Die Haupttribüne soll im August 2010 fertig sein und bei einer Auslastung von 70 Prozent jährlich zwei Millionen Euro Gewinn generieren.

Hamburg. Es war die perfekte Inszenierung. Nachdem um 19.44 Uhr die Lichter am Millerntor ausgegangen waren, erhellten Tausende Wunderkerzen zu den Klängen der "Hells Bells" die Abschieds-Szenerie im Stadion. Zwei Minuten später brachte Corny Littmann einen Teil der Dachkonstruktion der Haupttribüne unter dem lauten Jubel von 2500 versammelten Fans zum Einsturz. Der Präsident des FC St. Pauli hatte sich hinter die Hebel des Abrissbaggers begeben und das Ende der am 29. Juni 1961 eingeweihten Ränge eingeläutet. Es folgten Feuerwerk und Böller, begleitet von den Gesängen des Anhangs.

"Das ist ein großer Tag für den FC St. Pauli", verkündete Littmann, "und ich stehe hier mit einem weinenden Auge, wenn ich mich an die vielen Spiele erinnere, die ich dort auf einer unbequemen roten Sitzschale verfolgt habe. Aber auch mit einem lachenden, denn wir werden eine Tribüne haben, die uns die Möglichkeit gibt, die beiden restlichen zu bauen." Bis zum August 2010 sollen die neuen, 17 Millionen Euro teuren Ränge plus der Kindertagesstätte in der Ecke zur Südtribüne (zwei Millionen Euro) bezugsfertig sein und ein jährliches Umsatzplus von 4,5 Millionen Euro generieren. Bis dahin wird das Team seine Spiele vor nur 19 800 Zuschauern und einem Bauzaun austragen müssen.

Anschließend erhöht sich die Gesamtkapazität durch die 4800 Sitzplätze, davon 1800 lukrative Business-Seats, um 1500 auf ein Fassungsvermögen von 24 800. Allen voran die 20 Logen, für die zwölf Miet-Absichtserklärungen vorliegen, sorgen für gesteigertes Einnahmepotenzial. Der Verein erwartet bei einer kalkulierten Auslastung von 70 Prozent einen jährlichen Gewinn von bis zu zwei Millionen Euro. Bereits die Südtribüne sorgt für Zusatzerlöse von 1,5 Millionen Euro.

Eine ähnliche Hängepartie wie beim ersten Bauabschnitt, der allein von Abrissbeginn bis zu den ersten Bauarbeiten im Mai 2007 ein halbes Jahr vereinnahmt hatte, wird indes nicht erwartet. Die zahlreich gemachten Erfahrungen flossen bereits in die Planung mit ein. Auch die - teilweise gerichtlichen - Streitigkeiten, die die neue Südtribüne nach sich gezogen hatte, konnten mittlerweile ausgeräumt werden. Lediglich der Zwist mit den Gestaltern von Kunstwerk St. Pauli, die noch eine Summe von 15 000 Euro einfordern, ist geblieben. Am Montag wird das gerichtliche Urteil gefällt. Eine gütliche Einigung war bei zwei Anhörungen vor dem Amtsgericht jeweils fehlgeschlagen.

Auch mit dem Institut für Sportstättenberatung (IFS) hatte es juristische Auseinandersetzungen gegeben, doch das IFS wird nach einer Aussprache nun auch die weiteren Bauabschnitte begleiten. "St. Pauli wirkt heute kompetenter als damals, es sind Strukturen entstanden", lobt Stadionplaner Claus Binz, der wegen vermeintlicher Fehlplanungen und Versäumnisse allerdings nicht mehr vom Verein gewollt war. Er wird durch Heiner Peschers (IFS) ersetzt. Einen echten Wechsel gab es auf der Position des Architekten. Statt der Ibbenbürener AGN-Gruppe, mit der man sich noch während des Südtribünenbaus außergerichtlich hatte einigen können, arbeiten Verein und Generalunternehmer Hellmich nun mit "Scheffler Helbich" aus Dortmund zusammen. "Das ist ein Projekt, dessen Planung und Umsetzung mit hohem Tempo fortschreitet. Eine Herausforderung, der wir uns gerne stellen", sagt Diplom-Ingenieur Christoph Helbich. Der Architekt überarbeitete die AGN-Pläne und konnte bereits einige Verbesserungsvorschläge anbringen. So wird die Haupttribüne - anders als im Süden und anders als geplant - zur Freude der Fans nun ohne Sicht einschränkende Säulen errichtet.

Der starke Mann auf der Baustelle aber ist Walter Hellmich. Der Dinslakener Unternehmer und Präsident des MSV Duisburg erhielt nach den Erfahrungen der Vergangenheit mit ungeklärten Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten nun alle Kompetenzen. "Wir werden euch eine wunderschöne Haupttribüne bauen. Ich bin auch ein kleiner, nein ein großer Fan des FC St. Pauli", gab Hellmich unter dem Jubel der Fans preis.

"Wahnsinn", sagte Spieler Florian Bruns, "bei St. Pauli wird aber auch wirklich alles gefeiert." Bis zur nächsten Bagger-Party müssen sich die Fans aber noch gedulden. Nach Abendblatt-Informationen wird die Gegengerade erst 2012 abgerissen, die Nordtribüne zwei Jahre darauf.

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