Beim 0:1 gegen Tabellenführer Eintracht Braunschweig spielt St. Pauli eine Stunde in Unterzahl und hätte einen Punkt verdient gehabt.

Braunschweig. Der erste Weg führte zum Schiedsrichter. Als auch die vier Minuten Nachspielzeit abgelaufen waren und Felix Zwayer zum letzten Mal an diesem Abend in seine Pfeife blies, steuerte Sportchef Rachid Azzouzi wie auch einige Spieler des FC St. Pauli schimpfend auf den Unparteiischen zu. Michael Frontzeck verlieh seiner Verärgerung über das Zustandekommen der 0:1-Niederlage bei Eintracht Braunschweig mit höhnischem Beifall Ausdruck. "Es ist keine Schande beim Tabellenführer zu verlieren, aber die Art und Weise stinkt mir gewaltig", sagte der Trainer, "der Schiedsrichter hat in einer unglaublichen Art und Weise in das Spiel eingegriffen. 20 Minuten lang gibt es kein einziges Foul, und dann wird Bartels des Platzes verwiesen. Ein Witz! Das macht mich rasend", polterte Frontzeck, der auf Nachfrage auch noch zur zweiten strittigen Szene Stellung bezog, als den Hamburgern in der 72. Minute der Treffer zum 1:1 aberkannt wurde: "Ich weiß nicht, wie ein Stürmer ein Kopfballtor erzielen will, wenn so etwas abgepfiffen wird. Diese Art und Weise ist ganz schwer zu ertragen."

Der frühe Platzverweis in der 22. Minute war eine harte, tatsächlich aber vertretbare Entscheidung gewesen, wie nicht nur Schiedsrichterbeobachter Hartmut Strampe auf der Pressetribüne treffend analysierte. Bartels hatte gegen Kessel mit offener Sohle gegrätscht und den Braunschweiger von der Seite kommend im vollen Tempo getroffen. Der Treffer von Joseph-Claude Gyau hingegen hätte anerkannt werden müssen. Der vorausgegangene Zweikampf an der Fünfmeterlinie zwischen Christopher Avevor und Torwart Davari war regelkonform.

Pech für die Braun-Weißen, die erst in den Schlussminuten wieder ausgeglichene Verhältnisse vorfanden, nachdem Braunschweigs Kessel wegen Fouls an Akaki Gogia und Mahir Saglik binnen 100 Sekunden die Gelb-Rote Karte gesehen hatte (81.). Ebenbürtig waren die Hamburger auch zu Spielbeginn gewesen - wenngleich auf deutlich niedrigerem Niveau. Während die 21 400 Zuschauer im Rahmen der bundesweiten Fan-Initiative "12:12 - Ohne Stimme keine Stimmung" zwölf Minuten und zwölf Sekunden schwiegen, ließen es auch beide Mannschaften ruhig angehen. "Die ersten zwölf Minuten waren komplett beschissen. Wir brauchen diese Stimmung", hatte Braunschweigs Trainer Torsten Lieberknecht einen Zusammenhang zwischen Gesang und Spielgeschehen erkannt. Die Eintracht wie St. Pauli schienen sich mit ihrem Anhang solidarisiert zu haben, zumal die erste echte Torchance exakt in dem Moment verzeichnet werden konnte, als die Fans das Eintracht-Stadion mit ihren Gesängen geweckt hatten. Davari lenkte einen Kopfball von Kevin Schindler um den Pfosten zur Ecke.

Es sollte bis zur 82. Minute die letzte Gelegenheit für St. Pauli bleiben. Kumbelas achtes Saisontor (17.), der den Ball nach Kruppkes kluger Ablage durch die Beine von Dennis Daube ins Tor schoss und Bartels' Hinausstellung sorgten früh für Einbahnstraßenfußball. Der zu Hause noch ungeschlagene Tabellenführer kontrollierte die Partie, schnürte die Hamburger in deren Hälfte ein und sicherte sich mehr als 60 Prozent Ballbesitz. Frontzecks Mannschaft konnte für keine Entlastung sorgen, verlor im Spielaufbau viel zu schnell Faden und Ball. Umso überraschender, dass St. Pauli kaum echte Torchancen zuließ. Das Defensivverhalten war einmal mehr eindrucksvoll. "Heute bin ich stolz auf die Truppe, jeder hat gefightet, alles gegeben, einige hatten Krämpfe. Aber wenn du in Unterzahl spielst, musst du ein, zwei Situationen besser zu Ende spielen", waren Sebastian Schachten auch die Offensivschwächen nicht verborgen geblieben.

Erst als Kessel die Kräfteverhältnisse wieder ausglich, war St. Pauli zurück im Spiel. Zu spät. "Wir werden uns den Zorn rauslaufen und dann Sonnabend gegen Kaiserslautern wieder auf dem Platz stehen", sagte Frontzeck. Und das ohne großen Verschleiß, wie Schachten verspricht: "Gegen Kaiserslautern holen wir noch mal alles raus."