Der lettische HSV-Stürmer scheint doch mehr Eingewöhnungszeit zu brauchen als zunächst gedacht. Heimweh könnte eine Erklärung sein.

Hamburg. Nicht mal zehn Minuten reichen aus, um aufkommende Zweifel an HSV-Torjäger Artjoms Rudnevs zumindest für den Moment zu beseitigen. Exakt sieben Minuten und 29 Sekunden dauert der Rudnevs-Clip beim Onlineportal YouTube, den 62 428 Interessierte bereits angeklickt haben. Das "All goals"-Video ist eine multimediale Sammlung von Rudnevs' besten Szenen, die den Schluss nach sich ziehen, dass Hamburgs neuer Stürmer sehr wohl weiß, wo das gegnerische Tor zu finden ist. Zumindest in der interaktiven Welt des Internets.

In der ganz realen Welt wird Rudnevs wohl etwas länger als siebeneinhalb Minuten brauchen, um Hamburgs Fans und Verantwortliche restlos von seinen Qualitäten zu überzeugen. Der lettische Stürmer, der als Nachfolger von Mladen Petric für 3,5 Millionen Euro von Lech Posen verpflichtet wurde, scheint auch fünf Wochen nach dem Trainingsstart noch immer nicht so richtig in Hamburg angekommen zu sein - weder auf dem Platz noch abseits desselben. "Ich fühle mich hier noch nicht zu Hause", gibt Rudnevs zu. Er wohne noch immer im Elysée-Hotel, möchte aber lieber heute als morgen in die eigenen vier Wände ziehen. Eine Wohnung in Stadionnähe ist zwar schon gefunden, der Einzug soll aber erst in den nächsten Tagen folgen.

"Artjoms braucht eine gewisse Eingewöhnungszeit, um auch auf dem Feld richtig gute Leistungen zu zeigen", sagt Rudnevs' Berater David Pantak, der gerade in Hamburg bei seinem Mandanten zu Besuch ist. Sobald Rudnevs ein Appartement bezogen hat, so Pantak, wird dessen Familie nach Hamburg nachkommen: "Artjoms ist ein richtiger Familienmensch, dem seine Frau und seine Tochter über alles wichtig sind." Sorgen müsse man sich um den HSV-Stürmer aber keine machen. "Für den Anfang fühlt er sich schon wohl. Das wird man auch früher oder später auf dem Platz sehen", sagt Pantak.

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Auch HSV-Trainer Thorsten Fink will seinen teuersten Neuzugang nicht unnötig unter Druck setzen. Obwohl Rudnevs in den bisherigen Testspielen noch nicht überzeugen konnte, lässt Fink keine Möglichkeit aus, den Angreifer öffentlich zu loben: "Artjoms arbeitet viel, er ist ein echter Fighter." Rudnevs habe sich auch gegen Dortmund (0:1) und Bayern (0:1) beim Liga total Cup seine Chancen erarbeitet, deswegen sei er durchaus zufrieden. "Ich bin mir sicher, dass er mehrmals hintereinander treffen wird, sobald er das erste Mal getroffen hat", sagt Fink, der Rudnevs' Konkurrenten Marcus Berg trotz der Eloge im internen Stürmerranking aber höher einzuschätzen scheint.

Rudnevs selbst will nur ungern über den Konkurrenzkampf um den einzigen Platz im Angriff sprechen. "Für mich ist Marcus gar kein Konkurrent", sagt der 24-Jährige, "für mich ist er ein Kollege und ein Freund." Tatsächlich scheinen die beiden introvertierten Fußballer abseits des Platzes auf einer Wellenlänge zu liegen. Besonders in den vier Tagen in Schwedens Wäldern sollen sich die beiden verbliebenen Angreifer, die in dieser Saison Petric und Paolo Guerrero beerben müssen, bestens verstanden haben. "Artjoms war unser Dschungelkönig", sagt Fink, der überrascht war von Rudnevs' praktischen Fähigkeiten in der Wildnis.

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Seine fußballerischen Qualitäten muss der Nationalspieler, der in der vergangenen Saison auch von Meister Borussia Dortmund gesichtet wurde, allerdings erst noch unter Beweis stellen. "Ich wusste, dass es sehr schwer für mich in Hamburg werden würde", sagt Rudnevs, der in den bisherigen Testspielen lediglich vier Treffer gegen die unterklassigen Gegner einer Zillertal-Auswahl, der zweiten Mannschaft von Suwon und Oberligaklub Eintracht Norderstedt erzielen konnte. An den eigenen Durchbruch glaubt Rudnevs trotzdem unbeirrt weiter. "Ich bin in die Bundesliga gewechselt, um mich jedes Wochenende mit tollen Stürmern wie Lewandowski oder Mandzukic zu messen", sagt er, "ich will beim HSV einen wichtigen Schritt in meiner Karriere machen."

Dass dieser Schritt nur gelingen kann, wenn er etwas besser die deutsche Sprache beherrscht, ist dem Letten klar. Auf dem Platz, so Rudnevs, habe er in den Testspielen natürlich gemerkt, dass seine Mitspieler ihn noch nicht immer verstehen. Der Wahl-Hamburger spricht weder Deutsch noch fließend Englisch - und auch Tore, die Sprache, die er bislang am besten beherrschte, muss er in Deutschland offenbar neu erlernen. "Natürlich ist hier alles ein wenig anders als in Posen, aber das wird mich nicht abschrecken", sagt Rudnevs, der aber keine konkrete Anzahl von Toren nennen möchte, die er in der kommenden Saison erzielen will. Sollte am Ende der Spielzeit genügend Material für ein neues YouTube-Video zusammenkommen, dürften sämtliche Zweifel ein für allemal beseitigt sein.