Am Montag kommt Holger Stanislawski mit Köln zurück ans Millerntor. Der Trainer steht dabei unter Erfolgs-Druck bei den Fans.

Köln. Niemand kann behaupten, dass Holger Stanislawski sich nicht quäle für den 1. FC Köln. Die Woche über schlug sich der Trainer des Zweitligisten mit einer schweren Erkältung herum. Doch weder Fieber noch Heiserkeit hinderten ihn daran, das Training zu leiten. "Antibiotikum rein, und dann muss es irgendwie gehen", sagte der 43-Jährige. Er hat ein besonderes Auswärtsspiel vor sich, am Montagabend (20.15 Uhr, Sport1, Sky live und im Liveticker auf abendblatt.de) tritt er mit dem FC auf St. Pauli; dort, wo er als Fußballer und Trainer groß wurde - und auch anderthalb Jahre nach seinem Abschied noch Kult ist.

Beim 1. FC Köln, den Stanislawski im Sommer übernahm, muss er sich die Anerkennung dagegen hart erkämpfen. Nach seinem fehlgeschlagenen Hoffenheimer Kurzengagement, das nur von Juli 2011 bis Februar 2012 währte, will Stanislawski unbedingt beweisen, dass er auch außerhalb von St. Pauli erfolgreich sein kann. Noch will man ihm das in Köln aber nicht so recht abnehmen. Der FC liegt als Tabellenneunter acht Punkte hinter dem Relegationsplatz drei. Es gab bisher viele mittelmäßige Spiele und wenige Glanzlichter - wie etwa einen 2:0-Sieg bei den Münchner Löwen.

Für die meisten Kölner Fans ist das zu wenig. In chronischer Verkennung der Realität halten sie den Erstliga-Absteiger immer noch für einen der größten Vereine Deutschlands, wenn nicht Europas - ihre Argumente: Wer war 1964 der erste Bundesliga-Meister? Wer hat 1978 das Double gewonnen? Okay, das liegt lange zurück. Aber wer bietet heute das landesweit schönste Stadion und die beste Atmosphäre überhaupt? Natürlich der FC.

Ein großer Klub braucht in der Wahrnehmung dieser Fans auch einen großen Trainer. Und dass Stanislawski, der St.-Pauli-Coach und Kumpeltyp, der nur der "Stani" genannt wird, nie Krawatte trägt und seine Mitmenschen gern duzt, ein solcher sein kann, wollen viele nicht glauben.

So rief die Kölner "Bild", immer nah am Klang der Stammtische, schon im Herbst nach einem holprigen Saisonstart "den schlechtesten FC aller Zeiten" aus. Das Fachmagazin "Kicker" stellte Stanislawski im Dezember ein vernichtendes Zeugnis aus. Der FC leiste weniger, als es die einzelnen Spieler versprächen, hieß es. Durch ständige Experimente in der Aufstellung verwirre der Coach seine Profis. Zwischen den Zeilen war zu lesen, dass der Trainer von Taktik nichts verstehe.

Stanislawski findet die Kritik ungerecht. "Wenn wir ein paar Positionen mal tauschen, wie es zum Beispiel mein werter Kollege Jupp Heynckes in München auch macht, ist das völlig normal. Jeder Spieler hat seine Qualität, die in unterschiedlichen Spielen gefordert ist", sagte er. Aber er wisse ja, dass man in Köln immer gewinnen müsse, nur dann sei alles gut.

Im Club hat Stanislawski dagegen Rückhalt. Das Präsidium um Werner Spinner, das den Verein seit April 2012 regiert, proklamierte nach dem Abstieg im vergangenen Sommer einen Neuanfang. Die für ihre Skandale berühmten Kölner wollen nicht mehr die Lachnummer des deutschen Fußballs sein, sondern ein Club, der sein Publikum allein durch ansprechenden Fußball unterhält. 30 Millionen Euro Schulden müssen nebenher abgebaut werden. Der Club trennte sich deshalb vor dem Saisonstart von Großverdienern wie dem brasilianischen Verteidiger Pedro Geromel, der an den RCD Mallorca verliehen wurde. Den Mittelfeldmann Sascha Riether gab der Verein auf Leihbasis an den FC Fulham ab. Torjäger Milivoje Novakovic kam bis Ende der Saison in der japanischen Liga bei Omiya Ardija unter, allerdings müssen die Kölner noch ungefähr die Hälfte des Gehalts des Slowenen zahlen.

Gesucht wurde für dieses Projekt ein unkapriziöser Arbeitertrainer, der aus wenig viel machen kann; einer, der gern mit jungen Spielern arbeitet und sie aufbaut, einer wie der "Stani". Mit ihm will der Club wieder aufsteigen, gern schon in dieser Saison, im Sommer 2014 sollte es auf jeden Fall klappen - so der Plan.

Stanislawski, der in Köln bis 2014 unterschrieben hat, arbeitet eng mit Frank Schaefer, Leiter Sport des Clubs, und mit Kaderplaner Jörg Jacobs zusammen. Und zwar harmonisch, wie alle drei Männer immer wieder betonen. "Wir versuchen nur Entscheidungen zu treffen, die diesem Club weiterhelfen. Die sportliche Leitung, die Co-Trainer, das Präsidium - alle zusammen", sagte Stanislawski unlängst dem "Kölner Stadt-Anzeiger".

Der für die sportlichen Dinge zuständige Vizepräsident Toni Schumacher outete sich seinerseits im Januar im Trainingslager in Belek als Fan des Hamburger Coaches: "Stani ist unser Wunschtrainer, wir wollten einen wie ihn, der auf junge Spieler setzt, auf Herzblut und Leidenschaft. Stani hätte mich früher als Spieler auch gut motiviert." Schumacher meint es ernst.

Nachdem Stanislawski mit seinem neu formierten Team aus den ersten sechs Saisonspielen nur zwei Punkte geholt hatte, stellte er sich schützend vor den Trainer. "Ich wollte überhaupt keine Diskussionen aufkommen lassen", sagte der ehemalige Torhüter. "Wir haben eine komplett neue Mannschaft und hatten Startschwierigkeiten. Das war nicht allzu überraschend."

"Stanis" Team hat inzwischen ganz gut zusammengefunden. Der Trainer hat den Profis eine Art Geist vom Millerntor eingehaucht. Seine "Jungs" (er nennt die Spieler wirklich nur so) ackern und schuften, alle ziehen immer an einem Strang, niemand erlaubt sich Extratouren.

So haben die Kölner seit Anfang November zwar kein Ligaspiel mehr verloren, allerdings nur viermal gewonnen und fünfmal remis gespielt - zuletzt am vergangenen Sonnabend 0:0 in Cottbus. Dass es spielerisch Raum für Verbesserungen gibt, ist Stanislawski klar. "Wir ähneln als Mannschaft einem austrainierten Boxer, der zwölf Runden gut bestreiten kann, aber uns fehlt der Punch", hat er festgestellt. Er arbeitete deshalb in dieser Woche auf dem Trainingsplatz vor allem am Angriffsverhalten.

Seine Wintermütze hatte er sich tief ins blasse Gesicht gezogen, die Kommandos konnte er aufgrund der Heiserkeit nicht in üblicher Lautstärke geben. "Da muss ich durch", sagte Stanislawski. Auf St. Pauli will er am Montag gewinnen, um sich mit dem FC nach oben zu orientieren. Denn er weiß: Nur wenn das gelingt, hat er in Köln seine Ruhe.