Joachim Löw geht äußerlich entspannt in sein viertes Turnier als Bundestrainer. Erste Entscheidungen hat er bereits getroffen - unter anderem wird Kapitän Philipp Lahm im Mittelfeld spielen.

Santo André. Das Hauen und Stechen um die begehrten elf Plätze ist in vollem Gange - doch Joachim Löw ist die Ruhe selbst. Vier Tage vor dem WM-Auftaktspiel der deutschen Fußball-Nationalmannschaft am Montag (18 Uhr MESZ/Liveticker auf abendblatt.de) in Salvador gegen Portugal präsentierte sich der Bundestrainer entspannt und aufgeräumt. Etwaige Anzeichen von Druck oder Nervosität? Keine.

„Ich fühle mich hervorragend, bin ausgeglichen und fokussiert. Wir sind gut vorbereitet, das gibt mir ein gutes Gefühl“, sagte der 54-Jährige am Donnerstag. Bei seinem ersten öffentlichen Auftritt in Brasilien lächelte er im modischen hellblauen Shirt gut gelaunt von der Bühne.

Löws nach außen getragene Lockerheit sollte vor dem 100. deutschen WM-Spiel aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass er intern knallhart seine Linie verfolgt - ohne Rücksicht auf Einzelschicksale. Erste harte Entscheidungen hat er vor dem Duell mit Superstar Cristiano Ronaldo bereits getroffen.

So wird Kapitän Philipp Lahm im Mittelfeld beginnen, Jerome Boateng auf der von ihm ungeliebten rechten Position gegen Ronaldo verteidigen. Für Bastian Schweinsteiger oder Sami Khedira bedeutet dies zunächst: Ersatzbank. „Philipp hat bei der Generalprobe im Mittelfeld gespielt. Das wird sicher auch die Lösung für Montag sein“, sagte Löw.

Dass er damit einige Stars unzufrieden zurücklässt, ist dem Bundestrainer angesichts der nationalen Bedeutung der Titel-Mission egal. „Es ist keine Strafe, wenn man nicht zu den ersten elf gehört. Das kann manchmal sogar ein Vorteil sein. Deswegen gibt es für mich persönlich keine Stammspieler, sondern 23 WM-Teilnehmer, die jede Minute in höchster Alarmbereitschaft sein müssen“, betonte Löw.

In diesem Zusammenhang hob er auch die Bedeutung der Einwechselspieler bei den schwierigen Bedingungen („Wir müssen hier auch das Klima und die Anstoßzeit besiegen„) hervor: „Sie haben die Aufgabe, neue Energie und neue Impulse zu bringen. Im Zweifelsfall machen sie den Unterschied. Wir haben deshalb, wenn überhaupt 14 Spezialkräfte, die den Gegner empfindlich treffen müssen.“

Noch hält Löw den Druck bewusst auch intern hoch. Es sei „sehr viel Feuer im Training“, berichtete der Bundestrainer, „die Spieler kämpfen darum, in die Mannschaft zu kommen.“ Der Platz neben Lahm ist ebenso umkämpft wie alle vier Offensivpositionen. Nur Thomas Müller scheint sicher dabei zu sein. Mesut Özil muss trotz eines erneuten Vertrauensbeweises von Löw („Er kann Entscheidendes für uns tun„) ebenso zittern wie Miroslav Klose, Toni Kroos, Mario Götze, André Schürrle und Lukas Podolski.

Auf welches System er setzt, ob mit Klose als echtem Stürmer oder mit einer „falschen Neun“, wollte Löw deshalb auch noch nicht verraten. Dem Thema messe er ohnehin „weniger Bedeutung bei“, versicherte Löw: „Wir haben viele Spieler, die viel Zug zum Tor haben. Müller, Götze, Schürrle, Podolksi, Özil, Klose, das sind alles Stürmer.“

Dagegen deutet vieles darauf hin, dass die Viererkette vor dem wiedergenesenen Torwart Manuel Neuer aus den vier Innenverteidigern Boateng, Per Mertesacker, Mats Hummels und Benedikt Höwedes besteht. „Wir brauchen bei diesem Turnier nicht zwingend offensive Außenverteidiger“, sagte Löw. Die Außenverteidiger hätten zwar die Aufgabe, „nach vorne etwas zu tun“, vor allem aber die „Verantwortung, das Zentrum zuzumachen: Das war ja zuletzt hin und wieder unsere Schwachstelle.“

Gerade gegen Portugal sei eine starke Defensive besonders wichtig, prophezeihte Bundestrainer. Die Portugiesen seien mit Ausnahmespieler Ronaldo, mit Nani oder Moutinho „extrem gefährlich. Von den letzten zwölf Toren haben sie zehn im Konterspiel erzielt, das sagt alles.“

Eine ganz besondere Rolle kommt deshalb dem Münchner Boateng zu, der bei der EURO 2012 schon gut gegen Ronaldo verteidigt hatte. Für den Weltfußballer gilt: „Erhöhte Aufmerksamkeit und Wachsamkeit. Wenn Ronaldo im Tempo ist, ist es nicht einfach. Er macht die besten Laufwege, schleicht sich in den Rücken der Spieler und dann kommt er. Man darf ihn nicht aus den Augen lassen“, sagte Löw.

Ronaldo hin oder her: Löw hofft auf den idealen Auftakt in der Gruppe G, in der neben Portugal noch Ghana (21.6.) und die USA (26.6.) warten. „Jeder Sieg gibt einen Schub für die nächsten Spiele. Wir haben drei unangenehme, hartnäckige Gegner.“ Bei bisher 16 WM-Teilnahmen hat es nur 1982 (1:2 gegen Algerien) eine deutsche Auftakt-Pleite gegeben. Dies soll auch so bleiben. Sonst wäre die gute Laune von Löw schnell dahin.