale der besten zwölf deutlich. Hochspringerin Ariane Friedrich (Frankfurt) konnte aufgrund von Magenproblemen erst gar nicht an der Qualifikation teilnehmen.

Das ZDF berichtet von 8 bis 13 Uhr und von 16 bis 19 Uhr live vom zweiten EM-Tag, Eurosport von 8 bis 14.30 Uhr und von 15.15 bis 19.15 Uhr.