St. Paulis Abwehrspieler Florian Mohr hat durch seine zurückhaltende Art womöglich eine größere Karriere verpasst.

Belek. Wenn ein Spieler älter als 25, aber auch noch keine 30 Jahre alt ist, heißt es oft, er sei im besten Fußballalter. Er hat genug Erfahrung, aber auch noch die nötige geistige und vor allem körperliche Frische, um seiner Mannschaft auf dem Höhepunkt seiner Leistungsfähigkeit zu Erfolgen zu verhelfen. Eine ambitionierte Mannschaft, zumal im Profibereich, sollte einen hohen Anteil an Spielern aus diesem Alterssegment in ihren Reihen haben. Könnte man zumindest meinen. Wer sich indes den Kader des FC St. Pauli anschaut, wird schnell feststellen, dass diese vermeintlich so wichtige Spieler-Generation spärlich vertreten ist. Gerade einmal vier Feldspieler, namentlich Sebastian Schachten, 28, Jan-Philipp Kalla, 26, Sören Gonther, 26, und Florian Mohr, 28, gehören dieser Generation an. Fünf Feldspieler sind dagegen 30 und älter, sogar elf sind maximal 25 Jahre alt.

"Das ist mir auch sofort aufgefallen, als ich hierhergekommen bin", sagt Florian Mohr im Gespräch mit dem Abendblatt. "Sonst war ich immer ungefähr so alt wie die meisten meiner Mitspieler. Das ist hier bei St. Pauli jetzt ganz anders", sagt er, ohne dies zwingend negativ bewerten zu wollen. Ungewöhnlich ist es aber allemal, und so spürt Mohr auch, dass er natürlich noch längst nicht das Standing eines Fabian Boll, 33, eines Florian Bruns, 33, oder eines Marius Ebbers, 35, besitzt, aber gegenüber der großen Schar der Youngster hat er eben schon eine gehobene Stellung in der internen Hierarchie. "Ich übernehme gern Verantwortung, das bringt schon meine Position mit sich. In der Abwehrzentrale ist es meine Aufgabe, die Kollegen zu dirigieren", sagt er.

Im ersten Testspiel des FC St. Pauli im Rahmen des Trainingslagers in Belek (Türkei) gegen AC Bellinzona (2:1) hatte er den 18 Jahre jungen Andrej Startsev als rechten Verteidiger an seiner Seite, der bisher nur in St. Paulis Regionalliga-Mannschaft gespielt hat und nun erstmals mit den Profis auflaufen darf. Mohr gab ihm immer wieder Tipps, wie er sich taktisch verhalten soll, um nicht von seinem Gegenspieler düpiert und überlaufen zu werden. "Andrej hat das gut gemacht, ich musste ihm gar nicht viel sagen", erklärte Mohr später bescheiden, der auch sonst sehr aufmerksam agierte, Pässe in die Spitze vorausahnte und abfing und sich in den Zweikämpfen behauptete. Solange er und seine Nebenleute auf dem Feld standen, blieb St. Pauli ohne Gegentor. Doch Florian Mohr ist einfach nicht der Typ, der solche Dinge von sich aus erwähnt, der sich für seine Leistung rühmt - ganz im Gegenteil.

Thomas Wolter, früherer Nationalspieler und seit etlichen Jahren Trainer der zweiten Mannschaft von Werder Bremen, sagte einmal über Mohr: "Er ist einer der am meisten unterschätzten Abwehrspieler in Deutschland." Mohr selbst weiß, was sein früherer Trainer damit ausdrücken will. "Ich bin eben keiner, der sofort auffällt, der Sprüche raushaut oder überall Tattoos trägt. Ich habe eine ruhige Art und erledige meinen Job möglichst zuverlässig und ohne größeres Risiko", sagt er.

Womöglich ist der Verteidiger deshalb auch den einschlägigen Scouts nie so besonders aufgefallen, wahrscheinlich blieb ihm auch deshalb bisher eine größere Karriere als Profifußballer verwehrt. Dabei war der Start sehr verheißungsvoll. Vom SC Concordia wechselte der "Hamburger Jung" 2004, als er gerade 19 Jahre alt war, zu Werder Bremen. "Eigentlich war ich dort nur für die zweite Mannschaft vorgesehen, doch schon nach einer Woche durfte ich durchgehend bei den Bundesligaprofis mittrainieren", berichtet er. Der Haken an der Sache: Werder war damals gerade Deutscher Meister und DFB-Pokalsieger geworden und hatte, speziell auch in der Abwehr, eine sehr starke Besetzung mit Valerien Ismael, Petri Pasanen und auch Frank Baumann. "Es war sehr schwer, an denen vorbeizukommen. Und als ich einmal auf dem Sprung zu einem Einsatz war, habe ich mich verletzt", sagt Mohr. So blieb es für ihn an der Weser bei 126 Einsätzen in der zweiten Mannschaft unter dem erwähnten Trainer Thomas Wolter.

Es folgte der Wechsel zum SC Paderborn, der Aufstieg mit den Ostwestfalen in die Zweite Liga unter Trainer André Schubert, der ihn dann im Sommer vergangenen Jahres, als er noch im Amt bei St. Pauli war, ans Millerntor holte. Als Schubert im Herbst beurlaubt wurde und Michael Frontzeck das Ruder übernahm, war dies für Mohr eine besondere Herausforderung. "Ich hatte aber keine so große Sorge, dass ich danach nicht mehr spielen würde, nur weil ich von Schubert geholt worden bin. Ich habe ja den vergangenen Jahren unter allen Trainern gespielt, die ich hatte", sagt er rückblickend. Tatsächlich setzt auch Frontzeck auf den zuverlässigen Mohr, den zuletzt nur ein paar leichte Verletzungen in seinem Tatendrang stoppen konnten.

Dass er mit zwei Treffern in 13 Spielen der drittbeste Torschütze der laufenden Saison für den FC St. Pauli ist, spricht zwar auch für die Offensivstärke Mohrs bei Freistößen und Eckbällen, aber vor allem für die eklatante Abschlussschwäche seiner Kollegen, die in erster Linie für das Tore schießen zuständig sind. "Wenn ich schon mit nach vorn gehe, will ich auch etwas bewirken und am liebsten den Ball im Tor unterbringen", sagt Mohr trocken. Seine Effektivität könnte sich mancher Angriffsspieler St. Paulis zum Beispiel nehmen.