Ihr Schritt sah nur langsam aus, in Wirklichkeit war er raumgreifend und lang. Jedenfalls hielt Lena Schöneborn ihren Vorsprung im abschließenden...

Peking. Ihr Schritt sah nur langsam aus, in Wirklichkeit war er raumgreifend und lang. Jedenfalls hielt Lena Schöneborn ihren Vorsprung im abschließenden 3000-Meter Lauf, 15 000 Zuschauer im Olympic Sports Center feuerten sie dabei an. Sie war diejenige, die das Zielband riss, sie war die Olympiasiegerin im Modernen Fünfkampf. "Ich bin überwältigt"; sagte die 22-Jährige von den Schwimm- und Sportfreunden Bonn 1905, "heute ist einfach alles perfekt gelaufen. 20 Athletinnen können eine Medaille gewinnen, aber meine Tagesform hat gestimmt." Sie könne das große Medieninteresse und das Drumherum noch gar nicht fassen. "Das kommt im Modernen Fünfkampf nicht oft vor." Sogar ihre Fingernägel, die verschiedene Nationalflaggen zierten, waren von Interesse. "Das mache ich, um mich mental für den Wettkampf zu präparieren."

Schöneborn hatte den Wettkampf bald dominiert. Nach ihrem mäßigen 20. Platz beim Schießen (177 Ringe), das bereits um 9 Uhr begann, sprang sie als beste Fechterin des 36er-Feldes (28 Siege, sieben Niederlagen) bereits in der zweiten Disziplin an die Spitze des Feldes. Auf der 200 Meter langen Schwimmstrecke, dem dritten Akt, belegte sie den zehnten Rang (2:16,91 Min.) und verteidigte ihren Vorsprung. "Ich schaue nie auf die Punktzahlen, ich konzentriere mich immer nur auf mich selbst", sagte die 22-jährige BWL-Studentin. Aber unabhängig davon galt das Reiten erneut als Schlüssel: Hier spielen sich häufig wahre Dramen ab, wenn nämlich die zugelosten Pferde den Reiter nicht akzeptieren und Hindernisse verweigern. Schöneborn zog das Los mit der Nummer 32, und das Pferd "Xingxing", was auf Deutsch so viel wie Sternchen heißt, brachte der Vize-Weltmeisterin von 2007 das nötige Glück. Nach wackeligem Beginn riss Sternchen zwar das dritte Hindernis, blieb aber dann fehlerfrei. Damit war die in Troisdorf geborene Sportlerin die beste Reiterin in der Spitzengruppe, während Eva Trautmann (Darmstadt) längst abgeschlagen war und auf dem 29. Platz landete.

Ein sporthistorisches Datum ist dieser 22. August 2008 allemal. Schließlich hat seit 72 Jahren kein deutscher Fünfkämpfer mehr eine Medaille bei Olympischen Spielen gewonnen. Der letzte deutsche Olympiasieger 1936 in Berlin hieß Karl Herrmann Gotthard Handrick, doch war seine Biographie später kaum geeignet, Werbung für die Sportart zu betreiben. Handrick nämlich gehörte als Jagdflieger zur berüchtigten Luftstaffel "Legion Condor", die kurz nach den Spielen 1936 das baskische Dorf Guernica bombardierte - der spanische Maler Pablo Picasso schuf bekanntlich ein Jahr später mit seinem Gemälde ein Andenken an diesen barbarischen Akt, das die kollektive Erinnerung länger überdauerte als die sportlichen Leistungen Handricks. Er war vergessen, als er 1978 starb.

Heute, da sich das Sportverständnis in den letzten 30 Jahren kolossal verändert hat, erscheint der Moderne Fünfkampf als Überbleibsel, als Anachronismus. Dem Vernehmen nach gehört der Moderne Fünfkampf zu jenen Sportarten, die für den Olympischen Kongress 2009 in Kopenhagen auf der Streichliste stehen. Kein Wunder, dass der größte Lobbyist dieser Sportart, Klaus Schormann aus Darmstadt, energisch für eine Modernisierung eintritt. Als Präsident des Weltverbandes UIPM will er das Schießen möglichst bald mit dem Laufen kombinieren, um mit dieser Biathlon-Variante den Spannungsgrad zu erhöhen. Lena Schöneborn sorgte gestern auch ohne diese Regeländerung für Spannung im Finale. "Sie ist eine wunderbare Botschafterin für unseren Sport, sie steht für einen fairen und sauberen Sport", war Schormann begeistert. Und er sah mit dem spannenden Finale den Nachweis gelungen, dass die Tradition fortgesetzt werden muss: "Warum sollte dieses Kind von Coubertin nicht mehr im Mittelpunkt stehen?"