St. Paulis Präsidium im Dialog mit der aktiven Fanszene - Anhänger behalten die Privilegien, Sven Brux ist offizielles Bindeglied.

Hamburg. Die Emotionen waren hochgekocht. Der Vorfall vom 28. März, als Mitglieder der Ultras Sankt Pauli (USP) vor und zu Beginn des Spiels gegen Rostock Tausende Zuschauer am Zugang zu ihren Plätzen auf die Südtribüne gehindert hatten, sorgte nicht nur innerhalb des FC St. Pauli für große Aufregung. Was als breite Solidaritätsbekundung für die ausgesperrten Gästefans gedacht war und im Streit endete, ließ im großen Gemeinschaftsgebilde FC St. Pauli Risse aufbrechen, die sich längst abgezeichnet hatten. Gegenseitig warfen sich Vereinsvertreter und Aktivisten aus der Fanszene fehlende Kommunikationsbereitschaft, Engstirnigkeit und mangelndes Verständnis für die Gegenseite vor. Der damalige Präsident drohte gar mit rechtlichen Schritten: "Wir prüfen, inwieweit es sich um den Tatbestand der Freiheitsberaubung handelt", sagte Corny Littmann und kündigte Fanladen und USP am 16. April den kompletten Entzug der 2006 im gemeinsamen Projekt "Ab in den Süden" gegebenen Privilegien an.

Man muss diese Vergangenheit kennen, um die Bedeutung des für die nächste Woche vereinbarten Treffens zwischen Präsidium und Ständigem Fanausschuss richtig einordnen zu können. "Es gibt jetzt regelmäßige Treffen", sagt Justus Peltzer, hauptamtlicher Mitarbeiter im Fanladen, "wir haben das neue Präsidium vor ein paar Wochen eingeladen. Es konnte ja nicht sein, dass wir nicht mehr miteinander reden." Und es ist nicht das erste Mal, dass Peltzer und andere Fanvertreter mit der neuen Führungs-Troika um Stefan Orth zusammensitzen. Am 21. Juni fand die erste Begegnung statt. "Das war das Startsignal", findet Peltzer. "Ein kommunikativer Neuanfang", erinnert sich Vizepräsident Bernd-Georg Spies. "Das Klima hat sich verändert. Man nimmt sich wieder gegenseitig ernst", lobt auch Tilman M. Brauns, Mitglied des Fanclubsprecherrats.

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Von den Drohungen der Vergangenheit ist nicht viel übrig geblieben. Auch in der kommenden Saison werden Fans Sonderrechte wie den USP-Verkaufsstand, Lagerräume für Fahnen und Fanutensilien, Arbeitskarten zum Vorbereiten von Choreografien und den Abverkauf des Fanzines "Übersteiger" genießen. Und auch das größte Privileg, die Verwaltung von etwa 2000 Stehplatzdauerkarten für die Südtribüne sowie 600 Einzeltickets pro Partie, bleibt in der Hand von Fanladen und USP. Kommunikation statt Repression, das Präsidium hat den Kuschelkurs eingeschlagen. Spies erklärt die Motivation: "Es hat intern schon genügend reinigende, klärende Diskussionen gegeben. Da muss das Präsidium jetzt nicht noch altväterliche Bestrafungsaktionen vornehmen." Je nach Dringlichkeit und Bedarf will man sich nun treffen, mindestens aber alle drei Monate zum konstruktiven Gedankenaustausch.

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Stets mit dabei in der Runde ist seit dem 21. Juni auch Sven Brux. Der Sicherheitsbeauftragte und ehemalige Fanbeauftragte des Klubs fungiert vor und nach den Treffen in einer Mittlerrolle als Regulativ. "Er ist das Bindeglied. Wir sprechen das Präsidium über Sven an, und er trägt Dinge aus dem Präsidium an uns heran", erklärt Peltzer. Die Irritationen und Missverständnisse der vergangenen Jahre soll es nicht mehr geben. Auch deshalb nicht, weil die Treffen protokolliert werden. "Reibungspunkte gab es bislang allerdings noch keine", sagt Peltzer.

Auch für das Treffen in der kommenden Woche droht kein Konfliktpotenzial. Der erste Kompromiss wurde im Rahmen der "Härtefall-Regelung" bereits geschlossen. Zahlreiche Dauerkartenbesitzer waren im Februar beim von 6500 Interessierten völlig überlaufenen Erwerb von Berechtigungsscheinen für die 2000 Südtribünen-Dauerkarten leer ausgegangen, nachdem sich einige Konkurrenten vorgedrängelt hatten. Diese Fans erhalten nachträglich Karten, wenn sie Vereinsmitglied sind und bereits 2009/10 und 2006/07 ein Abo-Ticket hatten. Das Kontingent wird Fanladen, USP und dem Verein entnommen - jeweils zu einem Drittel.