Präsident Matthias Rudolph rechnet mit dem am Dienstag freigestellten HSV-Hamburg-Geschäftsführer Frank Rost ab. Es folgt ein Rechtsstreit. Einen Nachfolger soll es vorerst nicht geben.

Hamburg. Als Christoph Wendt, 38, am Dienstagmorgen sein Gemeinschaftsbüro auf der Geschäftsstelle in der Volksbank-Arena betrat, staunte der Geschäftsführer der HSV-Handballer nicht schlecht. Sein Kollege Frank Rost, 40, saß gegenüber an seinem Schreibtisch und hatte seinen Laptop aufgeklappt. Dabei hatte Rost noch am Vorabend Vereinspräsident Matthias Rudolph, 55, am Telefon erklärt, dass er sein Amt als Geschäftsführer der HSV Handball Betriebsgesellschaft mbH & Co. KG aufgibt.

Für Aufklärung sorgte Rudolph kurze Zeit später: „Montagabend bat er mich um einen Aufhebungsvertrag, danach per E-Mail um Beurlaubung. Nachdem ich diese abgelehnt habe, kündigte er an, wieder an seinen Arbeitsplatz zu gehen.“ Nach einem weiteren Telefongespräch mit Rudolph räumte Rost diesen noch am Dienstagvormittag. Beide Seiten werden sich jetzt wahrscheinlich vor dem Arbeitsgericht treffen. „Die Anwälte prüfen das gerade“, sagte Rudolph am Mittwoch. „Das ist für beide Beteiligte sehr schlecht. Wir wollten das eigentlich vermeiden“, so der Präsident.

Offiziell ist Rost vom HSV Hamburg zunächst freigestellt. Erst am 1. Juli hatte der ehemalige Fußballtorwart des Hamburger SV seinen Job beim Sieger der Handball-Champions-League angetreten.

„Sein Verhalten ist eine Frechheit“, zürnte Rudolph, „erst legt er sein Amt nieder, dann will er, dass ich ihn beurlaube und weiter bezahle. Aber warum soll ich ihn nach seinem Rücktritt noch beurlauben. Dem geht es doch nur noch ums Geld.“ Das wiederum überrascht viele im Verein, hatte Rost bei seinem Amtsantritt stets erzählt, Geld spiele für ihn keine Rolle. Er hatte sogar darauf bestanden, nicht mehr als Wendt, der zweite Geschäftsführer, verdienen zu wollen. „Wir haben uns in ihm schwer getäuscht“, sagte Rudolph. „Wir und viele andere im deutschen Handball hatten große Hoffnung an seine Verpflichtung geknüpft, einen Externen, der einen anderen Blickwinkel auf den Handball hat. Aber er passte offenbar nicht zu uns. Das macht uns traurig. Wir wollten mit ihm eigentlich Probleme lösen und keine neuen schaffen.“

Markovic-Transfer als Knackpunkt

Rost hatte am Montag seine Demission damit begründet, dass die Vereinsführung wiederholt Verabredungen nicht eingehalten und ohne sein Wissen für den Club relevante Entscheidungen getroffen hätte. Das sah er als Vertrauensbruch an. Letzter Anlass war die Verpflichtung des Montenegriners Zarko Markovic, von der Rost erst erfuhr, nachdem sie am Montagmorgen praktisch perfekt war. Rudolph hatte ihn über die Verhandlungen nicht vorab informiert. Anstatt Rost, der für diesen Aufgabenbereich zuständig war, hatte er Wendt mit den Vertragsgesprächen beauftragt. Begründung: Markovics Berater Sasa Bratic hätte dies gewünscht.

Das sei jedoch kein Grund, alles sofort hinzuschmeißen, sagte Rudolph, „das kann sich der Verein nicht bieten lassen“. Dennoch bewertet der Präsident die kurze Amtszeit Rosts nicht nur negativ: „Er hat einige Problemfelder richtig erkannt und benannt, nicht aber begriffen, dass uns ein fairer Umgang mit den Weggefährten und Mitarbeitern sehr am Herzen liegt. Wir waren bereit, ihn mit Macht auszustatten. Aber wenn man sie nur dazu nutzt, um Folter und Qualen zu verbreiten, bringt das den Club nicht weiter. Seine Aufgabe war nicht, den Etat herunterzufahren, sondern so viel Geld zu erwirtschaften wie möglich. Wir waren auch ohne Frank Rost gut aufgestellt und sind es für die Zukunft jetzt auch ohne ihn.“

Einen neuen Geschäftsführer werde es vorerst nicht geben. „Wir sind auf dem Gebiet ja auch früher aktiv gewesen, wenn wir auch nicht alles richtig gemacht haben. Wir sind sehr gut aufgestellt und verteilen alle Aufgaben“, sagte Rudolph am Mittwoch. Wendt und Trainer Martin Schwalb, 50, der im Juni für Rost vom Posten des Geschäftsführers zurückgetreten war, werden sich künftig die Aufgaben wieder aufteilen.

Rost verschreckte mit rüdem Umgangston

Rost, Spitzname beim HSV: Frosti, hatte in den sechs Wochen seiner Amtszeit wiederholt die Strukturen auf der Geschäftsstelle beklagt, fehlende Zuständigkeiten angeprangert, und er hatte oft das Gefühl, dass einige Mitarbeiter nicht ausgelastet seien. „Viele verbringen hier zwar viel Zeit, sie arbeiten aber nicht effektiv genug“, sagte er. Rost („Der HSV braucht Leute, die bereit sind, ihre Komfortzone zu verlassen“) ließ daraufhin Arbeitsprotokolle anfertigen, in denen die Angestellten ihren Tagesablauf auf der Geschäftsstelle und speziell alle Gespräche dokumentieren mussten. Das anfängliche Du, „ich bin der Frank“, entzog er den meisten Kollegen nach kurzer Zeit.

Zu Recht beanstandete Rost die hohen Telefonkosten um rund 700 Euro pro Monat, weil der Verein es versäumt hatte, eine Flatrate abzuschließen. Auch die Spielern und Trainern vertraglich zustehenden Leasingfahrzeuge kosteten seiner Meinung nach unverhältnismäßig viel. Rost wollte dies ändern und noch einiges mehr, und die Vereinsgremien, die durchaus Handlungsbedarf in dem einen oder anderen Bereich sahen, waren bereit, ihn in diesem Prozess zu unterstützen.

Was viele verschreckte, war Rosts zum Teil rüder Umgangston, seine oft schlechte Laune, die sogar Sponsoren des Vereins irritierte. „Zuletzt hat er den Verein willentlich schlecht vertreten“, sagte Rudolph. Fehlende Sozialkompetenz attestierte ihm ein Aufsichtsratsmitglied, und dass er gern mit Kanonen auf Spatzen schieße. Die Freistellung des Pressechefs Christian Pöhls gehörte zu dieser Art Aktionen.

Rost wollte sich am Dienstag nicht zu den Vorwürfen äußern. Einen freien Journalisten, der ihn am Dienstagmorgen auf der Geschäftsstelle erreichte und ihn um eine Erklärung bat, herrschte er an: „Ich habe zu tun.“