HSV-Trainer Fink spricht im Abendblatt-Interview über den möglichen Abgang seines Topstürmers Son und den Kader für die kommende Saison.

Hamburg. Die gerade abgelaufene Bundesliga-Saison hatte für den HSV mit einem Fehlstart begonnen - weil der Kader noch nicht stand. Erst mit einem finanziellen Kraftakt und personellen Nachbesserungen wurde die Saison gerettet. Jetzt droht HSV-Trainer Thorsten Fink, 45, nach der kurzfristigen Beurlaubung des Sportchefs Frank Arnesen mitten in der Kaderplanung für die neue Saison ein Déjà-vu. Fink selbst sieht das allerdings anders. Obgleich er mit dem Wechsel seines koreanischen Stürmers Heung Min Son zur Konkurrenz rechnen muss, gab sich der Trainer optimistisch. Das Abendblatt erreichte Fink im Urlaub.

Hamburger Abendblatt: Herr Fink, lässt es sich in derart ereignisreichen Tagen ruhig urlauben?
Thorsten Fink: Klar. Ich freue mich aber trotzdem immer, zwischendurch mit dem HSV zu tun zu haben. Ich bin immer im Bild.

Also auch bei der Personalie Heung Min Son, der dem Vernehmen nach zu Bayer Leverkusen wechseln wird.
Fink: Es gibt noch keine Entscheidung.

Hoffen Sie noch, dass er bleibt?
Fink: Son ist ein großes Talent. Solche Spieler gibt man nie gern her. Aber ich weiß auch um die Situation des HSV, und wir haben immer gesagt, wenn Son den Vertrag nicht verlängert, dann müssen und werden wir ihn abgeben.

Können Sie Son verstehen, der bei einer international spielenden Mannschaft seine nächste Entwicklungsstufe sieht?
Fink: Natürlich würde ich ihn verstehen. Er ist ehrgeizig, hat riesiges Potenzial und will sich weiterentwickeln. Mir ging es eher darum, dass ich ihm diese Gelegenheit bei uns schmackhaft machen wollte. Er hat sie auch gesehen, deshalb macht er sich seine Entscheidung ja auch nicht leicht. Ich bin mir sicher, dass er am Ende eine gut durchdachte Entscheidung trifft, mit der wir alle gut leben können.

Zwölf Treffer hat Son erzielt - wäre ein Verlust Ihres Topstürmers mit Bordmitteln zu kompensieren?
Fink: Ja. Das wäre mein Ziel.

Wäre Maximilian Beister Ihre erste Alternative?
Fink: Das läge nahe. Maxi hat ganz sicher großes Potenzial und kann ebenso sicher die Position von Son spielen. Dennoch sind wir uns bei der Kaderplanung einig, dass wir für den Angriff noch etwas machen müssen. Wir brauchen noch einen erfahrenen Stürmer, der der Mannschaft sofort helfen kann.

Zuletzt war immer die Rede von einem Stoßstürmer. Haben Sie den nicht schon in Artjoms Rudnevs?
Fink: Artjoms ist kein reiner Stoßstürmer. Und ich brauche einen Stürmer, der den Ball vorne festmacht, den Ball halten kann und ihn auf Rafael van der Vaart ablegt.

Oder auf Hakan Calhanoglu ...
Fink: Ja. Wenn Rafael verletzt ist.

Können Sie sich nicht vorstellen, dass beide zugleich auf dem Platz stehen?
Fink: Bei mir werden immer die Besten spielen, ganz klar. Ich schließe sicher nichts aus. Aber Hakan ist gerade 18 Jahre alt und macht einen großen Sprung, für den er Zeit braucht. Die bekommt er bei uns. Ohne jede falsche Hektik. Wir wissen um seine Qualität und wollen ihn dazu bringen, in ein, zwei Jahren durchzustarten. Er ist ganz sicher ein Spieler, der die Rolle von Rafael irgendwann spielen kann. Aber bis dahin planen wir mit beiden gemeinsam.

Rafael van der Vaart wirkte nicht immer topfit. Ist das ein Problem?
Fink: Nein, weil dem nicht so ist. Rafael ist fit, macht Kilometer im Spiel. Er wird sicher keiner, der in die Tiefe geht, und auch nicht mehr schneller. Aber er ist physisch auf der Höhe und damit bei mir gesetzt.

Sie hatten auch den Wechsel von Son einen weiteren Stürmer für die neue Saison geplant. Kommen also zwei Angreifer, falls Son geht?
Fink: So ist es auf jeden Fall geplant. Dann allerdings ein erfahrener und ein junger, talentierter Angreifer.

Im Laufe der vergangenen Saison wurden Erwartungen auf Europa gebremst und als Ziel für 2013/2014 ausgegeben.
Fink: Wir geben die Ziele aus, wenn der Kader steht. Aber klar ist auch, dass wir uns nach dem siebten Platz in der abgelaufenen Saison verbessern wollen.

Das wäre mindestens Rang sechs und damit ein internationaler Startplatz. Noch aber stockt die Kaderplanung.
Fink: Sie stockt nicht. Wir sprechen jeden Tag, haben eine Liste von Spielern, mit denen wir sprechen. Und von Montag an ist Oliver dann voll dabei.

Sie meinen den neuen Sportchef, Oliver Kreuzer. Befürchten Sie, dass durch die verlorene Zeit ein Fehlstart wie in der vergangenen Saison droht?
Fink: Nein, absolut nicht. Weil ich mir sicher bin, dass wir die Mannschaft zur Vorbereitung zusammenhaben werden. Und wenn dann der eine oder andere Neue nicht gleich dabei ist, weil er international gespielt hat und etwas länger Urlaub machen darf, dann ist das kein Problem. Dann können wir auch klare Ziele formulieren und müssen zusehen, dass wir auch ohne Son in der nächsten Saison einen internationalen Platz erreichen. Das ist unser Plan.

Der von Ihnen und Ihrem Freund Oliver Kreuzer?
Fink: Oliver und ich, wir verstehen uns, sind auf einer Wellenlänge. Aber wir haben vielleicht ein-, zweimal im Jahr telefoniert. Da geht der Begriff Freundschaft wohl etwas zu weit. Wir kennen uns aus der Zeit in Salzburg, wo wir zusammen gearbeitet haben. Ansonsten haben wir nie zusammen gespielt oder gearbeitet.

Dennoch haben Sie die Entscheidung für Kreuzer ausdrücklich begrüßt. Warum?
Fink: Weil ich davon überzeugt bin. Olli ist ein absoluter Teamplayer, der auf den Trainer zugeht, mit ihm ein Konzept erarbeitet und dabei die Wünsche und Vorstellungen des Trainers umzusetzen versucht. Das ist eine gute Voraussetzung. Denn es gibt auch Leute, mit denen willst du nicht mal an einem Tisch sitzen und über Fußball sprechen.

Wagen Sie eine neue Taktik?
Fink: Das hängt, genau wie unser Saisonziel, vom finalen Kader ab. Mein Lieblingssystem ist und bleibt das 4-2-3-1-System. Aber die Spieler müssen alle Systeme beherrschen. Unser Problem ist auch nicht das System, wir haben so und so die gleiche Punktzahl geholt. Unsere Grundausrichtung bleibt. Wir haben ligaweit den drittbesten Wert in Sachen Ballbesitz und die meisten Torschüsse. Das ist gut. Schlecht ist allerdings, dass wir auch die meisten Torschüsse gegen uns zugelassen haben und vor allem die meisten groben Fehler, die zu Gegentoren führten. Das ist letztlich eine Frage der Qualität, die Oliver und ich uns gestellt haben. Jetzt geht es darum, eine Antwort zu finden. Und da bin ich sehr optimistisch.

Weil Sie in Hamburg bleiben?
Fink: Klar. Warum nicht?

In München hält sich das Gerücht, Sie seien ein Kandidat auf den Co-Trainerposten bei Pep Guardiola. Stimmt das?
Fink: Es ist nicht meine Erfüllung, Co-Trainer von Pep Guardiola zu sein. Ich bin HSV-Trainer.