Ein Steuerproblem ist Anlass für Muskelspiele zwischen der Abteilung Fördernde Mitglieder und der Vereinsführung des FC St. Pauli.

Hamburg. Stefan Orth lehnte sich in seinen Stuhl zurück, blickte sich um und schlug die Hände gegeneinander. Der Präsident des FC St. Pauli tat das, was alle Anwesenden am vergangenen Montag bei der Versammlung der Abteilung Fördernde Mitglieder (AFM) im großen Saal 304 der Handwerkskammer taten: Er klatschte - und verwirrte damit. Denn sein Beifall war die Reaktion auf eine Rede, in der er und seine Präsidiumskollegen sowie die Geschäftsführung des Hamburger Zweitligisten heftig kritisiert worden waren. Mit seinem 20-minütigen Bericht hatte der AFM-Vorsitzende Alexander Gunkel offenbart, wie es hinter den Kulissen um die Stimmung bestellt ist. Sieben Wochen vor der Jahreshauptversammlung (22. November) zeichnet sich beim Tabellenvierten ein Machtkampf ab.

Aktueller Aufreger sind die unterschiedlichen Lösungsansätze, mit denen Präsidium und AFM einem im März aufgekommenen Steuerproblem begegnen wollen. Im Rahmen einer Betriebsprüfung aller 36 deutschen Profiklubs hatte ein Finanzbeamter die finanziellen Zuwendungen der AFM für die Leistungssport treibenden A- und B-Junioren beanstandet, da die AFM als gemeinnützige Organisation keine Steuern abführt. In der Konsequenz müssten die zwei Bundesligamannschaften daher zukünftig dem ideellen Bereich zugeordnet werden, um die AFM-Gelder zu ermöglichen - was dem Verein gleichzeitig die Erhebung von Eintrittspreisen und steuerliche Abschreibungen verbieten würde. Das Präsidium unterbreitete der AFM nach Absprache mit seinen Steuerberatern fünf Monate später einen Kompromissvorschlag, wonach die A-Junioren weiterhin dem wirtschaftlichen Bereich, die B-Junioren dagegen dem ideellen zugeordnet würden. "Daran sieht man, dass man sich mit der AFM nicht auseinandersetzt", sagte Gunkel, "denn das würde bedeuten, dass wir auf alle größeren Projekte verzichten müssten, die wir in den vergangenen Jahren angeschoben haben." Seit der Gründung im Jahr 1999 ist die Förderung der Nachwuchsarbeit zentraler Abteilungszweck. 75 bis 80 Prozent der durch die Mitgliedsbeiträge eingenommenen Gelder werden für die Jugend verwendet. Erstmals in ihrer Geschichte ging die AFM 2011 mit einem Millionenetat in das Geschäftsjahr, allein 775 500 Euro kommen der Fußballjugend zugute, "und 60 bis 70 Prozent davon fallen auf die A-Jugend", wie AFM-Kassenwart André Greuelsberg berichtete. "Das Präsidium hat uns vorgeschlagen, stattdessen einfach die anderen Kosten des Jugendetats zu übernehmen", sagte Gunkel, "Trainergehälter, das Gehalt des Platzwarts, Schiedsrichtergehälter und so weiter. So werden wir unser Geld schon los, fungieren dann einfach als Einsammler, geben das Geld weiter an die sportliche Leitung, und die verteilt es dann nach Gusto. Das kann aber nicht unser Anspruch sein." In der kommenden Woche will das Präsidium einen überarbeiteten Vorschlag unterbreiten, wie Vizepräsident Bernd-Georg Spies auf Abendblatt-Nachfrage erklärte: "Im Sinne einer für den Verein, aber auch für den Förderzweck der AFM besten Lösung."

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Während das Thema noch vor der Jahreshauptversammlung beendet werden soll, bleiben andere, allgemeinere Vorwürfe vorerst im Raum stehen. "Die Arbeit mit dem Aufsichtsrat, Sportchef Helmut Schulte und den Kassenprüfern verläuft reibungslos, aber die Kommunikation mit dem Präsidium hat einen außergewöhnlichen Charakter. Man führt gute Gespräche und trifft Vereinbarungen, doch anschließend passiert wenig, nichts oder - noch schlimmer - das genaue Gegenteil", legte Gunkel, der der Geschäftsstelle "eine Wagenburg-Mentalität" bescheinigt, nach. "Mehr Ignoranz gegenüber der Vertretung von fast 10 000 Mitgliedern kann man sich kaum vorstellen."

Die AFM beklagt eine fehlende Wertschätzung, wie der stürmische Applaus der anwesenden Mitglieder unterstrich. "Wir haben die absolute Mehrheit an Mitgliedern, haben die Mehrheit im Aufsichtsrat und sind auch im Präsidium signifikant vertreten. Da kann es doch nicht sein, dass von externen Vertretern die Rede ist", so Aufsichtsrat und AFM-Mitglied Uwe Doll, der das Podium betrat und auf eine Formulierung im ausliegenden AFM-Finanzbericht verwies: "Da ist von Forderungen an den Hauptverein die Rede. Aber wir sind der Hauptverein. Es müsste heißen: Forderungen an den Profibereich!" Sein Gremium werde nun den Dialog zwischen Präsidium und AFM ermöglichen, "auch um die Führungsverhältnisse zu regeln. Meine Idee wäre eine genossenschaftliche Parallelstruktur." Ein Dialog, den Orth bereits vor Ort hätte beginnen können. Doch ebenso überraschend wie sein Beifall stand am Ende sein Verzicht auf erklärende Worte. Das AFM-Mitglied in ihm klatschte, der Präsident schwieg.