HSV-Sportchef Oliver Kreuzer erneuert auch nach dem Sturz auf Platz 17 sein Bekenntnis zum Trainer. Auch die Spieler nimmt Kreuzer in Schutz: „Es hilft nichts, auf die Jungs verbal einzuschlagen.“

Hamburg. Strahlender Sonnenschein am Sonntagmorgen, Plusgrade, der Himmel blau, herrlich. Wetter- und Stimmungslage beim HSV waren selten weniger übereinstimmend in den letzten Wochen, in denen auch die Luft stets frostig war. Auf dem Weg zur Arena hängt ein Plakat mit Hakan Calhaoglu: „Hemd an, Angst raus“, steht da zu lesen. Auch das passt so gar nicht zu der Mannschaft, die am Sonnabend 0:3 in Hoffenheim verlor. Zahlreiche TV-Teams sind zum Auslaufen gekommen, auch viele Fans wollen die Mannschaft sehen. „Pfui!“, ruft einer lautstark, „schämt euch“ hört man und vereinzelte Pfiffe. Reden mag und soll keiner der Spieler, die Stimmung ist angespannt. Sportchef Oliver Kreuzer hatte zuvor in der Kabine mit der Mannschaft gesprochen und stellte sich nach dem Training den Fragen.

Herr Kreuzer, was sagen Sie mit einem Tag Abstand zu dem Spiel in Sinsheim?

Oliver Kreuzer: Wir haben, auch wenn es sich blöd anhört, etwas besser gespielt als die Spiele zuvor. Wir hatten mehr Ballbesitz als der Gegner. Das Spiel war durchaus ansehnlich in der ersten Halbzeit. Trotzdem ist es noch zu wenig, um Bundesligaspiele zu gewinnen.

Wieder machte die Mannschaft den Eindruck, als habe sie den Abstiegskampf noch nicht richtig angenommen.

Kreuzer: Man kann nicht einfach den Spielstil der Mannschaft ändern und von heute auf morgen den Jungs mitgeben, dass sie den Gegner in Form von extrem hartem Foulspiel bearbeiten müssen. Wir haben diese Typen nicht. Wir haben unseren eigenen Spielstil, mit dem wir auch schon gut und erfolgreich waren. Den müssen wir auch beibehalten. Darüber hinaus müssen wir vielleicht etwas mehr in die Waagschale werfen, was den physischen Spielstil anbelangt.

Die HSV-Spieler sind auch rund zehn Kilometer weniger gelaufen als der Gegner.

Kreuzer: Ja, das nehmen wir zur Kenntnis. Andererseits hatten wir mehr Ballbesitz. Dann muss einfach der Gegner mehr laufen, um den Ball wieder zu erobern. Nein, ich glaube, dass wir immer noch in der Defensive zu viele Fehler machen. Und vorne fehlt uns – was uns in der Vorrunde noch auszeichnete – die Effizienz vor dem Tor. Wir haben in der Vorrunde 33 Tore erzielt. Jetzt machen wir vorne keine Tore mehr, aber immer noch die gleichen Fehler hinten.

Welcher Trainer sitzt gegen Hertha BSC auf der Bank?

Kreuzer: Hundert Prozent Bert van Marwijk. Wer sonst? Wir analysieren die Situation sachlich, Woche für Woche. Dass ein Trainer mit dieser Bilanz in der Öffentlichkeit in der Kritik steht, das ist ganz normal. Aber er steht nicht von Vereinsseite in der Kritik.

Warum denken Sie, dass er den HSV noch retten kann?

Kreuzer: Weil er der Richtige ist. Weil er genug Erfahrung hat und die Dinge auch richtig anpackt. Ich weiß, dass die Spieler einen Plan bekommen, wie sie die Dinge angehen müssen. Aber es fehlt an der Umsetzung. Das ist unabhängig davon, wie der Trainer heißt.

Aber wie soll es dann mit dieser Mannschaft besser werden?

Kreuzer: Wir sind an einem Punkt angekommen, wo jeder in Fußball-Deutschland glaubt, wir sind schon abgestiegen. Aber dem ist lange nicht so. Wir wissen jetzt, was die Stunde geschlagen hat. Wir müssen jetzt noch enger zusammenrücken und den Bock umstoßen. Glück hat der Tüchtige. Wir werden jetzt die Einheiten verschärfen. Von daher bin ich doch optimistisch.

Van Marwijk hatte noch vor dem Hoffenheim-Spiel erklärt, es sei erwiesen, dass mehr Training nichts bringe. Warum jetzt doch der Meinungswechsel?

Kreuzer: Trainer sind auch abergläubisch. Er war überzeugt, dass seine Planung die richtige ist. Das sind Dinge, die er seit über 30 Jahren macht. Auch zu Beginn seiner Amtszeit, als wir gut gestartet sind, hat er es so gehandhabt. Er hat trotzdem verstanden, dass aufgrund der aktuellen Situation Unverständnis in der Öffentlichkeit aufkommt. Besondere Situationen erfordern besondere Maßnahmen. Jetzt hat man fünf Spiele in Folge verloren. Das ist eine besondere Situation. Da muss man eventuell auch mal ein Stück der eigenen Überzeugung aufgeben. Wie eben, dass der zweite Tag nach dem Spiel ein Ruhetag ist. Das muss man jetzt mal ändern.

Sie glauben, das reicht, um noch die Kurve zu kriegen?

Kreuzer: Wir geben nicht auf. Natürlich müssen wir die Dinge selbst in die Hand nehmen. Wir können nicht hoffen, dass die anderen Vereine für uns spielen. Wir haben alles noch selbst in der Hand und irgendwann holst du das Glück wieder zurück. Irgendwann kommt dieses Aha-Erlebnis. Nochmals, die Mannschaft hat schon bewiesen, dass sie gut Fußball spielen kann. Klar, jetzt kommt Druck dazu. Nach fünf Niederlagen hast du auch nicht dieses Selbstverständnis, mit absolutem Selbstvertrauen in die Spiele zu gehen.

Was haben Sie der Mannschaft in der Kabine gesagt?

Kreuzer: Ich habe gesagt, dass mittlerweile keiner mehr einen Pfifferling auf den HSV gibt. Aber wir dürfen uns von der Öffentlichkeit nicht beeinflussen lassen. Es hilft nichts, auf die Jungs verbal einzuschlagen. Es war eine Totenstille in der Kabine. Die Jungs hadern mit sich und sind enttäuscht. Wenn man jetzt noch mal draufhaut, das ist kontraproduktiv. Wir müssen jetzt eine Trotzreaktion zeigen. Aber dennoch locker bleiben. Es bringt nichts, alles noch mehr in Form von Brandreden zu dramatisieren und noch mehr Druck aufzubauen. Und wenn wir gegen Hertha verlieren, dann gewinnen wir eben gegen Braunschweig.

Wie ist Ihr Eindruck von Trainer van Marwijk in dieser Situation?

Kreuzer: Er ist absolut in sich gefestigt. Er ist ein erfahrener Trainer, der schon so viele spannende Spiele und kritische Situationen erlebt hat. Natürlich nagt die Situation an ihm auch. Aber wenn einer die Ruhe und Gelassenheit hat, um die Dinge richtig anzugehen, dann ist das van Marwijk.

Aufgezeichnet von Andreas Hardt