Direkt nach dem Hoffenheim-Spiel startet der HSV am Freitag seine 80-Stunden-Reise nach Südamerika – und kassiert dafür 825.000 Euro.

Hamburg. Entmüdungsbecken, Massage, Saunagang - den HSV-Profis stehen in der Regel alle Möglichkeiten offen, sich nach einer aufreibenden Bundesliga-Begegnung bestens zu regenerieren. Doch nach dem Heimspiel gegen die TSG 1899 Hoffenheim am Freitag (20.30 Uhr im Liveticker auf abendblatt.de) ist alles anders. Die Spieler werden nicht einmal Zeit haben, im Falle eines Sieges anständig mit den Fans zu feiern. Denn der Flieger ins brasilianische Porto Alegre wartet schon.

Im September hatten die HSV-Chefs den lukrativen Deal klargemacht: Anlässlich der Einweihung der neuen Grêmio-Arena fliegt der Bundesliga-Dino direkt im Anschluss an die Partie gegen Hoffenheim für ein Freundschaftsspiel nach Südamerika, ist insgesamt 80 Stunden unterwegs. "Der ungewöhnlichen Belastung der Spieler steht ein äußerst attraktiver Preis gegenüber", begründete HSV-Chef Carl Jarchow die Entscheidung für diesen Trip. In der Tat: Der HSV kassiert 825.000 Euro für den Auftritt beim Gegner aus dem einzigen Weltpokalfinale der Klubgeschichte. 1983 gewann Grêmio gegen den Europapokalsieger der Landesmeister und Deutschen Meister mit 2:1 nach Verlängerung.

Doch der Preis, den der HSV unter Umständen dafür zahlen muss, ist eine unausgeruhte Mannschaft beim letzten Spiel vor der Winterpause am Sonnabend darauf gegen Bayer Leverkusen. Trainer Thorsten Fink hat nur wenig Bedenken. "Wir sind Dienstagmorgen wieder in Hamburg, die Zeit zur Vorbereitung ist ausreichend." Der Coach will den Spielern kein Alibi geben, das ist verständlich. Doch die Tour ins rund 11.000 Kilometer Luftlinie entfernte Porto Alegre ist fraglos ein anstrengendes Unterfangen, obwohl der Zeitunterschied aktuell nur drei Stunden beträgt.

Ein nachhaltiger Jetlag ist insofern eher nicht das Problem. Doch der Stress beginnt bereits direkt nach dem Abpfiff am Freitagabend: Gegen 22.20 Uhr müssen die Spieler in die Dusche sprinten, während Fink eine schnelle Pressekonferenz abhält. Der Bus zum Hamburger Flughafen steht abfahrbereit am Stadion. Die beiden Profis, die zur Dopingprobe ausgelost werden, sollten sich sputen - wer das Röhrchen nicht schnell genug füllen kann, muss in Hamburg bleiben. Denn der Flieger, eine private Chartermaschine mit 42 Plätzen, sollte aufgrund des Nachtflugverbots spätestens um 23 Uhr auf die Startbahn rollen. Nach einer Zwischenlandung in Dakar wird die Maschine laut Plan Sonnabendmittag um 12 Uhr in Porto Alegre ankommen. Nur neun Stunden später steht das Freundschaftsspiel gegen den heimischen Fußballklub auf dem Plan.

Für die 1,4 Millionen Einwohner der Hafenstadt ist dies ein Großereignis. Im Rahmenprogramm der Stadioneröffnung singt sogar die kolumbianische Pop-Queen Shakira. Die neue Grêmio-Arena bietet 60.700 Zuschauern Platz, dient während der WM-Endrunde 2014 aber nur als Trainingsstätte. Das Stadion des Lokalrivalen SC Internacional wird derzeit zum WM-Spielort umgebaut.

Fink will alle gesunden Akteure mit auf die Reise nehmen, jeder soll Spielzeit erhalten. Klar ist aber, dass die Stammspieler maximal 45 Minuten zum Einsatz kommen. Schonen soll sich niemand. "Wir müssen die Zweikämpfe vernünftig annehmen. Aus meiner Erfahrung weiß ich, dass man sich viel eher verletzt, wenn man halbherzig zur Sache geht", sagt der Trainer.

Nach dem Spiel wird im Flughafenhotel Deville (vier Sterne) genächtigt, am Sonntag steht eine leichte Trainingseinheit bei 32 bis 35 Grad auf dem Programm. Abends trifft sich das Team mit etwa 30 Fans, die den weiten Weg aus Deutschland auf sich nehmen wollen, zu einem typisch brasilianischen Dinner. Am Montagmittag geht es zurück, geplante Ankunft ist am Dienstag um sieben Uhr morgens deutscher Zeit.

Diese körperliche Belastung für die Spieler gilt es so erträglich wie möglich zu gestalten. Mannschaftsarzt Dr. Philip Catalá-Lehnen verpasst jedem Spieler während des Fluges Thrombose-Strümpfe, sogar Spritzen als Thrombose-Prophylaxe sind denkbar. Zudem sei eine enorme Flüssigkeitszufuhr unabdingbar. "Am besten wäre eine Infusion, doch das ist aus Doping-Gesichtspunkten leider nicht möglich", erklärt der Mediziner. Profis, die aus dem Hoffenheim-Spiel Blessuren davontragen, werden im Flieger behandelt. Die Sitze in dem Privatflugzeug lassen sich fast waagerecht stellen, sodass ein halbwegs komfortabler Schlaf möglich ist. Nach der Landung steht eine Regenerationseinheit auf dem Programm. "Die größte Sorge bereitet der Temperaturunterschied", so Catalá-Lehnen. Vor dem Rückflug werden die Spieler mit Vitaminen und Elektrolyten gestärkt, um Erkältungen vorzubeugen. "Aus medizinischer Sicht ist so ein Trip für Hochleistungssportler sicher nicht optimal, aber auch kein Drama." Torwart René Adler sieht es ähnlich: "Wir werden daran nicht sterben, aber es wird eine Horrorstrapazenreise."

Kapitän Heiko Westermann freut sich zumindest auf das Wiedersehen mit dem ehemaligen HSV-Profi und kommenden Gegner Zé Roberto. Westermann sagt, er sei noch nie in Brasilien gewesen und könne sich im Hinblick auf die WM 2014 schon mal umgucken. Und wenn gegen Hoffenheim gewonnen würde, seien die möglichen Zähler aus dem Spiel in Leverkusen ohnehin "Bonuspunkte". Punkte, die ein optimal vorbereiteter HSV sicherlich eher einfahren würde. Doch der wäre dann auch um knapp eine Million Euro ärmer.