Nach dem 0:3 gegen Paderborn gerät HSV-Trainer Mirko Slomka vor dem Spiel gegen Ex-Club Hannover unter Druck

Mirko Slomka war der Erste. Um kurz nach 10 Uhr am Sonntagmorgen lief der HSV-Trainer vorneweg in Richtung Volkspark. Dahinter huschten die Fußballer, die ihrem Cheftrainer am Vortag nachhaltig das Wochenende vermasselt hatten, an den wartenden Anhängern vorbei. „Wir wollen nicht zurückschauen, sondern nach vorne“, hatte Slomka am Sonnabend im Anschluss an die bittere Heimpleite gegen Aufsteiger Paderborn gesagt – und einen Tag später Wort gehalten. Nur 20 Minuten nach dem Aufbruch trottete die schweigende Gruppe mit Slomka an der Spitze zurück in den Kabinentrakt – der grimmige Blick noch immer starr nach vorne gerichtet.

So wirklich vergessen konnte aber sicherlich auch Slomka am Sonntag nicht, was seine Mannschaft da am Vortag abgeliefert hatte. Gegen „den krassesten Außenseiter aller Zeiten“ (Paderborns Trainer André Breitenreiter) hieß es nach 90 desaströsen Minuten und Toren durch Elias Kachunga (29.), Mario Vrancic (68.) und Moritz Stoppelkamp (87.) 0:3. Es war ein fußballerisches Armutszeugnis, eine hochverdiente Pleite und vor allem die gefühlte Fortsetzung der Vorsaison, der schlechtesten Spielzeit aller Zeiten, die nur mit mehr Glück als Verstand nicht mit dem eigentlich verdienten Abstieg endete.

Blutleerer Auftritt des Favoriten, Paderborn hatte noch mehr Chancen

„Dieses Spiel bedarf einer sehr intensiven Analyse“, sagte der entsetzte Slomka, der noch minutenlang nach dem Abpfiff fassungslos auf seinem Platz auf der Trainerbank verharrte. „Das alles war schockierend.“

Selbst den Protagonisten fiel es schwer, die passenden Worte für den in dieser Form nicht für möglich gehaltenen Heimfehlstart zu finden. „So kann man nicht auftreten, dann gewinnt man kein Spiel in der Bundesliga“, sagte Torhüter René Adler, dem aber ebenso wenig eine Erklärung für die Blamage einfallen wollte wie seinen indisponierten Kollegen. „Vielleicht haben wir zu Hause eine Blockade“, orakelte Johan Djourou ähnlich ratlos wie zuvor auf dem Platz: „Wir hatten Angst. Jetzt müssen wir Männer sein.“

Die Männer, die in Rekordgeschwindigkeit den mühsam kreierten Stimmungsaufschwung nach dem Fastabstieg schon wieder kaputtmachten, waren der Low-Budget-Mannschaft aus Paderborn in allen Belangen unterlegen. Besonders in der ersten Halbzeit bot Slomkas Mannschaft, die trotz bisherigen Transferausgaben von mehr als 26 Millionen Euro erneut nur mit Valon Behrami als einzigen Neuzugang auflief, einen indiskutablen und blutleeren Auftritt. 10:19 Torschüsse und 0:5 Torchancen zählten die Statistiker. Das 0:1 hatte Tolgay Arslan indirekt mit einem haarsträubenden Ballverlust vorbereitet, beim 0:2 hatte der eingewechselte Artjoms Rudnevs Paderborns Vrancic den Ball in den Lauf gespielt. „Wir haben alles eingerissen, was wir uns zuvor aufgebaut haben“, konsternierte Adler.

Tatsächlich wähnten sich HSV-Spieler und -Verantwortliche trotz der katastrophalen Vorsaison nach der längsten Vorbereitung der Vereinsgeschichte und dem angeblichen Stimmungswandel nach dem Strukturwechsel auf einem guten Weg. Selbst die kritischen Aussagen vom neuen Aufsichtsratschef Karl Gernandt („Wenn man nicht die gleichen Ziele hat, muss man den Mut haben und Entscheidungen treffen“) und von Investor Klaus-Michael Kühne („Als Privatmann und HSV-Fan kann ich nur sagen, dass ich an diesen Trainer nicht glaube“), die noch vor dem ersten Spiel Slomka hart attackierten, hatten die Aufbruchstimmung nicht nachhaltig zerstören können.

Bis jetzt. Denn nach Slomkas neunten Spiel in Folge ohne Sieg dauerte es nicht mal 45 Minuten nach dem Schlusspfiff, ehe HSV-Chef Dietmar Beiersdorfer die zu erwartende Trainerfrage gestellt wurde. „Ich spreche nicht über den Trainer“, antwortete Beiersdorfer wenig konkret, um umso deutlicher seinen Ärger über das Gesehene loszuwerden. „Das war eine erschütternde Leistung. Das dürfen wir uns nicht gefallen lassen.“ Doch auch die erneute Nachfrage nach Slomka, dem nach Punkteschnitt (0,8) zweiterfolglosestem Trainer der Clubgeschichte hinter Michael Oenning, umschiffte Beiersdorfer: „Wir haben gesagt, dass wir mit Slomka zusammenarbeiten. Mehr möchte ich dazu nicht sagen“, so der HSV-Chef, der noch am Abend das Gespräch mit dem Coach suchte.

Immerhin gibt es Neues von der Transferfront: Die Ausleihgeschäfte von Julian Green (21, Stürmer, FC Bayern) und Lewis Holtby (24, Mittelfeld, Tottenham) stehen kurz vor dem Abschluss. Perfekt ist der Abgang von Milan Badelj (4 Millionen Euro nach Florenz). Jonathan Tah wird zu Fortuna Düsseldorf ausgeliehen, Kerem Demirbay zum 1. FC Kaiserslautern.