Rafael van der Vaart verspürt neue Lust am Fußball. Nur wo er künftig spielt, ist offener denn je – das sieht der Niederländer auch selbst so

Stegersbach. So viele positive Nachrichten in Folge, das hat es lange nicht mehr gegeben. Man ist fast versucht zu sagen: Der HSV hat einen Lauf. Erst die ordentlichen Auftritte beim Telekom Cup, nun die bevorstehende Einigung mit Mäzen Klaus-Michael Kühne. Und auch die aktuellen Verkaufszahlen des neuen Trikots sorgten für strahlende Gesichter beim Club. 5000 Adidas-Shirts fanden seit dem offiziellen Verkaufsstart am Donnerstag Abnehmer, ein deutlich besserer Wert als in der Vorsaison.

Die Hälfte der Trikots mit Beflockungen (1750) trugen dabei den Schriftzug Lasogga, an die Spitze des Verfolgerfeldes jedoch setzte sich, für viele vielleicht etwas überraschend: Rafael van der Vaart.

Ein (Abseits-)Tor gegen Wolfsburg, ein Treffer sowie eine Torvorlage gegen Gladbach, dazu erfrischende Auftritte in den vergangenen Tests und im Training blieben bei den Fans offenbar nicht unbemerkt. Dass der Niederländer aber für die Anhängerschaft so schnell wieder als Hoffnungsträger für bessere Zeiten taugt, war so nicht unbedingt vorhersehbar. Wobei van der Vaart selbst die vergangene Saison differenziert betrachtet wissen möchte: „Sieben Tore und sechs Vorlagen in der Hinrunde waren in Ordnung, aber ich hatte fünf schlechte Monate. Nach der Winterpause ging nichts mehr.“

Der Niederländer formulierte diese Sätze am Montag mit einem Lächeln im Gesicht, während er am Wiener Flughafen am Gepäckband auf seinen Koffer wartete. Weil er verletzungsbedingt die WM verpasste („Das war schon extrem enttäuschend, das letzte bisschen Pech musste wohl noch raus“), kam van der Vaart in den Genuss eines richtigen Urlaubs: „Es tat richtig gut, einmal komplett abzuschalten.“

Rückblick: Im Juli 2013, als der HSV im Zillertal erst wenige Tage in die Vorbereitung eingestiegen war, war van der Vaart das Gesprächsthema, weil er mit zwei Kilo Übergewicht aus dem Urlaub zurückgekehrt war. Die Neuordnung seiner privaten Situation hatte so viel Energie verschlungen, dass er Seele und Disziplin hatte baumeln ließ.

In diesem Sommer achtete der 31-Jährige darauf, dass während der Freizeit die sportlichen Aktivitäten wie Tennis nicht zu kurz kamen. Gerade bei ihm macht sich der frühere Trainingsstart deutlich positiv bemerkbar: „Rafael wirkt agil, spritzig“, verteilte Trainer Mirko Slomka nach dem Telekom Cup ein Sonderlob. Van der Vaart bestätigt den Eindruck, dass er wieder neue Lust am Fußball gefunden hat: „Ich liebe den Fußball und habe einfach Spaß, bin im Kopf frei. Es ist wie ein Neuanfang. Ich will zeigen, was ich drauf habe.“

Neuanfang – das sagt ausgerechnet jemand, der als 17-Jähriger für Ajax Amsterdam sein Pflichtspieldebüt gab und sich durch seine 15. Sommervorbereitung quält. „An die Läufe werde ich mich nie gewöhnen“, stöhnt er, im Wissen, dass in den Tagen von Stegersbach noch einige harte Einheiten auf ihn und die Kollegen warten.

Die Läufe werden intensiver, weil an der Explosivität gearbeitet werden soll. Dazu gehören Übungen mit Maximalkraft (viele Sprünge) und kürzere (Sprint-)Läufe mit vielen Richtungswechseln. Die Grundlagen für eine bessere Fitness sind aber offenbar gelegt. „Alle Spieler haben einen Körperfettanteil von unter zehn Prozent“, freut sich Konditionstrainer Niko Vidovic.

Geplant ist, dass am Mittwoch Dietmar Beiersdorfer den HSV-Profis einen Besuch im Burgenland abstattet. Gut möglich, dass sich dann auch das erste Mal die Gelegenheit für ein ausführlicheres Gespräch zwischen Vorstandschef und Kapitän ergibt. „Wir haben bisher mal telefoniert, er ist ja viel beschäftigt“, sagt van der Vaart.

Genug Themen für ein abendfüllendes Treffen gäbe es. Als ihn Beiersdorfer 2005 zum HSV holte, war der Ausnahmetechniker der erste richtige Star in der Amtszeit des damaligen Sportchefs, dem viele weitere folgen sollten. Sein Flirt mit Valencia ist unvergessen, sein Wechsel zu Real Madrid spülte zunächst Millionen in die HSV-Kassen, die 2012 für seinen Rückkehr aus London wieder investiert wurden.

Neun Jahre später ist van der Vaart der einzige Hamburger, der noch den Bekanntheitsgrad eines Weltstars genießt, er ist sozusagen das letzte Überbleibsel eine längst verblichenen Vereinsära mit regelmäßigen Auftritten in der Europa League und auch mal in der Champions League.

Vermutlich dürften sich van der Vaart und Beiersdorfer aber nicht allzu lange mit längst Abgehaktem aufhalten, die Zukunftsplanungen gestalten sich viel spannender. Dass Interesse aus arabischen Ländern an einer Verpflichtung besteht, und auch Harry Redknapp, Manager bei den Queens Park Rangers und früherer Weggefährte bei Tottenham, äußert sich regelmäßig sehr positiv über seinen Ex-Spieler, zuletzt am Wochenende: „Er ist ein großartiger Fußballer, ein großartiger Profi und ein Torjäger. Er ist für zehn, zwölf Tore in der richtigen Position gut.“ Und: „Ich mag Rafa. Er ist ein interessanter Spieler und hat Klasse.“

Und auch van der Vaart, dessen Vertrag 2015 ausläuft, weiß offenbar noch nicht so recht, wohin die Reise geht: „Ich habe immer gesagt, dass ich gerne bleiben möchte. Aber im Fußball weiß man nie. Das kann heute so sein und morgen anders. Ich werde weiter Gas geben, damit alle sehen, dass ich bleiben will.“

Was übrigens auch für die niederländische Nationalmannschaft gilt. „Ich weiß noch nicht, was mit dem neuen Trainer Guus Hiddink wird, ich muss meine Leistung bringen, mit 31 bin ich noch nicht so alt“, sagt er. Von Rücktrittsgedanken ist der 109-fache Nationalspieler weit entfernt. Und auch beim HSV wird er wohl kaum seine herausgehobene Stellung verlieren. Während des Trainingslagers in Österreich wird das Team den Mannschaftsrat wählen, aus dem Slomka dann seinen Kapitän bestimmt, der nur van der Vaart heißen kann – wenn er denn bleibt.