Der Wert der Fußball-AG wurde mit 350 Millionen Euro errechnet – Klaus-Michael Kühne muss sich bis Jahresende entscheiden, ob er Anteile erwirbt

Hamburg. Wenn der HSV am Sonnabend (15.30 Uhr) in Berlin antritt, ist das nicht nur ein Duell zweier Traditionsmannschaften, sondern auch eine Partie zwischen der Hertha BSC GmbH und Co. KGaA und der HSV Fußball AG. Was die Hamburger planen, haben die Berliner dabei längst vollzogen: einen Anteilsverkauf. Wie lief der Deal zwischen Hertha und Finanzinvestor KKR ab? Wie ist der Stand beim HSV? Eine Abendblatt-Analyse.

Der Hertha-KKR-Deal. 61,2 Millionen Euro zahlte KKR (Kohlberg Kravis Roberts & Co.),eine Beteiligungsgesellschaft mit Firmensitz in New York, im Januar 2014 an die Berliner. 18 Millionen Euro davon flossen für den Erwerb von 9,7 Prozent der Anteile, acht Millionen Euro als Signing Fee (Einmalzahlung). Die restlichen rund 36 Millionen Euro muss der Club nicht zurückzahlen, wenn KKR die Option ausübt, seinen Anteil auf 33,3 Prozent aufzustocken. Als Gesamt-Unternehmenswert wurden 220 Millionen Euro ermittelt (inklusive Verbindlichkeiten), der für den Anteilsverkauf maßgebliche Eigenkapitalwert beträgt 180 Millionen Euro.

Das Geld nutzte Hertha, um Schulden (37 Millionen Euro) zu begleichen und für den Rest TV-, Marketing- und Cateringrechte zurückzukaufen. So können die Einnahmen um rund acht Millionen Euro pro Jahr gesteigert werden. Die Zusammenarbeit mit KKR ist auf sieben Jahre angelegt. Der Finanzinvestor spekuliert darauf, dass der Wert des Clubs steigt und er Anteile mit Gewinn veräußern kann.

Der HSV und seine Anteile. Als die Mitglieder am 25. Mai mit überwältigender Mehrheit (86,9 Prozent) die Ausgliederung beschlossen, stimmten sie auch zu, dass der Vorstand bis zu 24,9 Prozent der Aktien an strategische Partner verkaufen kann. Bei einem Verkauf weiterer Anteile (bis 49,9 Prozent) müssten die Mitglieder zustimmen.

Im August hat Klaus-Michael Kühne sein Darlehen von acht auf 25 Millionen Euro aufgestockt (vier Prozent Verzinsung). In diesem Zusammenhang wurde auch vereinbart, dass Kühne anstelle der Rückzahlung des Darlehens Aktien der HSV AG erhalten kann. Diesem Vorgehen hatte die Hauptversammlung der AG (derzeit gleichbedeutend mit dem Präsidium des HSV e.V.) im Vorhinein bereits insoweit zugestimmt, dass der 77-Jährige auf Grundlage eines Wert-Gutachtens der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG Aktien an der HSV-AG erwerben kann.

Die Wertermittlung liegt inzwischen vor, wurde aber vom Vorstand bisher nicht veröffentlicht. Es soll ein Wert von 350 Millionen Euro errechnet worden sein, womit Kühnes gesamtes Darlehen 7,14 Prozent HSV-Anteile entspräche. Nach Abendblatt-Informationen hat Kühne bis Ende des Jahres Zeit, die Anteilsoption einzulösen. Intern soll der Milliardär die Zahl als zu hoch eingestuft haben, zögert. Eine Stellungnahme lehnte er am Freitag ab.

Jan Odewald, Senior Manager im Bereich Corporate Finance bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO und Experte für Bewertungen Fußball-Unternehmen: „Solche Bewertungen sind grundsätzlich schwierig, weil sie Risiken und Chancen gleichermaßen berücksichtigen müssen, die auf vielen Annahmen beruhen.“

Eine Randbemerkung: Ungewöhnlich ist dabei die Rolle von Karl Gernandt, der einerseits als Aufsichtsratschef die Geschicke der HSV-AG an entscheidender Stelle lenkt, zugleich aber auch als Präsident des Verwaltungsrats von Kühne+Nagel als engster Vertraute Kühnes zu bezeichnen ist.

Mit Hochdruck forscht der HSV nach weiteren möglichen Partnern, die nicht – wie KKR – in erster Linie ein Profit-, sondern ein Werbeinteresse verfolgen. So ist vor allem die Postbank im Gespräch, aber auch der Name von Ausrüster Adidas fällt immer wieder.

Ziel der Initiative HSVPlus war es von Anfang an, mit diesem Kapital die Entschuldung des Vereins voranzutreiben. Nachdem die Verbindlichkeiten im Juni 2013 noch fast 100 Millionen Euro betragen hatten, dürfte die Zahl heute höher liegen, da der Personaletat auf 50 Millionen Euro stieg, dazu wurde das Kühne-Darlehen aufgestockt.

Was sind andere Fußballunternehmen wert? Borussia Dortmund ist der einzige börsennotierte Club in Deutschland. Bei 92 Millionen Aktien und einem Kurs von 4,29 Euro (Stand Freitag) ergibt sich eine Marktkapitalisierung von 394 Millionen Euro.

Bayern München wiederum erlöste über eine Kapitalerhöhung im Februar für 8,33 Prozent der FC Bayern München AG rd. 110 Millionen Euro vom Versicherungskonzern Allianz. Heißt im Umkehrschluss: Der FC Bayern wird mit 1,32 Milliarden Euro bewertet.

Für Quervergleiche interessant ist auch die Entwicklung beim VfB Stuttgart, wo ebenfalls eine Ausgliederung der Lizenzspielerabteilung angestrebt wird. Nach Medienberichten soll der Wert der künftigen VfB AG bei 300 bis 320 Millionen Euro liegen. Die Daimler AG soll bereit sein, als Partner mit einer zehnprozentigen Anteilsübernahme einzusteigen. Im internationalen Vergleich wird der börsennotierte englische Club Manchester United mit 2,10 Milliarden Euro bewertet.

So errechnet sich der HSV-Wert. Nach Abendblatt-Informationen hat sich KPMG bei der Bewertung einer Mischmethode bedient, um aus unterschiedlichen Verfahren einen Mittelwert errechnen zu können. „Der Unternehmenswert wird grundsätzlich als Zukunftserfolgswert ermittelt“, erklärt Jan Odewald, das heißt, dass maßgeblich ist, welche Zuflüsse und Gewinne in den kommenden Jahren zu erwarten sind. Gängige Verfahren seien die Discounted Cash-Flow-Methode und das Ertragswertverfahren.

In der Regel dient bei Wirtschaftsunternehmen ein Business-Plan über die kommenden drei bis fünf Jahre als Bewertungsgrundlage. Beim HSV hat man jedoch einen längeren Zeitraum (über zehn Jahre) gewählt, was durchaus Sinn macht, schließlich ist das Stadion 2021 weitgehend abbezahlt, wodurch dem HSV jährlich acht Millionen Euro mehr zur Verfügung stehen.

Des Weiteren wurde offenbar eine sogenannte Substanzwertermittlung vorgenommen. Dort werden das Stadion, das Gelände in Ochsenzoll (Jürgen-Werner-Schule), die Spielerwerte (einschließlich potenzieller stiller Reserven im Marktwert der Spieler), aber auch der Wert der Marke HSV berücksichtigt. Odewald: „Die Ermittlung von Marktwerten von Fußballprofis, die sich erst bei einem Transfer realisieren lassen, ist natürlich immer mit Unsicherheiten verbunden.“

Das wirtschaftliche Potenzial des HSV. Eine stark vereinfachte Beispielrechnung führte schnell zu der Erkenntnis, dass der HSV – um den Unternehmenswert zu erreichen – in den Folgejahren wieder mit regelmäßigen Teilnahmen an internationalen Wettbewerben plant, was dann höhere Spielerlöse, mehr Sponsoring-Einnahmen und ein besseres Ranking in der nationalen TV-Vermarktung und höhere internationale Medienerlöse zur Folge hätte. Nur so sind deutliche Umsatzsteigerungen und − flankiert durch Kosteneinsparungen wie im Lizenzspieleretat − die notwendigen Gewinne zu erzielen. Zum Vergleich: In der Europa-League-Saison 2008/09 betrug der Umsatz noch 180 Millionen Euro, inzwischen ist er rund 60 Millionen Euro niedriger. Die Ergebnisse der letzten drei Geschäftsjahre (siehe Kasten) zeigen, wie schnell der HSV finanziell ins Schlingern geriet, als bei gleichbleibendem Kostenapparat die sportlichen Erfolge ausblieben.

Odewald: „Wie das Beispiel Borussia Dortmund, das in 2005 wirtschaftlich und danach auch sportlich in schwierigem Fahrwasser war, zeigt, können durch gute Konzepte sportliche und wirtschaftliche Erfolge und damit auch höhere Unternehmenswerte geschaffen werden.“