Er ist ein akribischer Arbeiter und ein glühender Verfechter des Teamgedankens: Bruno Labbadia kommt bei Spielern und Fans gut an.

Längenfeld. Die extra aus dem hessischen Burg Frankenstein ins HSV-Trainingslager nach Längenfeld angereisten Anhänger sind begeistert: "De Bruno, des is en ganz Nedder." Mit einem höflichen Lächeln nimmt der aus Darmstadt stammende Labbadia das Kompliment entgegen und widmet sich dem nächsten Fan, der um ein Autogramm und ein gemeinsames Foto bittet. Hier noch eine Unterschrift, da noch ein kurzes Gespräch über die neue Saison, dann trabt Labbadia zurück ins Hotel.

"De" Bruno kommt an, so viel steht fest nach einer Woche Labbadia beim HSV.

Nachdem das traditionelle Sommerloch kurz nach Saisonende für Fans und Medien unterhaltsam mit dem Wechsel Martin Jols zu Ajax Amsterdam und der anschließenden Verpflichtung Labbadias als dessen Nachfolger überbrückt wurde, ist mittlerweile wieder etwas Ruhe beim HSV eingekehrt. Labbadia sei Dank. Der Ex-Leverkusener will nichts dem Zufall überlassen, nimmt sich Zeit für Fans und Medien, sucht mit Spielern und Betreuern das direkte Gespräch und lässt sich mehrfach pro Tag von HSV-Boss Bernd Hoffmann und Scoutingchef Michael Schröder auf den neusten Stand bei der Suche nach Spielern bringen. "Momentan telefoniere ich mehr mit den beiden als mit meiner eigenen Frau. Aber sie kennt das Geschäft und weiß, wo derzeit die Prioritäten liegen", sagt der omnipräsente Labbadia, der nach dem Aus von Sportchef Dietmar Beiersdorfer vorerst Trainer und Manager in Personalunion ist.

"Bruno ist ein Besessener. Er lebt und liebt den Fußball", sagt Assistenztrainer Eddy Sözer, der von Labbadia liebevoll "mein Partner" genannt wird. Wie ein altes Ehepaar sitzen die beiden Hessen, die sich seit gemeinsamen Tagen bei Darmstadt 98 kennen und schätzen, von frühmorgens bis spätabends zusammen und überlegen, wo es noch etwas zu verbessern gilt. "Wir bieten den Spielern verschiedene Möglichkeiten an. Jeder muss dann selbst entscheiden, ob und was er für sich annimmt", sagt Labbadia, der von Vorschriften und Verboten nach eigenen Angaben nicht viel hält. "Es kommt auf den Eigenantrieb der Profis an."

Das ist die eine Wahrheit. Die andere ist, dass Labbadia sehr wohl penibel auf Ordnung und Disziplin achtet. "Respekt", betont der 43-Jährige immer wieder, sei ihm sehr wichtig. So ordnete Labbadia an, dass die Profis gemeinsam zum Essen erscheinen und erst aufstehen, wenn wirklich alle fertig sind. Ipod-Kopfhörer im Mannschaftsbus sieht er ungern, statt dem Fahrstuhl sollen die Spieler die Treppe benutzen. "Er respektiert jeden von uns, erwartet umgekehrt aber auch Respekt ihm gegenüber", sagt Abwehrmann Guy Demel. Eine Wertschätzung, die viele von Labbadias Vorgänger Jol vermissten.

Auch die Trainingseinheiten haben sich im Vergleich zu Jol verändert. Während der Niederländer meistens stumm und mit verschränkten Armen das bunte Treiben wie ein Feldherr vom Spielfeldrand beobachtete, ist Labbadia mittendrin statt nur dabei. Er lässt mit dem Ball trainieren, statt die Profis laufen zu lassen. Wieder und wieder unterbricht der frühere HSV-Stürmer die Einheiten, kritisiert oder lobt, erklärt und unterbricht erneut. "Er achtet unheimlich viel auf Details. Jede Kleinigkeit ist ihm wichtig", sagt Angreifer Mladen Petric, Demel bezeichnet ihn als "Perfektionisten". Dabei sind Labbadia nicht nur die Stammspieler wichtig. So erkundigt er sich nach jedem Training bei Reha-Trainer Markus Günther nach dem Befinden des angeschlagenen Youngsters Miroslav Stepanek, den selbst eingefleischte HSV-Fans auf der Straße wohl nicht erkennen würden. "Wir sind eine Mannschaft, und jeder soll eingebunden werden", erklärt Labbadia, der sich nicht als Einzelkämpfer, sondern als Teil seines Teams versteht.

Aber Labbadia kann auch anders. Fühlt er sich angegriffen, schlägt er zurück. Ob er das persönlich vom Rudi gehört habe, fragte er bei seiner offiziellen Präsentation vor einer Woche einen verdutzten ARD-Reporter, der Labbadia mit dem angeblichen Völler-Zitat: "Der Bruno ist noch kein großer Trainer, kann aber mal einer werden" überraschen wollte. Ihm habe Völler im Gespräch unter vier Augen etwas ganz anderes gesagt, ergänzte Labbadia, und ließ die Frage des Journalisten unbeantwortet im Raum stehen. Dabei sei "Bruno sehr offen für Kritik, solange sie konstruktiv ist", versichert Sözer, der drei zentrale Begriffe im Zusammenhang mit Labbadia ausgemacht hat: Ehrlichkeit, Respekt und Loyalität.

Vom HSV abschalten kann Labbadia nur frühmorgens während seiner täglichen Joggingrunden. Die brauche er, um für den Tag gerüstet zu sein. Und zumindest im Trainingslager in Österreich ist der Arbeitstag meistens nicht vor zwei Uhr morgens beendet. "Die Nächste sind kurz in Längenfeld", sagt Sözer, der berichtet, wie die beiden Trainer nach den Einheiten in Labbadias 65 Quadratmeter großer Juniorsuite noch stundenlang Videos sichten, über Neuzugänge diskutieren und Trainingspläne ausarbeiten. Ob sich all der Aufwand auch wirklich auszahlt, wird man frühestens nach dem Saisonstart wissen.