Bei der bitteren Pleite in Hannover patzte HSV-Torhüter Adler gleich viermal. Trainer Fink kündigt harte Konsequenzen für die Mannschaft an.

Hannover/Hamburg. Viel dunkler hätte der Himmel über dem Volkspark am Sonntag nicht sein können, als René Adler vormittags als letzter Hamburger von seiner Laufrunde zurückkam. Zehn Minuten nachdem die meisten seiner Kollegen schon längst wieder in der Kabine waren, trottete auch der HSV-Torhüter über den Parkplatz, ließ sich bereitwillig von ein paar Fans fotografieren und gab geduldig Autogramme, ehe er für den Rest des Vormittags in den Katakomben der HSV-Arena verschwand. Nur Stellung beziehen wollte Adler am Sonntag nicht noch einmal - weder zur bitteren 1:5-Pleite gegen Hannover 96 noch zu seinem schlechtesten Spiel für den HSV und auch nicht zu seiner Teilschuld an den ersten vier Gegentoren.

"Keiner war bei uns in Normalform, ich auch nicht", hatte der 28-Jährige noch am Vortag direkt nach dem Debakel in der ausverkauften AWD-Arena selbstkritisch eingeräumt. Es war einer dieser Tage, die man als Torhüter gerne schnell vergisst. Vor dem 0:1 durch Diouf (7. Minute) war Adler zu spät aus dem Tor gekommen, beim 1:2 (39.) hatte er einen unnötigen Strafstoß verursacht, kurz vor der Pause hatte er bei Ya Konans 1:3 (45.) zu weit vor seinem Tor gestanden und beim 1:4 (68.) hatte er eine Rausch-Hereingabe nur abklatschen können. Nur das späte 1:5 durch Abdellaoue (85.), das den aus Hamburger Sicht schwarzen Sonnabend abrundete, brauchte er sich nicht ankreiden zu lassen. "Ich sah bei einigen Situationen nicht gut aus", sagte Adler, der trotz der höchsten Saisonniederlage um Sachlichkeit bemüht war: "Es gibt solche Tage. Man sollte sie ernst nehmen, aber nicht überbewerten."

Ob Adlers Wunsch in Erfüllung geht, werden wohl erst die kommenden Trainingstage zeigen. Denn obwohl der HSV paradoxerweise in nahezu allen Statistiken gegen Hannover vorne lag - 23:13 Torschüsse, 59:41 Prozent Ballbesitz, 54:46 Prozent Zweikämpfe gewonnen, 6:4 Ecken - und das Ergebnis den tatsächlichen Spielverlauf nicht abbildete, war Trainer Thorsten Fink so sauer wie noch nie. "Diese Niederlage kann ich so nicht akzeptieren. Wir haben wie eine A-Jugend-Mannschaft gespielt", sagte der Coach, der sich bereits am Sonntag seine Mannschaft zur Brust nahm und Konsequenzen ankündigte: "Ich erwarte eine Reaktion. Der eine oder andere muss sich Gedanken machen, ob es vielleicht auch an ihm liegt." Erste Sofortmaßnahme: Der traditionell trainingsfreie Montag wurde ersatzlos gestrichen.

Was Fink am meisten ärgerte, war das naive Defensivspiel seiner Mannschaft gegen motivierte Hannoveraner, denen man die begrenzte Regenerationszeit von gerade mal 40,5 Stunden nach ihrem Europa-League-Spiel gegen Anschi Machatschkala nie anmerkte. "Die Abwehrarbeit des ganzen Teams war einfach nur schlecht", sagte der Coach, der nach den Siegen gegen Dortmund und Gladbach und dem geglückten Sprung auf Platz sechs die berechtigte Hoffnung hatte, dass seine Mannschaft schon einen Schritt weiter in der Entwicklung sei. Das dachte wohl auch Rechtsverteidiger Dennis Diekmeier, der drastische Worte wählte: "Am Ende haben wir uns abschlachten lassen." Etwas nüchterner formulierte es Heiko Westermann: "Solche Gegentore dürfen einfach nicht fallen. Wir müssten doch eigentlich einen Schritt weiter sein."

Wie weit die Mannschaft aber tatsächlich ist, lässt sich auch nach zwei Dritteln der Saison noch immer nicht seriös beantworten. Woche für Woche zeigt der HSV ein komplett anderes Gesicht. Selbst beim 1:5 in Hannover wussten die Hamburger offensiv über weite Strecken des Spiels durchaus zu gefallen, in der Defensive wird allerdings immer deutlicher, dass der HSV mittlerweile von der Klasse Adlers abhängig ist. Nur wegen seiner herausragenden Leistungen vor dem Spiel gegen Hannover fiel es bislang fast niemandem auf, dass der HSV ligaweit die meisten Torschüsse des Gegners zulässt. Ein Grund hierfür könnte sein, dass sich außer den beiden Innenverteidigern kein anderer Hamburger für die Abwehrarbeit zuständig fühlt. Besonders der formschwache Milan Badelj, der als einziger Mittelfeldabräumer vor der Viererkette postiert ist, wirkt mit der Organisation im Defensivverbund überfordert. "Es ist natürlich nicht einfach, wenn in der ganzen Mannschaft nur zwei Spieler wirklich defensiv denken", hatte Westermann bereits vor dem Spiel gegen Hannover vor einer allzu offensiven Ausrichtung gewarnt.

"Das Spiel in Hannover zeigt sehr eindrucksvoll, dass wir noch nicht da sind, wo wir so gerne sein wollen", sagte Rafael van der Vaart, der sich nur begrenzt über seinen vorher im Spaß angekündigten dritten Saisontreffer freuen konnte, den er per Foulelfmeter erzielt hatte (13.). Einen direkten Vorwurf an Pechvogel Adler wollten aber weder er noch sonst ein Kollege oder Verantwortlicher formulieren: "Solche Tage passieren doch jedem mal. Aber es ändert nichts daran, dass René unglaublich wichtig für uns ist." Dessen zuvor ungebremster Höhenflug ist und bleibt aber vorerst gestoppt, was nicht weiter schlimm wäre, wenn nicht das Gleiche auch für den ganzen HSV gelten würde.

Statistik

Hannover: Zieler - Chahed, Djourou, Christian Schulz, Pocognoli - Hoffmann, da Silva Pinto - Ya Konan, Huszti (42. Rausch) - Abdellaoue (87. Schlaudraff), Diouf (66. Sobiech).

Trainer: Slomka

Hamburg: Adler - Diekmeier, Westermann, Rajkovic, Jansen - Badelj - Skjelbred (46. Beister), Aogo (75. Jiracek) - van der Vaart (75. Rincon) - Son, Rudnevs.

Trainer: Fink

Schiedsrichter: Knut Kircher (Rottenburg)

Tore: 1:0 Diouf (7.), 1:1 van der Vaart (13., Foulelfmeter), 2:1 Huszti (39., Foulelfmeter), 3:1 Ya Konan (45.), 4:1 Ya Konan (68.), 5:1 Abdellaoue (85.)

Zuschauer: 49.000 (ausverkauft)

Gelbe Karte: Hoffmann (6) -