Ab Sommer spielt Supertalent Hakan Calhanoglu für die Hamburger. Ein Gespräch über seine Lust auf Europa und die Konkurrenz mit van der Vaart.

Karlsruhe. Hakan Calhanoglu ist sich unsicher. Soll der Noch-Karlsruher - blauer New-York-Knicks-Schlabber-Pullover, graue, viel zu große Trainingshose, blondierte, verwuschelte Haare - zur Begrüßung cool einschlagen oder doch lieber höflich die Hand geben? Calhanoglu zögert kurz, entscheidet sich dann aber für den altmodischen Handschlag. "Hey, wie geht's?", fragt der 19 Jahre alte Deutschtürke, als ob man sich seit Ewigkeiten kennt. Ihm selbst gehe es bestens, besonders nach seinem Spiel am Sonnabend gegen Burghausen. Nach dem 2:1-Sieg des Tabellenführers der Dritten Liga ist Karlsruhe seit 19 Spielen ungeschlagen. Calhanoglu, eines der größten Talente im deutschen Fußball, hat den ersten Treffer selbst erzielt, das zweite Tor hat er vorbereitet. "War ganz gut", sagt er und lässt sich tief in den Sessel auf der KSC-Geschäftsstelle fallen.

Hamburger Abendblatt: Herr Calhanoglu, wie hat Ihnen der 1:0-Sieg des HSV gegen den VfB Stuttgart gefallen?

Hakan Calhanoglu: Sehr gut. Ich hab das Spiel zu Hause vom Sofa aus gesehen. Der HSV hat das richtig gut gemacht. Ich verfolge die Auftritte und die Ergebnisse des HSV natürlich jetzt schon genau.

Fühlen Sie sich denn schon als echter Hamburger und leiden Sie so richtig mit?

Calhanoglu: Ich schaue mir jedes Spiel vom HSV an. Ich will doch auch wissen, ob ich nächste Saison vielleicht schon in der Europa League spielen darf. Aber bis Saisonende bin ich trotzdem durch und durch Karlsruher. Ich will mich unbedingt mit dem Aufstieg vom KSC verabschieden.

Hat sich jemand vom HSV nach dem 2:1-Sieg gegen Burghausen gemeldet?

Calhanoglu: Noch nicht. Normalerweise ruft immer Christofer Clemens bei mir an und analysiert mit mir mein Spiel. Er will mir so helfen, an meinen Stärken und Schwächen zu arbeiten.

Ihre Stärken sind bekannt, was sind denn Ihre Schwächen?

Calhanoglu: Wahrscheinlich bin ich nicht der Schnellste, und auch mein Kopfballspiel ist verbesserungswürdig. Ich habe schon zwölf Tore in dieser Saison erzielt, aber noch keines mit dem Kopf. Bis ich nach Hamburg wechsele, muss ich noch ein paar Einheiten am Kopfballpendel hinter mich bringen.

Einmal waren Sie ja schon in Hamburg. Wie war denn Ihr erster Abend im Kreis der Mannschaft?

Calhanoglu: Der Abend in Hamburg war toll. Tolgay Arslan hatte das ganze Team zu Mr. Kebab eingeladen und mich auch angerufen, ob ich nicht kommen will. Leider war Rafael van der Vaart, von dem ich schon als Kind geschwärmt habe, ausgerechnet an dem Abend krank. Aber es war trotzdem etwas Besonderes, an einem Tisch mit René Adler, Dennis Aogo oder Marcell Jansen zu sitzen. Mit Tolgay und Sonny habe ich seitdem regelmäßig Kontakt, auch mit Dicki (Dennis Diekmeier, die Red.) und Ivo Ilicevic verstehe ich mich gut.

Wurden Sie gewarnt, dass jeder Neuzugang vor versammelter Mannschaft ein Lied singen muss?

Calhanoglu: So etwas in der Art wurde erwähnt. Aber ganz ehrlich: ich kann nicht singen. Ich liebe zwar Hip-Hop, habe aber überhaupt kein Gesangstalent. Ich werde versuchen, die Jungs davon überzeugen, dass ich vortanze statt zu singen. Ich kann auch ein bisschen Breakdance, in der Kabine würde ich Michael Jacksons Moonwalk machen.

Haben Sie überhaupt schon eine Wohnung in Hamburg?

Calhanoglu: Nein, bislang war ich nur zweimal kurz in Hamburg. Einmal beim Medizincheck, dann beim Mannschaftsabend. Mir ist nur wichtig, dass ich eine Wohnung im Zentrum finde. Die Jungs haben mir die HafenCity und Eppendorf empfohlen.

Es ist Ihre erste Junggesellenwohnung. Können Sie denn kochen?

Calhanoglu: Klar, türkische Reisgerichte sind meine Spezialität. Es ist zwar meine erste richtige Wohnung, aber als Jugendspieler habe ich in Karlsruhe ja schon in einer Internats-WG gewohnt. Da musste ich auch selbstständig sein.

Wie sieht es mit dem Putzen aus?

Calhanoglu: Eine Putzfrau brauche ich bestimmt nicht. Ich bin durch die Pascal-Groß-Schule gegangen. Mit ihm und Marco Terrazzino, der jetzt beim SC Freiburg spielt, habe ich in einer WG gewohnt, und Pascal war ein echter Sauberkeitsfanatiker.

Viel Zeit zum Umzug haben Sie ja nicht. Im Juni wollen Sie bei der U20-WM mit der Türkei in der Türkei spielen.

Calhanoglu: Das Turnier ist mir sehr wichtig. Bei U20-Weltmeisterschaften wurden schon Weltstars wie Messi, Iniesta oder Xavi entdeckt. Da muss man heiß sein und sich zeigen.

Sie haben mehrfach betont, dass Sie sich erst nach der WM für eine Nationalmannschaft festlegen wollen. Schlägt das Herz für die Türkei und Deutschland gleichermaßen?

Calhanoglu: Für mich ist das nicht einfach. Meine Mutter ist in Deutschland geboren, mein Vater in der Türkei in der Nähe von Trabzon. Die beiden machen aber überhaupt keinen Druck. Sie sagen einfach, dass ich meinem Herzen folgen soll.

Sie selbst sind in Mannheim geboren. Wie eng ist denn Ihr Draht in die Heimat Ihres Vaters?

Calhanoglu: Na ja, da ich in Deutschland geboren bin, habe ich auch die deutsche Mentalität angenommen. Mir ist Disziplin zum Beispiel wichtig. Aber trotzdem fühle ich mich auch irgendwie türkisch. In Istanbul werde ich mehr auf der Straße erkannt als in Deutschland.

Stimmt es denn, dass Fenerbahce angefragt hat, Sie in der kommenden Saison auszuleihen?

Calhanoglu: Es gab Interesse, von wem auch immer. Ich habe auch mit Frank Arnesen darüber gesprochen. Aber er will mich nicht hergeben, und ich will auch gar nicht woandershin wechseln.

Der HSV hat Finanzprobleme. Würden Sie sich gegen einen Verkauf sträuben?

Calhanoglu: Ich denke nicht, dass der HSV so viel Geld ausgegeben hat, um mich gleich wieder zu verkaufen. Und mich reizt etwas anderes auch überhaupt nicht. Ich bin richtig heiß, mich in der Bundesliga zu beweisen.

Sie sollen in die Rolle van der Vaarts hineinwachsen. Sind Sie geduldig?

Calhanoglu: Klar, ich respektiere immer die Entscheidungen vom Trainer. Aber ich werde trotzdem mit breiter Brust nach Hamburg kommen. Irgendwann werde ich mal eine Chance bekommen, und die werde ich dann nutzen.

Van der Vaart hat in einem Interview gesagt, dass der klassische Spielmacher aussterben werde. Widersprechen Sie?

Calhanoglu: Nein, warum? Ich bin auch kein klassischer Zehner, eher ein Neuneinhalber. Ausgebildet wurde ich als hängende Spitze, aber ich kann auch gut rechts im Mittelfeld spielen.

Wo und wie haben Sie Ihr instinktives Spiel gelernt?

Calhanoglu: In Mannheim-Wohlgelegen hatten wir einen Fußballkäfig, den haben wir nur Gummiplatz genannt. Dort habe ich jeden Tag mit Kumpels gespielt. Auch in Soccerhallen habe ich gern gekickt. Glücklicherweise soll es davon ja auch einige in Hamburg geben.