St. Paulis Präsident Stefan Orth deutet nach dem 0:1 gegen Aalen Konsequenzen an. Fans fordern “Schubert raus“

Hamburg. Sie hatten sich beeilt wie nie, teilweise einen Urlaubstag eingereicht oder Überstunden abgebaut. Für viele Fans des FC St. Pauli bedurfte es einiges an Opferbereitschaft und Organisationskunst, um das dritte Heimspiel der Saison im Stadion miterleben zu können . Aber sie wären besser zu Hause geblieben, ihrer Arbeit nachgegangen oder hätten sich eine Karte für das Zelt des Zirkus Knie in direkter Nachbarschaft auf dem Heiligengeistfeld gekauft.

Denn statt der nach dürftigen sechs Punkten aus sechs Spielen erhofften Wende zum Guten, erlebten die 20 932 Zuschauer am Hamburger Millerntor einen spielerischen Offenbarungseid ihrer Mannschaft: kein Tempo, keine Ideen, keine Struktur, kein Tor, kein Punkt. Das 0:1 gegen den stark ersatzgeschwächten Aufsteiger VfR Aalen sorgte für schlechte Laune bei Fans - aber auch bei Spielern und Funktionären.

"Die Situation ist sehr gefährlich. Die Mannschaft hat planlos und unsicher gespielt", sagte Präsident Stefan Orth dem Abendblatt. "Wir müssen jetzt in Ruhe sehen, was zu tun ist, und die richtigen Schlüsse ziehen." Spätestens seit gestern Abend ist es nicht mehr nur eine Ergebniskrise, in der sich der FC St. Pauli und Trainer André Schubert befinden. Zu groß waren die Defizite, zu schwer wiegen die Mängel, zu vielschichtig sind die Probleme, die gegen einen keinesfalls gutklassigen Gegner offenkundig wurden. "Es fehlte an allem, nichts passte zusammen", sagte Angreifer Mahir Saglik. "So holen wir gar keine Punkte mehr", zeigte sich Kapitän Fabian Boll desillusioniert.

Trotz der durchwachsenen Resultate hatte der Trainer nach dem bisherigen Tiefpunkt in Cottbus (0:2) positive Veränderungen bezüglich Auftreten und Kombinationsspiel ausgemacht. In den folgenden Spielen war tatsächlich ein Aufwärtstrend erkennbar gewesen. Und so richtete sich der mit der rot-schwarzen Jolly-Rouge-Optik ausgedrückte Unmut der Fans vor dem Anpfiff einzig gegen die geplante Integration der Dom-/Stadionwache in die neue Gegengeradentribüne. Doch bereits zur Halbzeit war der Protest von den Rängen auf die sportliche (Fehl-)leistung der Mannschaft ausgeweitet worden. Begleitet von aufmunternden Schlachtrufen, aber eben auch gellenden Pfiffen schlichen die Spieler in die Kabine.

Obwohl Aalens Trainer Ralph Hasenhüttl seine Abwehr verletzungsbedingt hatte umbauen müssen und mit Cidimar, Lechleiter und Dausch drei weitere Leistungsträger auf der Bank gelassen hatte, reichte es gegen die Hallers, Valentinis und Buballas im ersten Abschnitt nur zu einem fulminanten Schuss von Marius Ebbers (7.). Es sollte bis sieben Minuten vor dem Ende die einzige gefährliche Aktion bleiben.

"Ich mag gar keine Erklärungen suchen", sagte Sportdirektor Rachid Azzouzi, "wir müssen analysieren, weshalb wir so mutlos und mit wenig Dynamik gespielt haben. Wir brauchen schleunigst Lösungsansätze und müssen jetzt erst mal die hinteren Tabellenregionen im Auge behalten."

Die keineswegs überbreite Lobby Schuberts wird in diesen Tagen auf eine harte Probe gestellt. "Uns ist das Herz schon in der ersten Halbzeit in die Hose gerutscht, wir waren deutlich verunsichert. Ich übernehme die Verantwortung", sagte der Trainer selbst, keineswegs verwundert über die immer lauter werdenden Diskussionen, die zehn Minuten vor dem Abpfiff auf dem Südteil der Haupttribüne in "Schubert-raus"- Rufen gipfelten. "Durch die Personalentscheidungen, die im Sommer getroffen wurden, bin ich bei einigen nicht mehr so beliebt", glaubt Schubert die Gründe zu kennen. Indirekt adressierte er seine Kritik an den ehemaligen Sportchef Helmut Schulte: "Wir sind hier immer einen gemeinsamen Weg gegangen. Aber der ist in der Öffentlichkeit nicht so benannt worden. Ich gelte daher bei dem einen oder anderen als derjenige, der hier die Leute aussortiert hat. Aber wir haben diese Entscheidungen immer gemeinsam getroffen."

Und so soll es laut Azzouzi auch bleiben: "Wir müssen jetzt die richtigen Entscheidungen treffen - gemeinsam mit André Schubert." Die Diskussion soll nicht allein über den Trainer, sondern auch mit ihm geführt werden.

Schubert hatte während der 90 Minuten am Millerntor alles versucht, hatte seinen Spielern aufmunternd applaudiert, sie angespornt, positive Signale ausgesandt. Allein, es half nichts. In der 83. Minute scheiterte der eingewechselte Mahir Saglik mit einem abgefälschten Schuss an Fejzic, fünf Minuten vor dem Abpfiff parierte der VfR-Torwart auch Sagliks Freistoß. Christopher Avevor vergab einen Kopfball in der Nachspielzeit kläglich, Daniel Ginczek zielte knapp vorbei. Dabei verschoss Aalens Valentini sogar noch einen von Bartels verursachten Foulelfmeter. "Wir müssen uns jetzt gemeinsam aus der Scheiße rausziehen", rät Mittelfeldspieler Patrick Funk. Ob das Präsidium zum gleichen Schluss kommt, scheint offen.