Vittel. Peter Sagan hatte sich im Zielsprint einen Ellbogenstoß gegen seinen Rivalen Cavendish geleistet. Dem droht nun ebenfalls das Aus.

Radsport-Rüpel Peter Sagan bat nach seiner brutalen Attacke demütig um Entschuldigung, doch die Jury kannte keine Gnade. Um 18.58 Uhr schloss die Rennleitung den slowakischen Weltmeister vom deutschen Team Bora-hansgrohe von der 104. Tour de France aus – die Höchststrafe für einen ekligen Ellbogen-Rammstoß gegen den Briten Mark Cavendish im Massensprint von Vittel. Die Tour hat ihren ersten Eklat.

„Peter Sagan hat auf den letzten Metern des Sprints Kollegen ernsthaft gefährdet“, teilte Jurypräsident Philippe Marien aus Belgien mit. Der Slowake Sagan, der seinem neuen Team 24 Stunden zuvor den ersten Tour-Etappensieg beschert hatte, sorgte nun für Boras GAU.

„Du hast mich zum zweiten Mal beinahe umgebracht!“, fauchte der deutsche Topsprinter André Greipel, der sich nur mühsam auf dem Rad gehalten hatte. Cavendish wurde mit Verdacht auf Schulterbruch umgehend ins Krankenhaus gebracht. Sagan, der Grenzgänger seines Sports, hatte komplett überzogen.

Auch Degenkolb geht zu Boden

Im chaotischen Finale nach 207,5 Kilometern in Vittel, wo der Franzose Arnaud Démare für den ersten Heimsieg der 104. Auflage sorgte und Greipel Dritter wurde, hatte er einen spektakulären Crash verursacht. Der 27-Jährige, am Montag noch strahlender Sieger der dritten Etappe, rammte Cavendish in die Gitter, dieser flog dem Thüringer John Degenkolb vors Rad, der ebenfalls übel zu Boden ging.

„Da fährt ein Typ im Weltmeister-Trikot, der meint, er könne sich alles erlauben“, polterte Greipel. Der 34 Jahre alte Rostocker war ebenso chancenlos wie Marcel Kittel, der schon zuvor den Anschluss verloren hatte.

Mark Cavendish erlitt bei seinem Sturz wohl einen Schulterbruch
Mark Cavendish erlitt bei seinem Sturz wohl einen Schulterbruch © imago/Belga | DIRK WAEM

Cavendishs Sportdirektor Rolf Aldag (Dimension Data) hatte die härteste Konsequenz gefordert. „Das war eine klare Tätlichkeit. Sagan muss ausgeschlossen werden. Wir haben das bei der Jury beantragt“, sagte Aldag dem Portal Radsport-News.com.

Die Jury belegte Übeltäter Sagan, zunächst Etappenzweiter, zunächst mit 30 Sekunden Strafe und versetzte ihn auf Platz 115 zurück, Greipel rückte damit vom ursprünglichen vierten Platz einen Rang vor. Nach einer guten Stunde Beratung senkte die Rennleitung dann den Daumen.

Kittel verliert Grünes Trikot

Sagan sah zumindest seine Schuld ein und ging im Zielraum auf Entschuldigungstour. Nach der missglückten Aussprache mit Greipel suchte er den Cavendish-Teambus auf und sagte Sorry. „Ich habe Mark nicht gesehen, es tut mir leid“, meinte Sagan. Sein zweites Opfer Degenkolb gab Entwarnung: „Es geht mir den Umständen entsprechend gut.“

Kittel, am Sonntag Sieger des ersten Massenspurts in Lüttich, war zurückgefallen, als ein erster Massensturz um den Gesamtführenden Geraint Thomas das Feld an der Einkilometermarke dezimierte. „Es ist eng geworden, als alle vorne fahren wollten“, meinte Kittel, der das Grüne Trikot verlor.

Thomas bleibt in Gelb

Das Gelbe Trikot des Gesamtführenden verteidigte der Waliser Thomas trotz des Sturzes mit zwölf Sekunden Vorsprung auf seinen britischen Teamkollegen und Kapitän Christopher Froome. Die fünfte Etappe am Mittwoch, die mit einer knackigen Bergankunft an der Planche des Belles Filles in den Vogesen endet, wird zum ersten Prüfstein für die Klassementfahrer.

„Das ist der erste große Test“, sagte Thomas, der keinen Zweifel an seiner untergeordneten Rolle im Team lässt: „Was auch immer das Team entscheidet, ich werde es mittragen. Ich stehe voll an Froomes Seite und will mit ihm die Tour gewinnen.“

Van Keirsbulck fährt 190 Kilometer allein

Kittel, auf den erst am Donnerstag die nächste Sprintchance wartet, bestritt seinen zweiten Renntag im Grünen Trikot zunächst bester Laune, er hatte bei gemächlicher Fahrt reichlich Zeit zum Plausch mit den Kollegen. „Es ist sehr motivierend, sich auf einen zweiten Sprint vorzubereiten, wenn man schon einen Sieg in der Tasche hat“, sagte der 29-Jährige vor dem Start – auf das folgende Chaos war er nicht vorbereitet.

Die erste Rennhälfte prägte am Dienstag der belgische Tour-Debütant Guillaume Van Keirsbulck vom Team Wanty-Groupe Goubert. Der Enkel des früheren Straßenweltmeisters Benoni Beheyt trat unmittelbar nach dem scharfen Start an und fuhr in Eigenregie mehr als 13 Minuten Vorsprung heraus. Erst nach 190 Kilometern war eine der längsten Alleinfahrten der Tour-Geschichte beendet.