Kaum ein Neuzugang hat sich beim HSV derart schnell unentbehrlich gemacht wie Milan Badelj. Ex-Trainer Slaven Bilic weiß, warum.

Hamburg. An das erste Mal kann sich Slaven Bilic nur noch schwammig erinnern. "Ich meine, dass ich Milan zum ersten Mal im Stadion vor vier Jahren bei einem Derby zwischen Dinamo Zagreb und Hajduk Split gesehen habe", sagt Kroatiens damaliger Nationaltrainer im Gespräch mit dem Abendblatt, nur an ein Detail könne sich Bilic noch ganz genau erinnern: "Ich weiß noch, dass ich mir sicher war: Dieser schmale Bursche hatte das Zeug dazu, ein echter Weltstar zu werden. Der Junge ist nicht der Schnellste. Aber er ist der Schnellste im Kopf, er kann drei bis vier Pässe vorausahnen."

Er, der schmale Bursche von damals, heißt Milan Badelj, ist mittlerweile 23 Jahre alt und sitzt an diesem herrlichen Herbsttag im Stadionrestaurant Die Raute. "Bilic hat recht", sagt er in fließendem Englisch, "ich weiß, dass ich kein Sprinter bin. Aber genau deswegen war mir immer wichtig, dass ich das auf dem Platz irgendwie kompensiere." Und irgendwie, so muss das Fazit nach sechs Spielen beim HSV lauten, hat er es geschafft: Als defensiver Mittelfeldmann war Badelj an 14 Torschüssen beteiligt, 78,5 Prozent seiner Pässe und 100 (!) Prozent seiner Flanken sind angekommen. Und er kann auf die Zähne beißen: Derzeit quält den Edeltechniker ein Bänderanriss im rechten Knöchel, spielen will er gegen den VfB Stuttgart am Sonntag (17.30 Uhr) trotzdem. "Mit ein oder zwei Schmerztabletten wird es schon gehen", sagt der Kroate, der gemeinsam mit Rafael van der Vaart maßgeblich für die Leitlinie des Hamburger Spiels verantwortlich ist. Badelj kann eine Partie schnell oder langsam machen, er verteilt die Bälle, setzt seine Mitspieler ein.

"Milan hat eine tolle Übersicht, er kann großartige Pässe spielen und frühzeitig erahnen", lobt Hamburgs Technischer Direktor Lee Congerton, der Badeljs Entwicklung bereits seit Jahren intensiv verfolgt. Congerton ist nicht nur regelmäßig nach Zagreb gereist, um sich live einen Eindruck von Badeljs Entwicklung zu machen. Der Waliser hat sich auch in Badeljs Umfeld umgehört. Und was Congerton da zu hören bekam, hat ihn in seiner Meinung nur noch bestätigt: "Milans Entwicklung ist noch lange nicht beendet. Es schlummert noch großes Talent in ihm."

Aufgewachsen ist Badelj in Gajnice, einer Wohngegend im Westen von Zagreb. "Als Kind habe ich mit meinen Freunden immer auf so einem kleinen Betonplatz in der Nähe unserer Wohnung Fußball gespielt", erinnert sich der Kroate, der mit fünf Jahren beim Bezirksverein Ponikve anfing, aber auch weiterhin jede freie Minute auf dem kleinen Betonplatz zu finden war. "Milan hat eine unorthodoxe Art und Weise, die man nicht im Verein lernt", sagt Bilic, "er ist ein sehr intelligenter Spieler mit einer überragenden Technik."

Badeljs Talent hatte sich in Zagreb schnell herumgesprochen. Mit 13 Jahren wechselte der Youngster zum Ausbildungsverein NK Zagreb, drei Jahre später sicherte sich Rekordmeister Dinamo die Dienste des Jugendnationalspielers. Dort sollte "der Diamant von Zagreb", wie Badelj von kroatischen Medien getauft wurde, als gerade mal 19-Jähriger den für 21 Millionen Euro zu Tottenham Hotspur verkauften Luka Modric ersetzen. "Schon zu dieser Zeit haben ihn eine ganze Reihe von europäischen Topklubs beobachtet, darunter auch Chelsea", sagt Congerton.

Doch Badelj widerstand mehrere Jahre lang den lukrativen Lockrufen aus dem Ausland - bis er sich in diesem Sommer dann doch dafür entschied, ein neues Kapitel zu wagen. Als erneut Congerton und HSV-Sportchef Frank Arnesen, der sich zuvor am Telefon bei Modric über dessen Nachfolger erkundigte, bei ihm anfragten, sagte er zu. "Milan hätte zu vielen internationalen Topklubs gehen können. Er war aber sehr motiviert für das Projekt HSV, deswegen waren wir auch so begeistert von seiner Einstellung", sagt Congerton.

Ärger gab es um den Vier-Millionen-Euro-Transfer aber trotzdem. Weil Arnesen den serbischen Spielervermittler Dejan Mitrovic einschaltete, um Badelj möglichst schon Anfang August nach Hamburg zu lotsen, behauptete Badeljs Berater Dejan Joksimovic via "Sport Bild", dass der HSV zu viel Ablöse bezahlt habe. "Ich habe von dem Ärger gehört, die Aufregung aber ehrlich gesagt gar nicht so richtig verstanden", sagt Badelj, der von sich aus darauf beharrte, die Qualifikation zur Champions League mit Dinamo zu Ende zu spielen: "Ich hatte dem Verein viel zu verdanken, da wollte ich mich nicht frühzeitig mit leeren Händen verabschieden." Da Badelj also bis zum 31. August in Zagreb blieb, bekam Mitrovic auch nicht die avisierte Sonderzahlung.

"Unabhängig von all dem Ärger wird der HSV noch viel Freude an Badelj haben", sagt Bilic, "Milan ist ein Spieler, den man als Zuschauer im Stadion nicht so schnell vergisst."