Der HSV-Hoffnungsträger erlitt einen Muskelfaserriss. Gegen Schalke wird Arslan voraussichtlich dessen Rolle übernehmen. Auch Son fehlt.

Hamburg. Das bange Warten dauerte bis in den Abend an. Am Vormittag ließ sich Rafael van der Vaart im HSV-Stadion behandeln, nach der Kernspintomografie wich die erste Diagnose vom Freitag trauriger Gewissheit, als der Klub um 20.45 Uhr das Ergebnis verkündete: Der 29-Jährige erlitt in der ersten Hälfte der Partie bei Fortuna Düsseldorf einen Muskelfaserriss und muss drei Wochen pausieren. Der Niederländer fehlt den Hamburgern somit nicht nur morgen (20 Uhr) gegen Schalke, sondern auch in Wolfsburg (So, 17.30 Uhr), gegen Hoffenheim (Fr, 7.12.) und wahrscheinlich auch in Leverkusen (Sa, 15.12.). Schon direkt nach dem 0:2 hatte van der Vaart ("Die Verletzung schmerzt mehr als die Niederlage") nicht an eine Rückkehr auf den Platz in diesem Jahr geglaubt.

Mit van der Vaart fällt nach Petr Jiracek (Leistenbruch) bereits der zweite Hoffnungsträger längerfristig aus, der nach dem misslungenen Saisonstart (für viel Geld) verpflichtet worden war. Milan Badelj, der genauso erst nach der Saisonvorbereitung zum Team gestoßen war, ist zwar ebenfalls angeschlagen (Knöchelprobleme), der Kroate soll jedoch gegen Schalke 04 spielbereit sein. Allerdings wirkte der Mittelfeldspieler, der mit seinem ehemaligen Klub Dinamo Zagreb früh in die Saison startete, in Düsseldorf überspielt, mental nicht mehr frisch. So ist von der zwischenzeitlichen Euphorie, die vor allem mit der Verpflichtung von van der Vaart einherging, nicht mehr viel übrig geblieben. Gehe zurück auf Los, heißt es für den HSV im übertragenen Sinne, was für den weiteren Verlauf der Hinrunde wenig Hoffnung macht. Zumal auch der sechsfache Torschütze Heung Min Son wegen einer Zerrung gegen Schalke ausfällt, wie ebenfalls am Sonntagabend bekannt wurde.

Der Wert van der Vaarts für den HSV bestand in den vergangenen Spielen nicht alleine aus seinen Impulsen für das Spiel, schließlich ließ die Qualität der Offensive trotz seines Mitwirkens häufig zu wünschen übrig. Aber alleine seine Präsenz strahlte auf die Mitspieler ab. Wie sehr der Techniker in den folgenden Spielen fehlen wird, zeigte sich nach seiner Verletzung in Düsseldorf, als Thorsten Finks Team den nötigen Mut und Entschlossenheit vermissen ließ - was Sportchef Frank Arnesen so sauer werden ließ, dass er ungewohnt drastische Worte wählte. "Das war keine Mentalität, kein Ehrgeiz, keine Konzentration. Nix! Für mich ein unfassbarer Auftritt, so ein Spiel kannst du nicht verlieren. So hätten wir nicht mal gegen eine Straßenmannschaft gewonnen. Mit 80 Prozent oder weniger kannst du nicht nach oben kommen."

Auch Fink vermutete hinter der Minusleistung seiner Spieler einen Schuss Überheblichkeit: "Vielleicht haben wir wieder gedacht, wir wären schon wer, aber wir haben gesehen, dass wir noch keiner sind." Und weiter: "Wir haben viel zu pomadig gespielt. Man muss aber kämpfen, um es in der Bundesliga unter die Top zehn zu schaffen." Gegen Schalke wird voraussichtlich Tolgay Arslan die Van-der-Vaart-Rolle übernehmen. Nur ein schwacher Trost: Immerhin ist das offensive Mittelfeld die Lieblingsposition des zuletzt formstarken deutschen U21-Nationalspielers.

Doch auch Arslan gibt zu: "Rafael ist unser Schlüsselspieler. Nicht nur wir, auch die Gegner spüren seine Ausstrahlung, sein Selbstvertrauen." Was dem 22-Jährigen besonders aufgefallen ist im Zusammenspiel mit van der Vaart: "Seine Geduld, seine Ruhe am Ball. Vorne kann er den tödlichen Pass spielen, wenn er sich nach hinten fallen lässt, wählt er eher den einfachen Pass. Ich konnte mir schon einiges abschauen."

Für Arslan dürfte Tomas Rincon ins defensive Mittelfeld neben Milan Badelj rücken. Doch auch der Venezolaner ist nicht topfit, spielt wegen eines Risses der Beugesehne im rechten Ringfinger mit einer Schiene. Nach der Partie ist ein operativer Eingriff nötig.. Arslan hofft trotz der vielen Hiobsbotschaften: "Rafael ist nicht der einzige Führungsspieler in der Mannschaft, wir alle sind jetzt gefordert, mehr Verantwortung zu übernehmen. Auch wir jungen Spieler konnten zuletzt viele Erfahrungen sammeln." In jedem Fall muss gegen Schalke eine Serie zu Ende gehen, will der HSV nicht ohne Punkt bleiben: Nur wenn van der Vaart in der Hinrunde auf dem Platz stand, gelang den Hamburgern ein Treffer.

Bei allem Wehklagen des HSV über das lange Fehlen van der Vaarts: Angesichts seiner Verletzungshistorie musste fast damit gerechnet werden, dass der Ballkünstler keine komplette Saison durchsteht. Zwar kam van der Vaart in den vergangenen vier Jahren bei Real Madrid und Tottenham Hotspurs regelmäßig zum Einsatz und auf die sehr ordentliche Zahl von insgesamt 119 Ligaspielen, doch die Strapazen schlugen sich auch in regelmäßigen Abständen in muskulären Blessuren nieder. Seine Krankenakte: Muskelfaserriss im Oktober 2007, Zerrung im Dezember 2008, Wadenprobleme im Januar 2010, Muskelfaserriss im April 2010, Wadenprobleme im Februar 2011, Muskelfaserriss im August 2011. Dazu kamen zwei Knöchelverletzungen (Oktober 2007, Februar 2012). Zuletzt plagten ihn Adduktorenbeschwerden, in Düsseldorf folgte nun eine weitere Muskelverletzung. Dass diese Serie mit zunehmendem Alter abreißt, ist unwahrscheinlich.

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