Die Personalie ist angesichts des jüngsten sportlichen Höhenflugs öffentlich etwas in den Hintergrund gerückt. Dabei ist die Verpflichtung eines neuen Sportchefs als Nachfolger von Dietmar Beiersdorfer sozusagen der Königstransfer dieser Saison.

Hamburg. Vereinsintern schlagen die bisherigen Vorgänge allerdings immer höhere Wellen - besonders im Aufsichtsrat.

Der zeitliche Ablauf sieht ein baldiges Ende der Suche vor. Bereits am Donnerstag soll Roman Grill, der klare Favorit für den Posten, vor dem Europa-League-Rückspiel gegen Guingamp weitere Gespräche in Hamburg führen. Am Sonntag, so die Terminplanung der Kontrolleure, wird der Spielerberater dann sein Konzept vor dem gesamten Gremium präsentieren. Anfang der kommenden Woche könnte dann die offizielle Entscheidung pro Grill, der sich längst auch mit Trainer Bruno Labbadia ausgetauscht hat, fallen.

Der 39-Jährige ist nicht nur die Wunschlösung des vierköpfigen Personalausschusses im Aufsichtsrats, sondern auch der Vorstände Bernd Hoffmann und Katja Kraus. Da ein Kandidat acht von zwölf Stimmen auf sich vereinigen muss, bräuchte die klubeigene Lösung Bernd Wehmeyer die Zustimmung aller Räte, die nicht im Personalausschuss vertreten sind - und das gilt als so gut wie ausgeschlossen.

Nachdem aber der ehemalige und immer noch einflussreiche Aufsichtsratsvorsitzende Udo Bandow - er half mit, die vier "Wirtschafts-Waisen" in den Aufsichtsrat zu wählen - öffentlich Partei für Wehmeyer ergriffen hatte, könnte dieser womöglich auch die Zwei-Drittel-Mehrheit Grills verhindern. Als wahrscheinlich gilt deshalb, dass versucht wird, eine Kampfabstimmung und eine lähmende Pattsituation abzuwenden, indem einer - nämlich Wehmeyer - doch noch auf eine Kandidatur verzichtet und sich der HSV nicht schon wieder als gespaltener Verein präsentiert.

So oder so ist im Aufsichtsrat für reichlich Diskussionsstoff gesorgt, nachdem einige Aufsichtsräte vom Interesse an Grill aus dem Abendblatt erfahren haben, Stichwort Zwei-Klassen-Gesellschaft. Die Zweifel an den Führungsqualitäten des Aufsichtsrats-Vorsitzenden Horst Becker, die sich auch bei der außerordentlichen Mitgliederversammlung im Juli zeigten, sind ebenfalls nicht abgeebbt. Dass beispielsweise Wehmeyer sein Konzept am Ende vielleicht gar nicht mehr vor dem kompletten Aufsichtsrat vortragen soll und die Räte gar keine Alternativen haben könnten, sorgt ebenfalls für Verstimmung.

Außerdem ergeben sich aus dem angedachten Modell mit Grill einige Fragen: Wie schnell kann der Oberbayer, der Piotr Trochowski als Spielerberater betreut, das Vertrauen der Spieler gewinnen, da diese den Nationalspieler - auch ohne Anhaltspunkte - als "Ohr" des neuen Sportchefs an der Mannschaft verdächtigen könnten? Wie eng ist das Verhältnis zu Klubchef Bernd Hoffmann? Wird Grill - wie Beiersdorfer - auch stellvertretender Vorsitzender? Was wird aus seiner Agentur "acta7"? Noch sind einige Hürden zu überwinden, bis der Königstransfer Grill abgeschlossen ist.