Nur wenige Zentimeter fehlten André Greipel zu seinem zweiten Etappensieg. In Tournai jubelte der große Rivale Cavendish.

Tournai. André Greipel trat noch einmal mit aller Gewalt in die Pedale, hatte gegen einen entfesselt heranspringenden Weltmeister aber wieder einmal hauchdünn das Nachsehen. Auf der zweiten Etappe der 99. Tour de France musste der Rostocker trotz perfekter Ausgangslage seinem langjährigen Rivalen Mark Cavendish beim Jubeln zusehen. "Ich bin sehr enttäuscht“, sagte der 29-Jährige am Montag, völlig abgekämpft und sichtbar frustriert. "Die Jungs haben perfekt für mich gearbeitet – es hätte klappen können. Auf ein nächstes!“

Das Gelbe Trikot des Gesamtführenden verteidigte zum zweiten Mal Prolog-Sieger Fabian Cancellara aus der Schweiz.

Nach 207,5 Kilometern wurden Greipel der Gegenwind und ein cleverer Cavendish zum Verhängnis. Der 21-fache Tour-Etappensieger aus Großbritannien trat erst auf den letzten Metern aus dem Windschatten des bulligen Lotto-Belisol-Fahrers und zog kurz vor der Ziellinie vorbei. "Ich kann keinem verbieten, an meinem Hinterrad zu fahren“, meinte Greipel dazu. Nach dem Rennen bedankte sich der Geschlagene, der im Vorjahr in Carmaux Cavendish bezwungen und seinen ersten Tour-Erfolg gefeiert hatte, bei allen Teamkollegen persönlich und mit Handschlag für die geleistete Arbeit.

Zu diesem Zeitpunkt war Tony Martin gerade erst in moderatem Tempo mit rund viereinhalb Minuten Rückstand ins Ziel gerollt. Nach seinem Kahnbeinbruch vom Vortag ging es ihm auf seinem Leidensweg den Umständen entsprechend gut. "Die Etappe kam mir entgegen. Nur beim Bergabfahren hatte ich leichte Probleme, weil ich den verletzten Daumen nicht richtig um das Lenkrad klammern konnte“, sagte er.

Martin will auch am Dienstag in Orchies wieder an den Start gehen. "Es geht schon“, meinte der Wahl-Schweizer, der noch mindestens bis nächsten Montag durchhalten will, um im Zeitfahren von Besancon als amtierender Weltmeister noch einmal aufzutrumpfen.

Sogar noch hinter Martin war am Montag Sprintspezialist Marcel Kittel in Tournai angekommen. Der Thüringer Tour-Debütant galt als Kandidat für den Tagessieg, konnte wegen schlimmer Magenprobleme im Finale aber nicht mehr vorne mitmischen. "Die Fahrer im Rennen und die Teamleitung haben entschieden, dass er seine Kräfte sparen und sich aus dem Spurt heraushalten soll. Seine Beschwerden hatten sich während des Rennen noch verschlechtert", sagte Teamsprecher Bennie Ceulen.

Vor allem für Martin ging es nur ums Durchkommen. Der gebürtige Cottbuser fuhr zumeist am Ende des Pelotons, um allen Rangeleien auszuweichen und die unübersichtlichen Straßenabschnitten gefahrlos passieren zu können. Mit einer Spezialschiene und im Ungewissen, ob er durchhalten könne, hatte der 27-Jährige in Visé die Etappe in Angriff genommen. Von nun an müsse er sich "durchbeißen“, hatte er verkündet. An Attacken in der ersten, relativ flachen Tour-Woche sei nicht mehr zu denken.

Sein großes Saisonziel, eine Medaille im Einzelzeitfahren der Olympischen Spiele, geriet durch die Verletzung in Gefahr. Abhaken wollte er London aber "definitiv“ noch nicht. "Jetzt muss ich Moral zeigen“, betonte er. Dass er die 99. Tour am 22. Juli in Paris beenden wird, scheint aufgrund der Beeinträchtigung unwahrscheinlich