Ein Wechsel vom Präsidium in den Aufsichtsrat erscheint möglich. Spies und Schulz könnten die Nachfolge antreten.

Hamburg. Das Treffen war lange anberaumt worden. Vor dem Spiel gegen Celtic Glasgow kamen gestern das Präsidium und der Aufsichtsrat des FC St. Pauli zusammen. Nur die Thematik, die die angeregten Gespräche und Diskussionen beherrschte, hatte sich kurzfristig verändert. Ursprünglich wollten die Teilnehmer die Zeit nutzen, um über die Etatplanung der kommenden Saison - der Klub kalkuliert mit einem verdoppelten Gesamtetat von 40 Millionen Euro - zu sprechen. Statt Zahlen wurden in der 140-minütigen Sitzung dann aber vor allem Namen diskutiert. An erster Stelle: Corny Littmann.

Bereits einen Abend zuvor hatte der Präsident auf einer eigens einberufenen mehrstündigen Präsidiumssitzung im Fokus gestanden. Seine Vizes Stefan Orth, Bernd-Georg Spies und Gernot Stenger hatten um ein klärendes Gespräch gebeten, nachdem intern immer tiefer durchgesickert war, was Littmann vor Wochen nur seinem engsten Umfeld anvertraut hatte: der Rücktritt von seinem Amt noch vor den Pfingstfeiertagen (Abendblatt berichtete). Die Präsidiumskollegen reagierten verstimmt, da Littmann neben seinem Abschied entgegen der Vereinssatzung auch gleich seinen Nachfolger bekannt geben wollte: Vize Marcus Schulz.

Corny Littmann dementiert, sein Präsidium relativiert

Und tatsächlich trat Littmann gestern zurück. Allerdings (noch) nicht Corny sondern Namensvetterin Annette Littmann, Fraktionsvorsitzende der FDP im Dortmunder Rathaus. Der 57-Jährige hingegen dementierte entsprechende Gedanken überraschend hartnäckig: "Ich trete nicht zurück. Ich bin rundum glücklich. Es gibt keine Überlegung, meine Amtszeit vorzeitig zu beenden", sagte der Hamburger Littmann dem Radiosender NDR 90,3. Ein Dementi, dessen Halbwertszeit in den kommenden Wochen auf eine harte Probe gestellt werden und das seinen Ursprung in der vorabendlichen Unterredung gefunden haben dürfte. Unmissverständlich wurde dem Präsidenten am Montag von seinen Stellvertretern mitgeteilt, was sie von dessen Alleingang halten. In einer gestern veröffentlichten Stellungnahme des Präsidiums hieß es dann: "Ob und wann der Präsident des FC St. Pauli, Corny Littmann, zurücktritt, obliegt allein seiner eigenen Entscheidung. Selbst wenn es dazu kommt, hat der FC St. Pauli ein voll handlungsfähiges Präsidium, das auch in Zukunft eng und vertrauensvoll zusammenarbeiten wird."

CORNY LITTMANN PLANT RÜCKTRITT

Die Verantwortlichen proben den Schulterschluss, was gleichbedeutend damit sein dürfte, dass man sich für den wahrscheinlichen Fall des Rücktritts bereits auf einen kommissarischen Nachfolgekandidaten geeinigt hat. Während Orth und Stenger für den Posten aus privaten Gründen nicht zur Verfügung stehen und lieber in zweiter Reihe weiter wirken wollen, kommen mit Spies und dem favorisierten Schulz überhaupt nur zwei Kandidaten infrage.

Gewählt wird der neue Präsident aber ohnehin erst im November auf der Jahreshauptversammlung, die für den Verein zukunftsweisenden Charakter haben wird. Neben dem Littmann-Nachfolger bestimmen die Mitglieder auch über die Zusammensetzung des Aufsichtrates, der komplett neu gewählt wird. St. Paulis Super-Jahr mit Geburtstag und Aufstieg steht außerhalb des Platzes noch mindestens ein weiterer denkwürdiger Abend bevor.

Krista Sager und Thomas Meggle stehen als Aufsichtsräte bereit

In welcher Funktion Littmann, dessen Amtszeit offiziell erst im kommenden Jahr abläuft, diesen erleben wird, ist die große Frage, die momentan die Gremien beschäftigt. Ehrenpräsident wäre aufgrund seiner Verdienste in siebeneinhalb Jahren Präsidentschaft wohl die wahrscheinlichste. Allerdings kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass der Theaterbesitzer im November sogar noch einmal selbst kandidiert - als Aufsichtsrat. Der umtriebige Netzwerker hat nach Abendblatt-Informationen bereits um Mitstreiter für das Kontrollgremium geworben: Mitglied des Bundestags und Littmann-Freundin Krista Sager (56, Bündnis 90/Die Grünen) und der gestern verabschiedete Fußball-Profi Thomas Meggle, 35, sollen zwei von ihnen sein.

Corny Littmann wird dem Verein voraussichtlich erhalten bleiben. Und so ganz wird sich übrigens auch Anette Littmann nicht aus ihrer Partei zurückziehen. Die FDP-Politikerin aus Nordrhein-Westfalen wird ihre Fraktion nach ihrem Rücktritt in kommunalwirtschaftlichen und finanziellen Fragen weiterhin beraten.