In den nächsten Tagen werden Sie als 27. Trainer der HSV-Bundesliga-Geschichte vorgestellt. Ihr neuer Chef Bernd Hoffmann wird Sie als Hoffnungsträger preisen, Sie selbst werden über Ihren Stolz sprechen, dass Sie für einen traditionsreichen Klub arbeiten dürfen.

Ihr erster Gang sollte Sie ins HSV-Museum führen. Atmen Sie den Geist von 122 Jahren HSV. Unser Tipp: Gucken Sie sich die Jahreszahlen auf den Trophäen genau an. Dann werden Sie erkennen, dass Ihr neuer Arbeitgeber nunmehr 22 Jahre auf einen Titelgewinn wartet.

Ihrem halbwüchsigen Sohn würden wir es so erklären: Stell dir vor, du kämpfst über zwei Jahrzehnte um deine Traumfrau. Immer wieder bist du ganz kurz vor der Nacht der Nächte. Doch unmittelbar vorm Höhepunkt kommt immer wieder was dazwischen - mitunter sogar eine schnöde Papierkugel. 22 Jahre Vorspiel - und dann doch nur Flaute statt Raute. Wir sind sicher, Ihr Sohn wird das Trauma der HSV-Fans verstehen.

Daraus leitet sich Ihr einziger Auftrag ab: einen Titel holen, das Trauma besiegen! Eine Saison lässt man Ihnen vielleicht Zeit. Aber dann sollten Sie sich zumindest in der Nähe eines Potts bewegen. Sonst, ja sonst, wäre es wohl besser gewesen, wenn Sie sich für eine Mietwohnung mit möglichst kurzer Kündigungsfrist entschieden hätten.

Als Museumsführer sollten Sie Uwe Seeler engagieren. Keiner kennt sich beim HSV besser aus. Er wird Ihnen auch gleich das "Du" unter Sportkameraden anbieten. Aber lassen Sie sich nicht täuschen. "Uns Uwe" kann böse werden, sogar richtig böse, wenn es mit seinem HSV den Bach runtergehen sollte. Dann wird er über die Söldnermentalität grollen: "Das ist nicht mehr mein Verein." Sie sollten wissen: Seeler-Schelte tut mindestens so weh wie kaiserliches Donnergrollen jenseits des Weißwurst-Äquators bei den Beckenbauer-Bayern.

Lassen Sie uns abschließend noch über ein hässliches Thema reden: Geld. Okay, Ihr Vertrag wird schon in Ordnung sein, da lässt sich der HSV nicht lumpen. Aber erwarten Sie bitte auf dem Spielermarkt keine Shopping-Tour auf Champions-League-Niveau. Maximal 18 Millionen Euro werden Sie mit Sportchef Dietmar Beiersdorfer (Sie dürfen Didi zu ihm sagen) ausgeben können. Bitte, bitte, verbrennen Sie das schöne Geld nicht wie Ihr Vorgänger für einen Neves oder einen Silva. Aber natürlich wünschen wir Ihnen erst mal Glück. Besiegen Sie das Titel-Trauma. Dann werden auch wir Sie feiern. Versprochen. Herzlichst -

Peter Wenig, Abendblatt-Sportchef