Der Hamburger Handballverein muss den Ende 2011 gekündigten Trainer weiterbeschäftigen. Er gewann den Prozess vor dem Hamburger Landgericht.

Hamburg. Die Handballer des HSV Hamburg haben einen neuen Präsidenten. Der Wuppertaler Medizinunternehmer Matthias Rudolph, 54, tritt erwartungsgemäß die Nachfolge des zurückgetretenen Martin Schwalb, 49, an. Der Aufsichtsrat des Vereins bestellte den Bruder von Andreas Rudolph, 57, dem Mehrheitseigner der Betriebsgesellschaft, für drei Jahre ins Amt. "Das ist die optimale Lösung", sagte Schwalb, der sich fortan auf seine Aufgaben als Trainer konzentrieren kann. Matthias Rudolph, streitbarer Geist und Mann klarer Worte, der aber als verlässlich gilt, ist mit seinen Pinguin-Apotheken dem deutschen Meister des Jahres 2011 seit Langem als Sponsor verbunden.

Eine der ersten Aufgaben des neuen Vereinschefs dürfte die Personalie Per Carlén werden. Der vom HSV am 30. Dezember 2011 fristlos gekündigte Trainer hat seinen Prozess vor dem Arbeitsgericht Hamburg gegen den Klub in erster Instanz gewonnen. Die Richter gaben der Kündigungsschutzklage des 51-Jährigen statt, forderten den Verein auf, Carlén als Cheftrainer der Bundesligamannschaft bis zum Vertragsende am 30. Juni 2014 weiterzubeschäftigen und ihm die von Januar bis April ausstehenden Gehälter sofort zu bezahlen.

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Die Entscheidung über die Entgelte für Mai und Juni vertagte das Gericht nur aus formalen Gründen. Auch für sie wird der HSV wohl umgehend aufkommen müssen. Selbst erstinstanzliche Urteile von Arbeitsgerichten können zügig vollstreckt werden, auch ohneSicherheitsleistungen wie etwa eine Bürgschaft. Die Gründe für die außerordentliche Kündigung des HSV sah das Gericht "als nicht ausreichend an".

Geschäftsführer Christoph Wendt wollte den Richterspruch nicht kommentieren: "Wir äußern uns erst, wenn das Urteil rechtskräftig ist." Auch der Ahrensburger HSV-Anwalt Oliver Schwansee lehnte eine Stellungnahme ab. Ob der HSV in Berufung vor das Landesarbeitsgericht geht, will der Verein nach Erhalt der schriftlichen Urteilsbegründung entscheiden. Ein Monat Zeit verbleibt ihm nach der Zustellung.

Bis Vertragsende stünden Carlén rund 500 000 Euro Gehalt zu. Andreas Rudolph hatte im Januar erklärt, dafür aufkommen zu wollen: "Es war mein Fehler, ihn zu holen." In der Vergangenheit hatte Rudolph Angelegenheiten dieser Art außergerichtlich geregelt. Künftig aber darf er Zuwendungen an den HSV, die über seine Leistungen als Sponsor hinausgehen, nicht mehr als Betriebsausgaben von der Steuer absetzen. Das Finanzamt will es so.

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Carlén scheint weiter kompromissbereit. Seine Anwälte Carsten Bartholl und Dr. Rajko Herrmann (Kanzlei Taylor Wessing) sagten dem Abendblatt: "Herr Carlén überlegt noch, wie er mit dem Urteil umgeht. Einer Einigung mit dem HSV steht er offen gegenüber."

Der HSV stellte vor Gericht jedoch klar, dass er Carlén auf keinen Fall weiterbeschäftigen werde. Der Schwede war nach dem 34:29-Sieg über Frisch Auf Göppingen am 27. Dezember beurlaubt worden. Der HSV hatte in diesem Spiel einen Achttorerückstand aufgeholt. Taktische Fehler, falsches Training und nicht ausreichende Deutschkenntnisse hatte Rudolph ihm damals zum Vorwurf gemacht. Zur Ehrenrettung Carléns muss nun gesagt werden, dass anschließend weder sein Assistent Jens Häusler noch vom März an Martin Schwalb erfolgreichere Arbeit als Trainer leisteten, zumindest was die Ergebnisse betrifft. Als Carlén gehen musste, war der HSV Tabellendritter und hatte in Pokal und Champions League alle Spiele gewonnen. Die Saison beendete die Mannschaft ohne Titel als Vierter der Bundesliga.