Die zukunftsweisende Veranstaltung am Sonntag im CCH wird teuer und kompliziert: Der Verein hat 10.810 Plätze gebucht, übertragen wird in fünf Säle.

Hamburg. Möglicherweise ist am Sonntag alles ganz schnell vorbei. Keine Mitgliederversammlung beim HSV, keine Marathonsitzung, Strukturdiskussion, Zukunftswahl. Stattdessen Vertagung auf einen Termin im späten Frühjahr. „Wenn mehr als 12.000 Mitglieder kommen sollten, dann kann die Versammlung nicht durchgeführt werden“, sagt Oliver Scheel, das Vorstandsmitglied für die Mitgliederangelegenheiten: „Beschlüsse einer Versammlung, an der aus Platzgründen nicht alle Interessierten teilnehmen können, wären rechtlich nicht wirksam.“

Irgendwie würde auch dieses vereinspolitische Horrorszenario zur derzeitigen Situation des Traditionsclubs passen. Was aber nicht sein darf, das kann auch nicht sein. So wie ein Bundesliga-Abstieg auch. Scheel hat deshalb alles ihm Mögliche getan, um die wohl wichtigste Mitgliederversammlung seit Jahren sicher über die Bühne zu bringen. Der 48-Jährige ist für die Organisation der Versammlungen verantwortlich. „Konkret plane ich seit knapp fünf Monaten“, sagt Scheel, „wenn man die Stimmung im Verein aufnimmt, war es ja klar, dass es diesmal ein besonders großes Interesse gibt.“

Der HSV hat deshalb das Congress Centrum am Dammtor praktisch durchgebucht. 10.810 Leute können untergebracht werden, erstmals tagt der Club in der gigantischen Halle H im Erdgeschoss, die ohne Bestuhlung wie ein Flugzeughangar aussieht. Dort werden die Vorstände und Aufsichtsräte sitzen, die Reden gehalten oder geschwungen – je nachdem. Dort schlägt das Herz der Veranstaltung. Stühle für 6000 Menschen werden dort aufgebaut. Zusätzlich hat der Verein weitere fünf Säle zur Verfügung, auch die 3000 Plätze in Saal 1 sind dabei, in dem in den vergangenen Jahren in der Regel getagt wurde. Ein Problem allerdings ist, dass Saal H im Erdgeschoss liegt, Saal 1 aber im zweiten Stock. Dazwischen im ersten Geschoss die ebenfalls gebuchten Säle F und G.

Saalwanderung darf es nicht geben

Die Übertragung der Reden in alle Räume erfolgt per Videowand. So weit, so leblos. Abstimmungen werden mit einem elektronischen Gerät durchgeführt. Drei Tasten – Ja, Nein, Enthaltung. „Das hat schon letztes Jahr gut funktioniert“, sagt Scheel. Allerdings: Die jeweiligen Abstimmungsgeräte arbeiten nur im jeweils zugewiesenen Saal. „Eine Saalwanderung kann und darf es nicht geben“, macht Scheel klar. Nicht nur wegen der elektronischen Stimmabgabe, sondern auch wegen des sonst zu großen Publikumsverkehrs im Treppenhaus: „Das ist auch eine Sicherheitsfrage.“

Sprecher Karsten Broockmann von der Hamburg-Messe, Vermieter der Räumlichkeiten im CCH, betont deshalb die „angepasste Wegeführung sowie den engen Austausch mit relevanten Behörden wie Polizei und Feuerwehr“. So etwas gehöre zum Tagesgeschäft. „Darüber hinaus gibt es natürlich Absprachen mit dem Veranstalter HSV.“ Dass das CCH komplett voll ist, wäre auch nichts Neues. 12.500 Personen bekommt man unter, das kennt man schon vom Evangelischen Kirchentag, dem Röntgenkongress oder – durchaus passend – der Jahrestagung des Chaos Computer Clubs.

6000 Portionen Suppe

Zwischen den Sälen und Ebenen werden sich die HSV-Mitglieder dennoch bewegen wollen oder müssen. Schon um zu essen und zu trinken und dann, um das Aufgenommene wieder loszuwerden. Getränke und kleine Snacks hält das CCH-Catering vor, eine Suppe stellt der Verein seinen Mitgliedern kostenfrei zur Verfügung, die müssen diese aber nicht auslöffeln. Zunächst sind deshalb nur rund 6000 Portionen geordert. „Wir können bei einer Großküche jederzeit nachbestellen“, sagt Scheel. Logistisch ist das kein Problem, erklärt Broockmann: „Wir haben einen Caterer, der es jedes Jahr schafft, innerhalb von 25 Minuten 5400 Portionen Eisbein zu servieren.“ Immerhin haben sich die HSV-Mitglieder zuletzt immer gesittet verhalten. Ein Mehr an Schmutz und Müll gab es im Vergleich etwa zu den Zehn Tenören nie.

Für die Mitarbeiter des CCH, des HSV und auch von Fremdfirmen wird der Sonntag auch ein Großkampftag. Knapp 200 Mann und Frau Personal sind beschäftigt. Sie achten auf Sicherheit, weisen Wege, nehmen Garderobe entgegen, geben Essen und Abstimm-technik aus. Auch die Hälfte der Mitarbeiter der HSV-Geschäftsstelle müssen an diesem Tag ran. Manche ganztags, andere nur zwischen Einlass um 9 Uhr und dem Versammlungsbeginn um 11 Uhr. Ende offen. Scheel rechnet damit, dass es lange dauert: „Vor fünf Jahren haben wir die Versammlung um 21.20 Uhr beendet, das waren zehn Stunden, das würde noch gehen.“ Länger sollte es nach seiner Meinung keinesfalls dauern. „Es steht zwar nirgendwo geschrieben, wie lange solch eine Veranstaltung dauern darf, aber wenn es zu langfristig wird, könnte es dennoch rechtliche Probleme geben.“

Das alles kostet natürlich. Während eine „normale“ Mitgliederversammlung in den vergangenen Jahren mit 100.000 Euro zu Buche schlug, rechnet Scheel in diesem Jahr mit 500.000 Euro. Dafür bekommt man laut transfermarkt.de zurzeit unter anderem den ehemaligen St. Paulianer Rouwen Hennings, der beim Karlsruher SC spielt, oder Marcel Ziemer aus Saarbrücken. Je nachdem, was die Mitglieder am Sonntag entscheiden, ist diese halbe Million Euro für die HSV-Zukunft eventuell die bessere Investition.