Thomas Müller greift zum zweiten Mal in Folge nach der WM-Torjägerkanone. Doch das hat für den Münchner nur am Rande eine Bedeutung. Er will Weltmeister werden.

Santo André. Thomas Müller fühlt sich in der Interview-Zone nach den Spielen sichtlich wohl. Während viele seiner Mitspieler den Gang durch die Journalisten als notwendiges Übel oder gar als Last empfinden, blüht der 24-Jährige dabei regelrecht auf. Hier ein frecher Spruch, da ein Witz. Müller ist nie um eine Antwort verlegen – und hat dabei immer sein ihm eigenes schelmisches Grinsen im Gesicht.

Er sei ein „very funny guy. In Germany we call it Pausenclown“, beschrieb Mats Hummels nach dem USA-Spiel in der Vorrunde amerikanischen Journalisten schmunzelnd das Naturell von Müller. Doch man sollte diesen sympathischen Fußballer aus Pähl in Oberbayern nicht unterschätzen. Müller kann auf und außerhalb des Platzes auch ganz anders: bissig, unangenehm, gerade heraus, klar und hart in der Analyse, zielstrebig, ehrgeizig. Diese Symbiose zwischen Lausbub und Leistungsträger hat ihn nicht erst seit Brasilien zu einem der großen Sympathie- und Hoffnungsträger der Fußball-Nation werden lassen.

Müller hat im deutschen Starensemble trotz der Schweinsteigers, Lahms, Neuers, Özils oder Hummels inzwischen das wohl größte Marketing-Potenzial. Längst ist er einer der begehrtesten Partner der DFB-Auswahl. Seine begeisternden Auftritte bei der WM haben den Marktwert des Profis vom FC Bayern noch einmal in ungeahnte Höhen getrieben. Der Rekordmeister verlängerte den Vertrag unlängst schon bis 2019.

Müller, verheiratet und skandalfrei, ist mega-in. Er ist der Schwarm aller Schwiegermütter, er hat Profil. Dass der Offensivspieler, der laut Bundestrainer Joachim Löw „nur ganz schwer zu packen ist“, nun als erster Spieler überhaupt zum zweiten Mal in Folge nach der WM-Torjägerkanone greift, trägt ein Übriges zur immensen Popularität des Münchners bei.

Doch vor dem Finale am Sonntag (21 Uhr/ARD und im Liveticker bei abendblatt.de) gegen Argentinien setzt der fünffache WM-Turniertorschütze ganz andere Prioritäten, wie er schon direkt nach der WM-Vorrunde unterstrichen hatte. „Ich habe den Goldenen Schuh vor vier Jahren geholt, was will ich mit einem zweiten? Für mich gibt es einen viel wichtigeren Titel, den ich noch nicht habe“, sagte Müller mit Bestimmtheit – und meinte natürlich den goldenen WM-Pokal.

Mit einem Tor würde Müller, dem seine unberechenbare Spielweise manchmal selbst ein Rätsel ist („Ich weiß manchmal selbst nicht, was als nächstes kommt“), den noch führenden Kolumbianer James Rodriguez (6 Tore) an der Spitze ablösen, da er mehr Assists (3:2) aufzuweisen hat. Zehn WM-Treffer hat Müller insgesamt bisher erzielt und so bereits mit dem legendären Helmut „Boss“ Rahn gleichgezogen sowie Uwe Seeler und Karl-Heinz Rummenigge (beide 9) hinter sich gelassen.

Längst ist der Bayern-Star aber auch international eine Marke. Selbst der große Diego Maradona, der Müller vor vier Jahren bei einem Länderspiel in München noch für einen Balljungen gehalten hatte, sagte nach dessen Dreierpack gegen Portugal anerkennend: „Er hat keine Muskeln, hat aber die Partie alleine gerissen.“

Große Muskeln hat der drahtige Müller in der Tat nicht. Dafür umso mehr Esprit, Wille und Herz. „Den würde jeder gerne haben, jede Nation der Welt, das steht außer Frage“, schwärmt auch Jürgen Klinsmann: „Thomas braucht keine zwei Chancen, er braucht nur eine.“ Vielleicht auch gegen Argentinien.