Gegen Schalke sah die Hamburger Mannschaft endlich wieder nach gehobenem Bundesliga-Niveau aus. Da capo in Wolfsburg!

Der Fußball lässt sich nicht mehr neu erfinden. Auch in Hamburg nicht. Obwohl die Nebengeräusche darauf hindeuten, als würde der Ball heute ganz anders rollen als früher. Da wird nicht mehr gemauert, es werden Räume klug zugestellt. Es wird nicht verteidigt, sondern gegen den Ball gearbeitet. Statt tödliche Pässe zu spielen, wird der Ball durch die Schnittstelle gesteckt. Es gibt keine elf Freunde mehr, sondern eine flache Hierarchie. Die beeindruckendste Erfindung neben dem "gläsernen Profi" und dem One-Touch-Fußball ist für mich der zweite Ball. "Wir müssen den zweiten Ball erobern", sagen Trainer und meinen die Kugel, die weit nach vorne befördert, abgewehrt und für den nächsten Anlauf genutzt werden soll. Schöne neue Fußball-Welt.

Sogar in Hamburg haben sie jetzt etwas Neues entdeckt: den alten HSV. Der konnte gegen Schalke 04 nach wochenlangem Dornröschen-Schlaf plötzlich wieder Fußball spielen. Schönen, zweckmäßigen, effizienten und mitreißenden Fußball wie aus dem Lehrbuch. Die meistgestellte Frage lautete anschließend: "Warum nicht immer so?"

Genau darum geht es. Als der HSV vor drei Monaten ganz müde mit einer 0:1-Nummer daheim gegen Nürnberg in die Saison gestartet war, hieß die Prognose prompt: Abstiegskampf. Damals spielten Adler, Diekmeier, Bruma, Mancienne, Aogo, Westermann, Skjelbred, Sala, Jansen, Son, Berg. Eingewechselt wurden Beister, Tesche und Rudnevs. 94 Tage später gegen Schalke standen Adler, Diekmeier, Mancienne, Westermann, Jansen, Badelj, Skjelbred, Aogo, Arslan, Rudnevs und Beister auf dem Platz. Lediglich Badelj und Arslan waren neu in diesem Team.

Warum gab es dann diesen Unterschied wie Tag und Nacht - gerade nach dem fußballerischen Offenbarungseid vor einer Woche in Düsseldorf? Warum zeigte die HSV-Mannschaft, die auf ihre "Stars" van der Vaart, Jiracek und Son verzichten musste, erst am 14. Spieltag Leben? Ich hoffe, es war ihr wahres Gesicht. Gegen den Champions-League-Teilnehmer aus Gelsenkirchen ließ Trainer Thorsten Fink erstmalig mit der Raute (nicht nur auf dem Trikot, sondern aus taktischen Gründen) spielen. Dazu auch erstmals zwei Stürmer. Das fruchtete.

Es kam aber wohl vieles zusammen, damit das Spiel des HSV wieder einmal nach gehobenem Bundesliga-Niveau aussah. Die Taktik, die zwei Stürmer, die Wiedergutmachungs-Gedanken nach der 0:2-Pleite in Düsseldorf und dass mit Rafael van der Vaart der Führungsspieler fehlte, das alles setzte bei den Spielern ganz offenbar Kräfte frei. Jeder war bereit, sich einzubringen. Alle Phrasen wie "Wir wollen unseren Fans etwas bieten" oder "Wir haben in dieser Woche hart für den Sieg gearbeitet" sind belangloser Blödsinn.

Es hat bei diesem neuen HSV offenbar genügt, dass sich ein jeder im Dienst der Mannschaft zerrissen hat und an seine Leistungsgrenze gegangen ist. Ehrlicher Fußball, so hat es einst Otto Rehhagel genannt. Schlecht spielen kann jeder einmal, aber zur Sache gehen geht immer. Laufen, kämpfen, ackern, grätschen und mit Herz spielen - das erhoffen sich die Fans von ihren Lieblingen, dafür geben manche Anhänger ihren letzten Cent. Fußball muss nämlich nicht nur gearbeitet, sondern sollte vor allen Dingen auch mit Freude praktiziert werden. Und wenn sich alle elf Spieler einig sind - so wie am Dienstag -, dann kommt ein so überraschend guter Auftritt wie der des HSV gegen Schalke heraus.

Da capo, HSV, schon am Sonntag in Wolfsburg. Die Schalke-Gala darf keine Eintagsfliege sein.

Die HSV-Kolumne "Matz ab" finden Sie täglich unter www.abendblatt.de/matz-ab