Vor dem Heimspiel gegen Eintracht Braunschweig beschwört St. Paulis Torwart und Ersatzkapitän den Derbycharakter. Mit einer selbstsicheren Ausstrahlung will der 1,96 Meter-Hüne dem Gegner Respekt einflößen.

Hamburg. Wenn an diesem Dienstag kurz vor 17.30 Uhr die Hell’s Bells im Millerntor-Stadion des FC St. Pauli aus den Lautsprechern erklingen, wird Philipp Tschauner wieder vorangehen. Als stellvertretender Kapitän wird der Torwart anstelle des noch nicht wieder vollständig genesenen Sören Gonther das Team auf den Rasen führen, das gegen Bundesliga-Absteiger Eintracht Braunschweig für das erste Erfolgserlebnis unter dem neuen Cheftrainer Thomas Meggle sorgen soll.

Tschauner versucht dabei, seine persönliche Rolle als Spielführer so wenig aufgeregt wie möglich und doch so verantwortungsvoll wie nötig zu betrachten. „Ich werde die Ansprache halten, unmittelbar bevor wir rausgehen. Aber ansonsten ändert sich für mich nicht so viel im Vergleich zu anderen Spielen“, sagt der 28-Jährige, der jetzt seit gut vier Jahren beim Kiezclub ist und damit zu den dienstältesten Spielern seines Teams zählt.

Nachdem seine Mannschaft durch die beiden jüngsten Niederlagen – 1:2 gegen 1860 München und 0:3 bei Erzgebirge Aue – auf Rang 17 der Zweiten Liga und damit auf einen direkten Abstiegsplatz abgerutscht ist sowie auch der unmittelbar zuvor erfolgte Trainerwechsel von Roland Vrabec auf Thomas Meggle noch keinen in Punkten messbaren Erfolg gezeitigt hat, muss nun ein anderes Motivationsmittel herhalten. „Das Spiel gegen Braunschweig ist ja auch ein Nordderby. Das ist auch für unsere Fans ganz wichtig. Deshalb müssen wir als ganze Mannschaft auch so auftreten, wie es sich für ein Derby gehört“, beschwört Tschauner den Kampfgeist seiner Kollegen vor dem Match.

Wenn das Spiel erst läuft, wird es für ihn ohnehin schwierig, alle Mitspieler mit seinen Anweisungen und Aufmunterungen zu erreichen. „Mit meiner Stimme dringe ich sicherlich noch zu den vier Leuten in der Abwehrkette und wohl auch noch zu den beiden defensiven Mittelfeldspieler vor, aber ansonsten wird es schwer“, weiß er selbst, was gerade bei ihm nicht etwa an einem zu schwach ausgeprägten Sprachorgan liegt, sondern am üblichen Lärmpegel im Stadion.

Doch Philipp Tschauner kennt noch ein anderes, vielleicht wirkungsvolleres Mittel, um einen positiven Einfluss auf seine Mitspieler auszuüben. „Gerade als Torwart ist die Körpersprache das Wichtigste“, sagt er. Und zwar gelte dies in einer Hinsicht für die eigenen Kollegen, aber ebenso auch in Bezug auf die Gegner, denen er mit einer betont positiven und selbstsicheren Ausstrahlung Respekt einflößen will. Mit seiner Körpergröße von 1,96 Metern hat er dafür grundsätzlich beste Voraussetzungen.

Wo Meggle ansetzen will

Zuletzt jedoch verloren die St. Paulianer bei einem Gegentor schnell einmal ihr Selbstvertrauen und kassierten wie zuletzt in Aue dann auch noch den zweiten und dritten Treffer. Dies ist der wichtigste Punkt, an dem Trainer Thomas Meggle jetzt ansetzen will. „Wenn wir immer zwei bis drei Gegentore bekommen, wird es ja schon rein statistisch schwer, noch einen Punkt zu holen oder gar zu gewinnen“, sagt der Coach. „Es muss für uns jetzt die Basis sein, hinten zu null zu spielen. Das haben wir thematisiert. Vorn haben wir die Qualität, Tore zu schießen“, sagt er und beschreibt damit seinen Matchplan.

Dabei wird Meggle voraussichtlich die Viererabwehrkette personell verändern. Als Innenverteidiger dürfte Lasse Sobiech den in Aue besonders unsicheren Philipp Ziereis verdrängen. Und auf der Position des rechten Außenverteidigers, auf der weder Stammkraft Sebastian Schachten noch sein Ersatzmann Bernd Nehrig zur Verfügung stehen, könnte Talent Andrej Startsev aus der U23-Mannschaft eine Chance bekommen. Der giftige, zweikampfstarke Defensivspieler war zuletzt noch wegen eines Platzverweises in der Regionalliga Nord gesperrt. Sonst wäre er auch schon in Aue eine Alternative für Lennart Thy gewesen, der als gelernte Offensivkraft nicht mehr als eine Notbesetzung war und durch ein ungeschicktes Zweikampfverhalten auch das erste Gegentor mitverschuldete.

„Es geht aber nicht nur um die personelle Besetzung des Defensivverbundes, sondern auch um die Verhaltensweisen. Wir haben das in Sequenzen dargelegt und gezeigt, welche Wege mitgegangen werden müssen. Und in der Box müssen wir alles dafür tun, dass der Gegner nicht dazu kommt, auf das Tor zu schießen“, sagte St. Paulis Trainer weiter.

Dabei ist Meggle bewusst, dass sein Team an diesem Dienstag auf eine Mannschaft trifft, die nach zuvor drei Niederlagen in Folge am vergangenen Freitag mit dem 2:0 gegen den starken Aufsteiger Darmstadt 98 ein solcher Befreiungsschlag gelang, wie er ihn sich jetzt auch für sein Team wünscht. „Braunschweig hat eine stabile, kompakte Mannschaft, die bei Standards und im Konterspiel gefährlich ist. Das wollen wir unterbinden“, sagte St. Paulis Trainer am Montag.