Schalkes Sportvorstand Horst Heldt spricht vor dem Gastspiel beim HSV über Ausgliederung, Schulden und den angestrebten Kauf von Dennis Aogo.

Hamburg. Er stand weit oben auf der Kandidatenliste, als der HSV 2009 einen Nachfolger für Sportchef Dietmar Beiersdorfer suchte. Inzwischen ist Horst Heldt, 44, Vorstand beim FC Schalke 04. Vor dem HSV-Spiel gegen den Champions-League-Teilnehmer am Sonntag sprach das Abendblatt mit Heldt auch über Trainer Jens Keller, Nationalspieler Julian Draxler und seine Lehre als Kfz-Mechaniker.

Hamburger Abendblatt: Herr Heldt, kann man als eingetragener Verein in diesen Zeiten überhaupt noch Erfolg haben?

Ich denke, dass wir das seit Jahren unter Beweis stellen. Aber ich weiß, worauf Sie anspielen...

…beim HSV haben sich am Sonntag fast 80 Prozent der Mitglieder für eine Ausgliederung und eine Beteiligung von Investoren ausgesprochen.

Heldt: Wir beobachten das Geschehen in Hamburg mit großer Spannung, wie jeder in der Branche. Aber jeder Verein muss das für sich selbst entscheiden. Wir haben gute Strukturen, für uns ist die Rechtsform des eingetragenen Vereins überhaupt kein Problem. Daher ist eine Ausgliederung kein Thema.

Aber mit dem Verkauf von Anteilen könnten Sie mit einem Schlag viele Millionen einsammeln und den Abstand zum FC Bayern etwas verringern.

Heldt: Nein, die Bayern sind auf Jahre finanziell uneinholbar.

Aber lässt Sie denn der Stand der Verbindlichkeiten von 170 Millionen Euro überhaupt noch ruhig schlafen?

Heldt: Sehr gut sogar, wir haben in den vergangenen Jahren 70 Millionen Euro Verbindlichkeiten abgebaut, liegen absolut in unserem Plan. Aber ich gebe zu, dass diese Reduzierung von Verbindlichkeiten auf der einen und die Wahrung der sportlichen Konkurrenzfähigkeit auf der anderen Seite immer ein schmaler Grat ist.

Ihr Trainer Jens Keller wäre bei dieser Gratwanderung in der Hinserie beinah abgestürzt. Wieso haben Sie ihn immer wieder infrage gestellt?

Heldt: Das haben wir nicht.

Das kam medial aber anders rüber.

Heldt: Wir haben keinen Einfluss darauf, wie über uns berichtet wird. Fakt ist, dass wir nach zum Teil enttäuschenden Leistungen wie etwa dem Aus im DFB-Pokal gegen Hoffenheim gesagt haben, dass wir uns in der Winterpause zusammensetzen und Bilanz ziehen. Ich bin lieber authentisch, als dass ich irgendwelche falschen Treueschwüre abgebe.

Zu welchem Schluss sind Sie gekommen?

Heldt: Das wir auf jeden Fall bis zum Ende dieser Saison mit Jens Keller zusammenarbeiten werden. Das ist definitiv. Und ich gehe fest davon aus, dass er auch in der nächsten Spielzeit unser Trainer sein wird, sein Vertrag läuft ja noch bis Sommer 2015.

Im Tor ist jetzt Ralf Fährmann wieder die Nummer eins. Timo Hildebrand muss den Verein am Saisonende wieder verlassen. Warum haben Sie nie einen würdigen Nachfolger für Manuel Neuer gefunden, der 2011 zum FC Bayern wechselte?

Heldt: Nennen Sie mir doch bitte einen Torwart von dieser Klasse in der Bundesliga.

Bernd Leno von Leverkusen, Kevin Trapp von Frankfurt, auch René Adler, der zumindest letzte Saison überragend für den HSV gehalten hat.

Heldt: Alles sehr gute Torhüter, aber keiner hat die Klasse von Manuel. Wenn Ribéry mal aufhört, werden die Bayern auch keinen Spieler finden, der ihn wirklich eins zu eins ersetzt. Aber Ralf Fährmann hat zum Ausklang der Hinrunde gut gehalten, er genießt unser volles Vertrauen.

Verzichten müssen Sie vorerst auf Dennis Aogo, den Leihspieler vom HSV, der sich einen Kreuzbandriss zugezogen hat.

Heldt: Für uns ist das ganz bitter. Dennis hat nach seinem Wechsel bei uns sofort gespielt. Er ist ein Superfußballer und ein feiner Kerl.

Sie würden also Dennis Aogo also trotz seiner langwierigen Verletzung gern fest verpflichten?

Heldt: Sowohl der HSV als auch Dennis wissen, dass wir grundsätzlich weiter zusammenarbeiten möchten. Aber angesichts der Verletzung ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, um über Details zu reden.

Julian Draxler hat dagegen seinen Vertrag verlängert. Dennoch könnte er den Verein dank einer Ausstiegsklausel für eine Ablöse von 45,5 Millionen Euro verlassen. Macht Ihnen das Sorgen?

Heldt: Zunächst sind wir sehr froh, dass Julian überhaupt verlängert hat. Und wir hielten es damals beide für utopisch, dass ein Verein so viel für einen 19-Jährigen zahlen würde. Das hat sich angesichts seiner hervorragenden Auftritte und der generellen Situation auf dem europäischen Markt geändert, rückblickend hätten wir die Ablöse vielleicht sogar noch höher ansetzen sollen. Aber Julian fühlt sich sehr wohl, er weiß, was er an Schalke hat.

Können Sie erklären, warum die Saison für Schalke so wechselhaft verlief?

Heldt: Verletzungspech darf keine Entschuldigung für schlechte Leistungen sein. Dennoch müssen wir konstatieren, dass wir teilweise elf Ausfälle auf einmal hatten. Nehmen Sie nur den monatelangen Ausfall von Huntelaar. Das wäre so, als müsste Leverkusen auf Kießling oder Dortmund auf Lewandowski verzichten. Aber ich bin optimistisch, dass Huntelaar am Sonntag in Hamburg wieder im Kader stehen wird.

Herr Heldt, Sie haben Kfz-Mechaniker gelernt. Können Sie noch ein Auto reparieren?

Heldt: Einen VW würde ich schon wieder flott kriegen. Doch die bauen so gute Autos, die gehen selten kaputt. Aber jetzt ganz im Ernst: Mir hat diese Lehre sehr viel gegeben. Das war eine der besten Erfahrungen in meinem Leben, eine sehr wertvolle Schule. Ich kann jedem wirklich nur empfehlen, ein Handwerk zu lernen.