Rafael van der Vaarts Bilanz vor seinem zweiten HSV-Spiel gegen Frankfurt. Um 18.30 Uhr im Liveticker auf abendblatt.de

Hamburg. Im normalen Leben erscheinen 145 Tage wie ein relativ langer Zeitraum. Vor 145 Tagen, am 16. September 2012, war die Welt noch eine andere. In Niedersachsen regierten CDU und FDP, die A 1 zwischen Hamburg und Bremen war noch eine Baustelle, und Mitt Romney hatte gar nicht mal so schlechte Chancen, mächtigster Mann der Welt zu werden. Die einen hatten Angst vor dem von Mayas prognostizierten Weltuntergang. Andere staunten über Banalitäten wie den dicksten Bizeps der Welt, der es mit 63,5 Zentimeter Umfang ins gerade erst veröffentlichte Guinnessbuch schaffte. All das scheint nun relativ lange her.

Im Fußball sind 145 Tage kein langer Zeitraum, es ist eine halbe Ewigkeit.

Wenn an diesem Sonnabend (18.30 Uhr hier im Liveticker) der HSV gegen Eintracht Frankfurt antritt, erinnert sich wohl kaum jemand daran, dass es im Hinspiel war, als der tagelange Hype um die Verpflichtung Rafael van der Vaarts seinen Höhepunkt erreichte, weil der Niederländer sein Debüt gab. "Ich selbst kann mich natürlich noch bestens an diesen Tag erinnern. Für mich war es ein ganz besonderes Spiel, auch wenn wir verloren haben. Ich hatte regelrecht Gänsehaut", sagt der Rückkehrer dem Abendblatt. Trotz der Euphorie war der HSV damals nach der 2:3-Niederlage in Frankfurt Tabellenvorletzter, hatte keinen einzigen Punkt auf dem Konto und hatte vier Pflichtspiele in Folge verloren. Doch dank van der Vaart hatten Fans und Verantwortliche vor allem eins: endlich wieder Hoffnung.

Genau eine Halbserie später ist es nur recht und billig, eine van-der-vaartsche Zwischenbilanz zu ziehen. Hat der mit 13,5 Millionen Euro teuerste Einkauf der Vereinsgeschichte tatsächlich die hohen Erwartungen erfüllen können? Ist der 29-Jährige der seit Jahren gesuchte Dreh- und Angelpunkt, der den Unterschied zwischen Mittelmaß und Meisterlich macht? "Insgesamt bin ich vor allem mit der Entwicklung der Mannschaft zufrieden. Eine Antwort zu meiner eigenen Leistung ist schwer", sagt van der Vaart selbst.

Die Statistik hat dagegen eine eindeutige Antwort: Jein! Das Abendblatt hatte das Unternehmen "Castrol Edge" gebeten, alle relevanten Van-der-Vaart-Daten zu sammeln und auszuwerten. Die Ergebnisse sind verblüffend. Tatsächlich liegen die persönlichen Werte des Mittelfeldregisseurs weit unter den Erwartungen. Nach seinem fulminanten Start mit fünf Torvorlagen und einem Treffer aus den ersten vier Spielen gelang ihm anschließend nur noch eine Torvorlage in neun Spielen. Im Vergleich zu seiner letzten Hinrunde vor seinem Wechsel zu Real Madrid (siehe Grafik) wirken die Werte fast schon dramatisch. In der ersten Saisonhälfte der Spielzeit 2007/08 schoss er neun Tore (jetzt eins), gab 82 Torschüsse ab (jetzt 22), bereitete 40 Torschüsse vor (jetzt 26) und gewann fast die Hälfte seiner Zweikämpfe (jetzt 38 Prozent). "Natürlich weiß ich, dass ich noch besser spielen kann. Ich werde aber nicht nervös, das Toreschießen wird ganz von alleine wiederkommen", sagt van der Vaart, der sich durch Trainer Thorsten Fink bestätigt fühlen darf: "Rafael braucht Spiele, um topfit zu sein. Er hat seit November nicht mehr regelmäßig trainiert. Ich bin fest davon überzeugt, dass er in bald wieder ein schönes Tor schießen wird."

So sehr die persönlichen Zahlen und Fakten auch enttäuschend klingen mögen, so sehr ist van der Vaarts positiver Einfluss auf die gesamte Mannschaft unstrittig. Mit dem Maestro auf dem Feld schoss der HSV mehr Tore (1,23 statt 1,0), kassierte weniger Gegentore (1,23 statt 1,33) und holte vor allem mehr Punkte (1,62 statt 1,17). Die Mannschaft ist in den vergangenen Monaten gewachsen, die Moral ist beeindruckend. Wie gegen Bremen können wir jetzt auch mal einen Rückstand wiedergutmachen", sagt van der Vaart, der alleine durch seine Präsenz auf dem Feld für mehr Selbstvertrauen bei seinen Mitspielern gesorgt hat.

Am auffälligsten ist der Faktor van der Vaart bei Sturmtalent Heung Min Son zu beobachten. Der Südkoreaner, der zu Saisonbeginn ohne van der Vaart zweimal nach schwachen Leistungen ausgewechselt wurde, wirkte nach dessen Verpflichtung wie von einer Last befreit. Dies ist auch Sons Berater Thies Bliemeister aufgefallen. "Der Schlüssel des HSV-Erfolgs liegt bei van der Vaart", sagt er. Neben Son und Sturmpartner Artjoms Rudnevs profitierten besonders auch Mittelfeldtalent Tolgay Arslan und Innenverteidiger Heiko Westermann von dem neuen Führungsspieler, der die Verantwortung allzu gerne übernahm. Und Verantwortung kann eben nicht durch ein paar Zahlen in einer Statistik nachgewiesen werden.

An diesem Sonnabend schließt sich mit der Partie gegen Frankfurt für van der Vaart also ein Kreis. "Solange wir diesmal gewinnen, ist mir egal, wie mein persönliches Spiel bewertet wird", sagt der Wahl-Eppendorfer. Sein Wunsch: Auch dieser 2. Februar soll wieder ein ganz besonderer Tag werden.

HSV: Adler - Diekmeier, Bruma, Westermann, Jansen - Badelj - Arslan, Aogo - van der Vaart - Son, Rudnevs. Eintracht Frankfurt: Trapp - Jung, Zambrano, Anderson, Oczipka - Schwegler, Rode - Aigner, Meier, Inui - Lakic. Schiedsrichter: Felix Zwayer (Berlin).