Trainer Michael Frontzeck spricht über sein erstes Trainingslager mit dem FC St. Pauli. Einen Neuzugang hebt er besonders hervor.

Belek. Nach neun Tagen Aufenthalt an der türkischen Riviera ist die Mannschaft des FC St. Pauli am Donnerstag wieder in Hamburg gelandet - und musste einen Temperaturunterschied von rund 20 Grad Celsius bewältigen. Vor der Rückreise zog Cheftrainer Michael Frontzeck im Gespräch mit dem Abendblatt ein Fazit des Trainingslagers in Belek.

Hamburger Abendblatt: Wie zufrieden sind Sie mit den Bedingungen und dem Einsatzwillen Ihrer Mannschaft?

Michael Frontzeck: Ich habe selten in einem Trainingslager bessere Plätze gesehen. Nur an einem einzigen Tag mussten wir improvisieren, als es so stark geregnet hat. Wir konnten sehr gut und vernünftig arbeiten. Zum Thema Einsatz, Bereitschaft und Leidenschaft kann ich nur sagen, dass es grundsätzlich sehr traurig wäre, wenn es damit ein Problem gäbe. Die Mannschaft hat in den letzten fast drei Wochen, also schon in Hamburg und jetzt hier, in großem Umfang sehr gut gearbeitet, um die Grundlage für die letzten 15 Spiele zu legen. Die Mannschaft wird topfit sein.

Neben der Fitness ist aber auch das spielerische Element entscheidend.

Frontzeck: Dafür haben wir gerade hier in Belek sehr viele spezielle Spielformen trainiert und auch die Testspiele sehr intensiv bestritten. Dabei war es aus meiner Sicht gar nicht so wichtig, dass wir die Spiele mit zwei Siegen und einem Unentschieden erfolgreich gestaltet haben. Am Ende kann man sich für Erfolge in der Vorbereitung nichts kaufen, wenn dann die Punktspiele verloren gehen. Aber es ist wichtig, dass die Richtung stimmt. Und gerade im letzten Test haben wir beim 1:0 gegen eine gute Mannschaft von Austria Wien eine verdammt starke Leistung geboten.

Was hat Ihnen dabei besonders gefallen?

Frontzeck: Wir sind da mehr als zuvor zum Torabschluss gekommen. Darauf arbeiten wir auch gezielt hin. Wir wollen nicht mehr jeden Angriff bis zum Letzten ausspielen, sondern suchen auch schon um den Strafraum herum die Chance zum Torschuss. Zudem arbeiten wir verstärkt mit Flanken. Das hat gegen Wien schon über weite Strecken gut ausgesehen.

Das hört sich nach Zufriedenheit an.

Frontzeck: Das Wort "zufrieden" hat im Fußball und überhaupt im Leistungssport keinen guten Klang. Es gibt immer Möglichkeiten, sich zu verbessern. Gerade bei einer jungen Mannschaft gibt es immer neue Ansatzpunkte dazu. Aber richtig ist, dass sich unsere Spieler hier von der Leistungsbereitschaft her sehr gut verhalten haben.

Angesichts des Winterwetters in Deutschland fliegt Dynamo Dresden noch einmal zurück ins Trainingslager in die Türkei. Haben Sie auch überlegt, den Aufenthalt hier zu verlängern oder noch einmal wiederzukommen?

Frontzeck: Nein, das war und ist kein Thema. Wir haben unsere Planung gemacht. Man muss zwar flexibel sein, aber wir konnten ja auch davon ausgehen, dass zu dieser Jahreszeit Winterwetter herrscht. Ich möchte auch nicht, dass die Spieler aus dem Warmen kommen und dann plötzlich in der Kälte das erste Punktspiel bestreiten müssen. Unser Ziel ist es, dass wir körperlich frisch in das Spiel am 3. Februar gegen Cottbus gehen.

Welche Fortschritte haben Sie im Kampf gegen die Torflaute erkannt?

Frontzeck: Es ist schwer, Wasserstandsmeldungen in dieser Frage abzugeben. Wir haben ja auch in der Hinrunde gegen Duisburg einmal vier Tore geschossen. Insgesamt ist das ein schwieriger, langwieriger Prozess. Man kann dieses Problem nicht von heute auf morgen abstellen. Man kann immer nur versuchen, sich die Sicherheit in bestimmten Trainingsformen und auch in Testspielen zu holen. Aber man kann eben nicht den Wettkampf simulieren. Wenn ich bedenke, dass wir nach Hertha BSC und Braunschweig die Mannschaft sind, die in dieser Saison die meisten Torchancen herausgespielt hat, dann ist das schon eine gute Voraussetzung. Aber wir müssen daraus eben mehr Tore erzielen. Die Jungs sollen sich für ihren Aufwand auch belohnen.

Gibt es einen Spieler, der Ihnen hier besonders positiv aufgefallen ist?

Frontzeck: Ich denke, dass Lennart Thy, der ja schwerer verletzt war, als ich kam, jetzt bei 100 Prozent ist und einen sehr guten Eindruck macht. Ich habe ihn ja bisher meist auf der Außenbahn eingesetzt, aber am wohlsten fühlt er sich im Sturmzentrum. Da ist er sicher eine Alternative.

Wie haben Ihnen die drei ganz jungen Spieler Mitja Bieren, Andrej Startsev und Laurynas Kulikas gefallen?

Frontzeck: Sie haben eine tolle Erfahrung gemacht, sind von der Mannschaft sehr gut aufgenommen worden und haben das in den Trainingseinheiten auch widergespiegelt. Sie waren sehr wach und aufmerksam. Alle drei haben eine gute Perspektive und kehren jetzt zurück in ihre Nachwuchsmannschaften.

Sie haben einige Spieler auf ungewohnten Positionen getestet.

Frontzeck: Ja, zum Beispiel Jan-Philipp Kalla, von dem ich ja anfangs gar nicht wusste, dass er gelernter Innenverteidiger ist. Ich kannte ihn nur als linken oder rechten Außenverteidiger. Da ich derzeit nur drei Innenverteidiger zur Verfügung habe, gibt es jetzt mit Kalla eine Alternative. In den Spielen, in denen er auf dieser Position gespielt hat, war er sehr gut. Ein anderer ist Florian Bruns, den ich als linken Außenverteidiger getestet habe. Er ist ein Universalspieler, auch wenn er grundsätzlich eher offensiv ausgerichtet ist.

Sie haben auf der rechten Abwehrseite sehr viel ausprobiert, aber ausgerechnet Christopher Avevor, der in der Liga hier regelmäßig gespielt hat, wurde in Belek nur als Innenverteidiger eingesetzt.

Frontzeck: Das lag aber nur daran, dass ich weiß, was Avevor rechts kann. Da ist er sehr gut. Mir ging es darum, auch hier Alternativen zu testen und die Belastung ungefähr gleich zu verteilen.

Wie groß sind Ihre Sorgen hinsichtlich der angeschlagenen Daniel Ginczek, Fabian Boll und Kevin Schindler?

Frontzeck: Ich plane mit den dreien nicht für das Spiel am Sonnabend gegen Nordsjaelland. Aber ich denke nicht, dass es schwerwiegende Verletzungen sind. Auch Fabian Boll hat nach dem ersten Schreck schon wieder Laufübungen machen können. Seine Muskelverletzung ist nicht so groß und hat auch nichts mit der Verletzung zu tun, die ihn zuletzt außer Gefecht gesetzt hatte.

Wird, abgesehen von den angeschlagenen Spielern, am Sonnabend die Elf gegen Nordsjaelland auflaufen, mit der Sie auch gegen Cottbus planen?

Frontzeck: Das muss nicht unbedingt so sein. Am Sonnabend wäre auch noch mal eine Chance, etwas zu testen, um gegen Cottbus das Spektrum der Möglichkeiten zu erweitern. Aber wir werden sicherlich nicht mehr groß herumprobieren. Bisher habe ich ja in den Ligaspielen sehr wenig gewechselt, um der Mannschaft in ihrer schwierigen Situation Sicherheit zu geben.