St. Paulis ehemaliger Publikumsliebling trifft für Paderborn zum 1:1 und verhindert einen perfekten Auftakt für Neu-Trainer Frontzeck.

Paderborn. Ein bisschen mehr Bart und ein paar Kilogramm leichter - ansonsten sah Deniz Naki eigentlich aus, wie man ihn in Hamburg im Gedächtnis behalten hat: schelmisch, augenzwinkernd und mit aufgepumpter Brust stolzierte der 23-Jährige nach der Partie durch die Stadionkatakomben. Bereitwillig gab der Offensivwirbelwind Auskunft, stand Zuschauern wie Medienvertretern geduldig Rede und Antwort und präsentierte seine Trophäe, ein von den Gästefans überreichtes großes St.-Pauli-Trikot mit Naki-Schriftzug und Rückennummer 23. Das Dauergrinsen wich erst, als er auf sein Tor zum 1:1 des SC Paderborn gegen den FC St. Pauli angesprochen wurde. "St. Pauli ist meine Liebe, heute aber musste ich fremdgehen", sagte Naki. "Da wäre es falsch gewesen zu jubeln. Ich habe in dem Moment an ganz viele Sachen gedacht: meinen Abschied im Mai, meine Familie und alles, was gerade so passiert. Ich wollte einfach einen Moment für mich sein."

Als er die Mannschaftskollegen abgeschüttelt hatte, beugte Naki den Oberkörper nach vorne und verharrte ein paar Sekunden mit dem Kopf auf dem Rasen in Gebetshaltung, ehe er sich wieder berappelte und Freunde und Verwandte auf der Tribüne grüßte. Das Tor in der 71. Minute kostete St. Pauli damit zwei von drei verdienten Punkten. Ausgerechnet er, für den es am Millerntor nach zahlreichen Eskapaden im Sommer keine Zukunft mehr gegeben hatte, bremste den anvisierten Neustart seiner alten Kollegen.

Mit Ausnahme des Endresultats war der Neubeginn beim FC St. Pauli ansonsten wie angekündigt vollzogen worden. Optisch dokumentierte Eigengewächs Jan-Philipp Kalla, der erstmals die Kapitänsbinde trug, den Neuanfang, verbal schwang sich Florian Kringe im defensiven Mittelfeld zum lautstarken, ordnenden Anführer auf, während Fin Bartels eindrucksvoll Spieltempo und -richtung diktierte. Bereits in den ersten fünf Minuten initiierte der 25-Jährige gleich drei gefährliche Aktionen der Hamburger: Kevin Schindlers 17-Meter-Schuss in der zweiten Minute strich nur knapp über das Paderborner Tor, nach exakt 170 Sekunden traf Daniel Ginczek den Pfosten, nur zwei Minuten später köpfte der Angreifer wenige Zentimeter zu hoch. "Wir hatten ein klares Chancenplus", stellte Michael Frontzeck zu Recht fest.

Es war ein explosiver Neustart, ganz nach dem Geschmack von Sportdirektor Rachid Azzouzi und Trainer Frontzeck, den es bereits in den ersten Minuten seiner Premiere nicht mehr auf der Bank hielt. Doch so stoisch, wie er an den vorangegangenen 13 Trainingstagen die Übungen seiner neuen Mannschaft verfolgt hatte, gab sich der 48-Jährige fortan auch an der Seitenlinie der mit 15 000 Zuschauern erstmals in zwei aufeinanderfolgenden Partien ausverkauften Benteler-Arena. Frontzeck verharrte in seiner Rolle des ruhigen Beobachters und setzte damit einen Kontrapunkt zum Auftritt seiner Profis. Der Trainer blieb sachlich und nüchtern, während die Elf auf dem Platz ein Spektakel zu versprechen schien. Abgesehen von vereinzelten Korrekturen und neuen Vorgaben, beschränkte sich sein Coaching auf die Kabine, die die Mannschaft trotz 45 Minuten voller Tempo und Spielfreude letztlich dann doch torlos erreichte.

Zwar war der fulminante Sturmlauf nach einer Viertelstunde ein wenig abgeebbt, doch die Hamburger blieben die dominierende Mannschaft. Kringe hatte allein in der ersten Hälfte acht Eckstöße in den Strafraum geflankt, schon das Chancenverhältnis von 7:0 zur Pause sagte alles aus. Dass nach den erwarteten Ausfällen von Florian Mohr und Florian Bruns kurzfristig auch noch Kapitän Fabian Boll (Muskelverhärtung) passen musste, konnte kompensiert werden. "Die erste Viertelstunde war wirklich sehr gut", lobte Markus Thorandt, "aber wir müssen aus so einer Phase dann auch ein Tor machen."

Der Aufwand stimmte, der Ertrag nicht. "Ich denke, es war in den ersten 70 Minuten unser bestes Spiel", ordnete Ginczek ein, der keine drei Minuten nach Wiederanpfiff zum fälligen 1:0 einköpfte und vier Minuten später nur knapp am glänzend parierenden Kruse scheiterte. "Das macht er gut. Da kann man ihm nur gratulieren", erkannte St. Paulis Schlussmann Philipp Tschauner an. Kruse hielt in der Nachspielzeit noch herausragend gegen Dennis Daube, und Bartels sorgte dafür, dass Nakis Treffer einen Zähler wert blieb. "Angespielt, klatschen lassen, angespielt, klatschen lassen - so einfach kann Fußball sein", kommentierte der Schütze seinen folgenreichen Doppelpass mit Yilmaz in der 71. Minute.

Ein emotionaler Nachmittag, den er nicht in Worte fassen konnte: "Schwierig zu beschreiben, musst du erleben", sagte er und lieferte dann noch das Bild des Tages, als St. Paulis Mannschaftsbus nach wenigen Metern schon wieder anhalten musste. Der Publikumsliebling war von Fans auf dem Parkplatz der Geschäftsstelle umringt worden, schrieb Autogramme und bremste nach dem Neustart auch noch die Abfahrt seiner alten Kollegen.