Der Millerntorclub ist von den Toren seines Top-Stürmers extrem abhängig. Ob die Leihgabe aber in Hamburg bleiben darf, ist offen.

Hamburg. Rachid Azzouzi war der Erste, der in den allgemeinen Freudentaumel warnende Worte streute. "Wir haben noch gar nichts erreicht. 26 Punkte werden für den Klassenerhalt nicht reichen", sagte der Sportchef des FC St. Pauli nach dem überzeugenden, ja zum Teil begeisternden 3:0 (1:0) gegen den bis dahin auf Rang vier der Zweitliga-Tabelle stehenden FSV Frankfurt.

Azzouzi ist Realist, er verfällt nach einem umjubelten Triumph wie jetzt am Freitagabend gegen Frankfurt ebenso wenig in Euphorie wie er nach dem desaströsen 1:4 vor zwei Wochen beim Abstiegskandidaten SV Sandhausen in Panik verfallen ist. Azzouzi war es aber auch, der schon vor geraumer Zeit erkannt hatte, dass er Torjäger Daniel Ginczek noch ein wenig piksen muss, damit dieser sich nach einem Tor nicht zu schnell zufrieden gibt. Aus dieser Erkenntnis heraus entsprang auch die Wette, die er schon vor Wochen mit dem 21-Jährigen abschloss. Er werde es in dieser Saison nicht schaffen, zwei Tore in einem Spiel zu erzielen, behauptete Azzouzi und stellte ein Abendessen für den Fall in Aussicht, dass Ginczek ihn mit Taten widerlegen würde. Dieses Mahl wird nun fällig, nachdem der Stürmer gegen den FSV Frankfurt gleich alle drei Tore erzielt hatte.

St. Paulis Sportchef wird die Wette gern einlösen, womöglich denkt er sich auch gleich eine neue aus, mit der er Ginczek ein weiteres Mal zusätzlich motivieren kann. Denn spätestens nach dem Dreierpack des gebürtigen Sauerländers ist offenkundig, dass der FC St. Pauli die weiterhin dringend benötigten Siege nur dann erzielen wird, wenn Ginczek in guter Verfassung ist und in einer gewissen Regelmäßigkeit das gegnerische Tor trifft. "Er hat jetzt zwar sogar drei Tore in einem Spiel erzielt. Aber wir alle wissen, dass er noch viel Luft nach oben hat. Da ist noch Potenzial vorhanden. Er tut gut daran, sich nicht zufrieden zu geben", sagt Azzouzi.

Mit seinen nun zehn Saisontoren hat Daniel Ginczek gut 45 Prozent der bisher insgesamt nur 22 St.-Pauli-Treffer in dieser Spielzeit erzielt. Zu zwei weiteren hat er jeweils die Vorlage gegeben. Bei fünf der bisher sechs Saisonsiegen des FC St. Pauli war Ginczek jeweils Torschütze. Umgekehrt haben die Kiezkicker nur neun Punkte ergattert, wenn Ginczek nicht getroffen hat. Und lediglich ein Spiel ging verloren, obwohl Ginczek ein Tor erzielt hatte.

"Es wäre schön, wenn die anderen auch noch Tore machen würden", sagt Azzouzi angesichts dieser Zahlen. Immerhin war in der Partie gegen den FSV Frankfurt zu erkennen, dass Ginczeks Offensivkollegen sich die Aufforderung von Trainer Michael Fronteck zu Herzen genommen haben, mutiger den Torabschluss zu suchen. Christopher Buchtmann traf mit einem beherzten Schuss das Außennetz, Akaki Gogias fulminanten Schuss von der Strafraumgrenze auf das kurze Eck konnte FSV-Torwart Patric Klandt gerade noch zur Ecke lenken.

Auch Trainer Michael Frontzeck weiß natürlich um den Wert seines jungen Torjägers für die gesamte Mannschaft. Und Ginczek selbst weiß zu beurteilen, wie wichtig der Trainer für ihn selbst und seine Entwicklung ist. "Er hat viel mit mir gesprochen, mich stark geredet und mir vertraut", sagte der überglückliche Ginczek nach dem Spiel.

Richtig glücklich wären die Verantwortlichen des FC St. Pauli vor allem dann, wenn sie Klarheit darüber hätten, ob Ginczek auch in der kommenden Saison für den Stadtteilclub auf Torjagd gehen und damit an der erhofften positiven Entwicklung der Mannschaft maßgeblich beteiligt sein kann. Bekanntlich steht der 1,91 Meter große Stürmer noch bis Juni 2014 beim Deutschen Meister Borussia Dortmund unter Vertrag und ist nur bis zum Ende der laufenden Saison an den FC St. Pauli ausgeliehen.

Die Hamburger haben großes Interesse daran, Ginczek im kommenden Sommer von Dortmund zu kaufen und ihn mit einem längerfristigen Vertrag auszustatten. Dies setzt allerdings voraus, dass sich der Vorstand der Borussen mit einer für St. Pauli bezahlbaren Ablösesumme zufrieden gibt. Die Crux dabei allerdings ist: Je mehr Tore Ginczek in den verbleibenden elf Saisonspielen noch erzielt, desto wertvoller wird er und desto mehr Interesse wird er womöglich auch bei Erstligavereinen wecken, die finanziell potenter als der FC St. Pauli sind.

Daniel Ginczek selbst, das hat er längst durchblicken lassen, könnte sich eine weitere Saison bei St. Pauli gut vorstellen. Mit seinem Mitspieler und Kumpel Kevin Schindler plant er schon eine Wohngemeinschaft, sofern er in Hamburg bleibt. "Ich fühle mich wohl hier", sagte er auch jetzt wieder nach seinem Dreierpack gegen Frankfurt. Er sagte aber auch: "Ich muss auf die Borussia warten, im Moment ist das kein Thema. Irgendwann werden sich St. Pauli und Dortmund zusammensetzen, dann entscheiden wir, was das Beste für mich ist."