HSV-Aufsichtsrat Jürgen Hunke nennt im Interview mit dem Hamburger Abendblatt Gründe, warum er die Entwicklung im Verein bedauert.

Hamburg. Zwei Tage nach der denkwürdigen Sitzung des Aufsichtsrats, bei der Bernd Hoffmann mit 7:5 Stimmen die Zweidrittelmehrheit um eine Stimme verfehlt hat, empfängt Jürgen Hunke das Abendblatt in seinem Mikado-Haus im Mittelweg. Auf dem Tisch liegen Ausdrucke von E-Mails, in denen er beschimpft und bedroht wird. Von "dunklen Gassen" ist die Rede, in denen ihm aufgelauert werden soll. Nicht besser ergeht es Manfred Ertel und besonders Marek Erhardt, der telefonisch sogar zwei Morddrohungen gegen sich und seine Familie erhalten hat. Jetzt spricht erstmals einer der Räte, die gegen Hoffmann gestimmt haben, über die Hintergründe der jüngsten Entwicklung, die Hunke bedauert: "Ich bin traurig, dass wir jetzt mit dieser Hypothek leben müssen."

Abendblatt: Herr Hunke, nach dem angekündigten Abschied von Bernd Hoffmann scheint die Lage rund um den HSV zu eskalieren. Nach den Bedrohungen ist die Rede von Rücktritten. Wie sehr belastet Sie die Situation?

Jürgen Hunke: Es wird immer unterschiedliche Auffassungen geben in einem Verein. Aber dass wir jetzt in eine Ebene mit massiven Bedrohungen gegen Aufsichtsräte kommen, hatten wir so extrem noch nie. Da müssen wir aufpassen. Das Schlimme ist, dass sogar in den HSV-Foren Führungskräfte, damit meine ich auch Bernd Hoffmann, denunziert werden.

Bisher gab es keine offiziellen Statements. Warum haben Sie gegen eine vorzeitige Vertragsverlängerung mit Bernd Hoffmann und Katja Kraus gestimmt?

Hunke: Ich möchte vorab etwas sagen. Ich werde in diesem Gespräch nur das richtigstellen, was falsch berichtet worden ist, aber keine zusätzlichen Details nennen. Man wird auch älter und ruhiger. Ich habe ein bisschen Kreide gefressen.

Direkt waren Sie aber doch immer, auch bei der Mitgliederversammlung im Januar.

Hunke: Richtig. Dort habe ich sehr deutlich gemacht, dass ich antrete, weil es mir am Herzen liegt, den Verein zu vereinen. Ich bin mit Horst Becker am längsten dabei. Und ich lege Wert darauf, dass ich in meiner Rede gesagt habe, dass es für mich wichtig ist, dass sich der Verein neu aufstellt und ich weder für noch gegen Hoffmann kandidiere. Wir müssen es gemeinsam schaffen, die unterschiedlichen Gruppen auf ein gemeinsames Ziel des HSV festzulegen. Nur daraus wächst irgendwann auch sportlicher und finanzieller Erfolg.

Indirekt war Ihre Rede aber doch klar gegen Hoffmann gerichtet.

Hunke: Erinnern Sie sich bitte an die Kritik, die ich geäußert habe. Ich bin Traditionalist, Fußball besteht für mich aus Leidenschaft, aus Begeisterung, Charakter. Ich weiß, das klingt jetzt ein wenig nach "Opa erzählt von früher". Aber ich bin fest davon überzeugt, dass ich damit recht bekomme. Tradition ist das Wesentliche, dazu gehört eine gewisse Fairness und Offenheit. Und ich bin dagegen, dass man einen Verein wie eine Finanzholding führt oder wie eine Bank. Wir sind ein Verein, also hätten wir schon früher nur einen Geschäftsführer gebraucht. Wichtig ist vor allem, dass man zusammensteht, das sieht man am Beispiel Hannover. Insofern bin ich wirklich traurig, dass wir jetzt mit dieser Hypothek leben müssen.

Sie meinen die Abstimmung. Aber hat diese Entscheidung gegen Hoffmann nicht deutlich gezeigt, dass es jetzt zwei Lager gibt?

Hunke: Nein. Richtig ist: Als ich in den Aufsichtsrat kam, habe ich in den ersten Diskussionen gesehen, dass meine Vorbehalte von einer breiten Mehrheit getragen werden und man sich neu aufstellen muss. Schließlich hatte schon seit August ein Kreis mit einem Personalberater nach Nachfolgern für den Vorsitz gesucht.

Ende der Woche sickerte durch, dass Björn Gulden von der Firma Deichmann der Favorit ist.

Hunke: Gulden säße ja schon auf dem Posten des Vorsitzenden, wenn er gekonnt hätte. Damit hatten wir fünf ja gar nichts zu tun. Es werden die fünf Falschen geprügelt. Das tut mir weh, besonders für meine Kollegen.

Warum hat der Aufsichtsrat am Sonntag überhaupt abgestimmt?

Hunke: Wenn geschrieben wurde, dass wir eine Abstimmung gewollt hätten, stimmt das nicht. Wir wollten keine Abstimmung! Wir wollten die Abstimmung Ende März, wenn die beiden Nachfolger gefunden gewesen wären. Darauf hatten wir uns verständigt, weil wir Einigkeit wollten. Gegen eine Verlängerung haben wir ja nur deshalb gestimmt, weil wir uns nicht unter Druck setzen lassen wollten. Dabei hatten wir doch Alternativen, wie zum Beispiel mit Joachim Hilke als Marketingchef.

Warum hat man weder Bernd Hoffmann noch Katja Kraus ein inhaltliches Konzept vorstellen lassen?

Hunke: Er galt ja nicht mehr als Kandidat. Man sollte ja erst suchen und dann den Beschluss fassen. Dann muss man keine Show machen und ihn noch große Präsentationen machen lassen, das wäre unfair gewesen. Durch die Veröffentlichungen im Abendblatt vergangene Woche ist es doch erst zu der Sitzung am Sonntag gekommen. Bernd Hoffmann wusste Bescheid. Wir haben damit nichts zu tun.

Guldens Arbeitgeber Deichmann ließ am Dienstag eine Erklärung verbreiten, dass für Herrn Gulden ein Wechsel zum HSV nicht zur Debatte steht. Ist das Thema damit erledigt?

Hunke: Keine Ahnung, ich kenne Gulden ja gar nicht, ich hätte ihn gerne mal kennengelernt. Ich hätte ihn auch gewählt. Sehen Sie, bei so einer Pattsituation wie der jetzigen hätte man es sich doch ganz einfach machen können: Die einen wählen den Vorsitzenden, wir den Marketingmann, wie auch immer.

Kann Hoffmann jetzt noch bis Ende des Jahres im Amt bleiben?

Hunke: Wir sollten eine saubere Lösung anstreben. Wir haben weiter die Chance, einen tollen Vorstand zu bestellen. Der Oliver Scheel ist ein Guter, Frank Arnesen sowieso, Joachim Hilke wäre fürs Marketing wunderbar und könnte uns in eine neue Zeit nach Sportfive führen, indem wir das selbst machen und viel Geld sparen. Und wir brauchen einen ordentlichen Vorsitzenden, der repräsentiert, der motiviert und begeistert. Vor allem muss er ehrlich sein. Man muss ehrlich sein, ob in der Politik oder im Sport. Das sieht man am Fall Guttenberg. Und wir müssen in Zukunft besser vernetzt sein, ob beim Deutschen Fußball-Bund oder bei der Deutschen Fußball-Liga. Wir brauchen dringend Veränderungen innerhalb des Vereins.