Vor den Wahlen zum Aufsichtsrat spricht der frühere Vorsitzende des Kontrollgremiums Udo Bandow über Fehlentwicklungen des Vereins.

Hamburg. Am Dienstag feierte Udo Bandow seinen 81. Geburtstag. Doch trotz der privaten Feierlichkeiten kreisten seine Gedanken um den HSV und die bevorstehende Mitgliederversammlung am Sonntag, bei der vier Aufsichtsratsposten neu zu vergeben sind.

Hamburger Abendblatt: Herr Bandow, wie wichtig ist die Aufsichtsratswahl?

Udo Bandow: Jede Wahl ist wichtig. Von dieser Wahl erwarte ich allerdings nichts Besonderes. Ich gehe davon aus, dass die Faneigenschaft das wichtigste Kriterium sein wird.

Was würden Sie sich wünschen?

Bandow: Der HSV ist ein fester Bestandteil dieser Stadt, deshalb war mein Wunsch immer, dass in diesem Gremium alle Bereiche der Stadt ihren Niederschlag finden, sowohl aus der Wirtschaft, der Politik, Wissenschaft, vor allem auch aus dem Sport. Der erste Aufsichtsrat ab 1996 war entsprechend so zusammengesetzt, er kam damals meinem Idealbild eines Aufsichtsrats nahe.

Bei der Wahl vor vier Jahren machten Sie sich stark für vier Persönlichkeiten aus der Wirtschaft, die aber im neuen Rat alle nicht mehr vertreten sein werden.

Bandow: Diese Entwicklung überrascht mich nicht. Ich sage Ihnen ganz ehrlich, dass diese Persönlichkeiten ebenso wie die restlichen Aufsichtsratsmitglieder nicht die Erwartungen erfüllt haben, die ich in sie gesetzt habe. Jede Periode des Aufsichtsrats ist ja an Zahlen zu messen. Seit 2009 sind wir nicht mehr international vertreten. In den beiden vergangenen Geschäftsjahren haben wir Verlust gemacht, diese Saison wird nicht anders sein. Die Aufwärtsentwicklung, die seit der Gründung des Aufsichtsrats 1996 festzustellen war, ist zum Stillstand gekommen.

Wenn man die sportlichen und finanziellen Ziele verfehlt, hat man Fehler gemacht. Wo setzen Sie an?

Bandow: Ausschlaggebend sind für mich die Entscheidungen rund um die Trennung von Dietmar Beiersdorfer. Erst glaubte man, ohne Sportchef auskommen zu können, dann hat man zu lange gewartet, als man merkte, dass es nicht funktioniert. Dies hat der Aufsichtsrat zu verantworten. Während meiner Amtszeit gab es drei Sportchefs: Bernd Wehmeyer, Holger Hieronymus und Dietmar Beiersdorfer. Alle drei haben erfolgreich für den HSV gespielt, sie kannten den Verein und den deutschen Fußball. Damit ist man, meine ich, ganz gut gefahren. Der jetzige Aufsichtsrat hat anders entschieden, und ich habe sogar Verständnis dafür, dass man glaubte: Zu einer international besetzten Mannschaft passt ein internationaler Manager. Ob das eine richtige Entscheidung war oder nicht, muss die Zukunft zeigen.

Das Image des Aufsichtsrats ist schlecht. Mit Recht Ihrer Meinung nach?

Bandow: Nur zum Teil. Die permanenten kritischen Bemerkungen sind pauschal und wenig differenzierend. Als das Gremium 1996 gegründet wurde, war der HSV faktisch am Ende: keine gute Mannschaft, kein Geld, kein Stadion, keine Perspektiven. Danach folgte in wenigen Jahren ein völliger Umbruch mit dem Stadionneubau und der Sanierung in Ochsenzoll. Da es in dieser Zeit drei Wechsel im Vorstand gab, war die einzige Konstante der Aufsichtsrat, das hat auch Oliver Bierhoff kürzlich in seiner Ansprache während einer Veranstaltung in Hamburg hervorgehoben. Sie dürfen auch nicht vergessen, dass der HSV seit 2000 achtmal international vertreten war. So schlimm kann es also nicht gewesen sein.

Bierhoff ist ein gutes Stichwort. Fehlt nicht einer wie er oder ein Holger Hieronymus im Gremium?

Bandow: Das Fehlen sportlicher Kompetenz ist ein Manko, ich selbst habe mich an einige bekannte HSVer gewandt und sie animiert, sich zur Verfügung zu stellen. Es war aber keiner bereit. Ich hätte hierzu einen Vorschlag.

Bitte sehr.

Bandow: Ich wäre dafür, ein Gremium zu bilden, bestehend aus Aufsichtsrats- und Vorstandsmitgliedern sowie verdienstvollen HSVern, die dann der Mitgliederversammlung einen Vorschlag vor einer Wahl unterbreiten. Natürlich müsste sich kein Mitglied daran gebunden fühlen. Aber ich halte sportliche Kompetenz für sehr wichtig. Während meiner Amtszeit haben Jürgen Werner und Willi Schulz eine entscheidende Rolle gespielt. Werner half beim Aufbau der Mannschaft in den 90er-Jahren mit, Schulz hat mitgewirkt, um in der Krisensaison 2006/07 die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Der neue Aufsichtsrat braucht auch einen neuen Vorsitzenden. Wie sieht Ihr Anforderungsprofil aus?

Bandow: Er sollte Sympathieträger sein, Aushängeschild des Vereins, Kontaktperson zur Wirtschaft und Politik sein, gut vernetzt sein im deutschen Fußball. Das sind hohe Anforderungen, denen auch ich nicht voll gerecht geworden bin. Aber es gibt genug Vereine, die diese Anforderungen erfüllen.

Kontinuität würde auch nicht schaden.

Bandow: Stimmt, nach meinem gesundheitsbedingten Ausscheiden 2007 gibt es in Kürze den vierten Nachfolger; ich fürchte, das ist Bundesliga-Rekord.