1997 wurden die HSV-Profis nach dem 1:1 im Auswärtsspiel bei Fortuna Düsseldorf von ihren eigenen Fans attackiert.

Hamburg. Der 31. Mai 1997 war ein Tag zum Sonnenbaden. Nur 11 000 Zuschauer verloren sich im alten Düsseldorfer Rheinstadion, was aber eher der sportlichen Bedeutungslosigkeit der Partie geschuldet war denn der Hitze. Die Fortuna stand durch ein 0:1 in Bremen am 33. Spieltag vorzeitig als direkter Absteiger fest, während der HSV dank eines sensationellen 2:1 gegen Champions-League-Finalist Dortmund die Klasse gesichert hatte. 1:1 endete die Partie, was unspektakulär klingt. Doch wenn am Freitag nach 15 Jahren Pause das nächste Bundesligaduell der beiden Teams folgt, kann es wohl kaum so tumultartig werden wie 1997.

"Das Spiel war grottenschlecht, da hat Not gegen Elend gespielt", erinnert sich Ralf Schehr. Der damalige Übergangstrainer hatte das Team für die letzten beiden Spieltage von Felix Magath übernommen, der nach einem 0:4 gegen Köln von Präsident Uwe Seeler entlassen worden war. "Zeigt, dass ihr Profis seid!", hatte Schehr seine Spieler aufgefordert, doch schon vor dem Anpfiff beschlich ihn das Gefühl, dass keine Höchstleistungen folgen würden. "Ich bin mir nicht sicher, ob alle Spieler über Nacht im Hotel waren", umschreibt Schehr seine These, dass ein Teil der Mannschaft die Vorbereitung vom Mannschaftsquartier Gut Hohne in die Düsseldorfer Altstadt verlegte.

Dabei galt es, eine missratene Saison wenigstens ordentlich zu beenden. Mit 20 000 Mark aus der Mannschaftskasse sponserten die HSV-Profis einen Sonderzug für die Fahrt der enttäuschten Anhänger, als Geste der Wiedergutmachung. 2000 Fans traten die Reise an, aber nicht alle wollten gute Laune verbreiten. Bereits während des Spiels drohte in der Kurve eine Massenschlägerei zwischen rivalisierenden Fangruppen, die Polizei musste in den Block eindringen, als Puffer wirken.

Nach dem frühen Führungstor durch Uwe Jähnig (2.) sorgte Igor Dobrowolski (22.) für den Ausgleich, doch die eigentlichen "Höhepunkte" folgten erst nach dem Abpfiff. "Wir gingen Richtung Kurve, um uns von den Fans zu verabschieden, und auf einmal flogen Wasserbomben in unsere Richtung, das war natürlich nicht so prickelnd", erinnert sich Ex-Torjäger Dirk "Horst-Uwe" Weetendorf, eine Woche zuvor beim Sieg über Dortmund noch der gefeierte Doppeltorschütze. Die vielen mit Wasser gefüllten Luftballons waren ein feuchter Abschiedsgruß der Fans nach einer Saison voller Frusterlebnisse wie dem 2:2 im Derby gegen den FC St. Pauli. Dazu hielten einige Fans ein riesiges Plakat hoch: "Danke für nichts." Schon während des Spiels hatte es Schmähgesänge gegeben wie "Außer Hermann Rieger alle raus". "Es war eine insgesamt schwierige Zeit im Verein", verweist Weetendorf auf die Rücktritte der Vizepräsidenten Jürgen Engel (Ostimmobilien) und Volker Lange.

Weetendorf, der heute in Lübeck bei Lasch & Lift, einer Firma für Hebe- und Zurrtechnik, arbeitet, verabschiedete sich zügig mit seinen Kollegen Richtung Kabine, doch selbst dort ebbte die Alarmstimmung nicht ab: "Wir bekamen mit, dass ein Teil der Fans anrückte, wir waren schon etwas in Sorge", schildert Schehr, der heute für die Fußballschule des HSV aktiv ist, die angespannte Stimmung. Erst als Polizisten den überforderten Ordnungsdienst unterstützten, konnte verhindert werden, dass einige offenbar gewaltbereite Fans bis zur Kabine vorstießen.

Nur Schehr, der schon wusste, dass es für ihn beim HSV nicht weitergehen würde, ließ sich seinen Humor nicht nehmen: "Ich bin der einzige Bundesligatrainer, der in dieser Saison ungeschlagen blieb", witzelte er während der Pressekonferenz. Doch für die Spieler war das Ende der Fandemonstrationen noch nicht erreicht. "Als wir schließlich mit dem Bus losfahren wollten, haben uns einige Fans den Weg versperrt", sagt Weetendorf, der damals erst sein drittes Erstligaspiel bestritt.

Für etliche HSV-Spieler bedeutete die Partie in Düsseldorf eine Zäsur in ihrer Karriere. Torschütze Jähnig bestritt danach nie wieder ein Profispiel, er musste seine Laufbahn verletzungsbedingt beenden und arbeitet heute als Scout für die Spieleragentur Eurosportsmanagement. Auch Valdas Ivanauskas verließ den HSV Richtung Salzburg, spielte nie mehr in der Bundesliga. Richard Golz wiederum, zehn Jahre lang die Nummer eins in Hamburg, verlor unter Trainer Frank Pagelsdorf seinen Stammplatz an Jörg Butt. Richtig durchstarten nach dem Düsseldorf-Erlebnis konnten im HSV-Kader nur Hasan Salihamidzic (Bayern, Juventus) und Sven Kmetsch (Schalke).

Viele Parallelen zum morgigen 45. Bundesligaduell gibt es nicht. Das neue Stadion heißt Esprit-Arena, die bunten Sitze werden besser besetzt sein als 1997, Wasserbomben wirft auch niemand mehr. Aber doch, eine Dublette gibt es: Die Fortuna musste - wie 1997 vor dem Spiel gegen den HSV - am vergangenen Wochenende bei Werder Bremen antreten und verlor wie damals (1:2). Ein bisschen Geschichte wiederholt sich eben doch.

HSV-Startelf 1997 in Düsseldorf: Golz (heute Co-Trainer U23 des HSV), Wittfot (Sportlicher Leiter FC Schönberg), M. Rose (Versicherungsmakler), Fischer (Klimaanlagenmeister), Schopp (Trainer Sturm Graz II), Kmetsch (Co-Trainer FSV Frankfurt), Breitenreiter (Trainer TSV Havelse), Salihamidzic (Karriereende), Jähnig (Scout), Ivanauskas (letzte Trainerstation Sumqayit [Aserbaidschan]), Weetendorf (Angestellter Hebetechnik).