Neonazis mischen sich bei der Europameisterschaft unter deutsche Fans und hetzen mit Gesängen. Uefa verurteilt den DFB zu einer Strafe.

Hamburg. Als Deutschland in der Vorrunde gegen Dänemark in Lemberg (Lwiw) spielt, tummeln sich vor Anpfiff Fans beider Lager auf dem Marktplatz der ukrainischen Stadt. Sie schwenken Fahnen, trinken Bier, singen. Unter ihnen ist auch ein Deutscher mit einem Trikot der DFB-Elf - und der Rückennummer 88. Die Zahl ist in der Neonazi-Szene ein wichtiges Symbol: Die "8" steht für den achten Buchstaben im Alphabet, H. Und "88" für "HH", Heil Hitler. An den Ärmeln des Trikots prangt das Eiserne Kreuz.

Später im Stadion entrollt eine Gruppe Deutscher ein Banner in der Fankurve: "Gott sei mit uns", steht dort. Der Spruch, der im Zweiten Weltkrieg auf der Gürtelschnalle der Wehrmachtssoldaten eingraviert war. Die Uefa nahm Ermittlungen gegen den DFB auf, später gab es eine Strafe von 25 000 Euro, allerdings auch, weil Pyrotechnik im Fanblock gezündet wurde.

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Die Bilder aus Lwiw sind nichts Neues - immer wieder mischen sich unter die deutschen Fans auch Neonazis. Traurige Szenarien gab es schon 1996 beim Freundschaftsspiel der Nationalmannschaft im polnischen Zabrze. Neonazis zeigten Banner mit der Aufschrift: "Schindler-Juden - wir grüßen Euch". Die Bilder deutscher Hooligans mit Reichskriegsflaggen während der WM 1998 in Frankreich sind vor allem durch den Angriff auf einen französischen Polizisten bekannt geworden. Allerdings habe die Zahl der Rechtsextremen unter den deutschen Fußballfans in den vergangenen zwanzig Jahren abgenommen, sagt Volker Goll von der Koordinationsstelle Fanprojekte dem Hamburger Abendblatt. Er ist derzeit mit der "Fanbotschaft" in den Spielorten der DFB-Elf. Doch auch er bestätigt weitere Vorfälle während dieser EM: Nach dem Spiel der Nationalmannschaft gegen Griechenland in Danzig skandieren Neonazis am Neptunbrunnen im Zentrum der Stadt antisemitische Parolen. "Was auffiel: Viele deutsche Fans haben sich dort dann wegbewegt und sind auf Distanz zu der Gruppe gegangen", sagt Goll.

Der Fotograf und Autor Florian Schubert, selbst Mitglied im Bündnis Aktiver Fans, reiste mit deutschen Anhängern in die Ukraine und nach Polen. Auf der Internetseite publikative.org schildert er diverse Fälle von rassistischen Parolen und Neonazi-Symbolen. Er belegt seine Berichte mit Fotos von deutschen Fans in Thor-Steiner-Pullovern oder Pickelhaube. Schuberts Ansicht nach sei es erschreckend, wie wenige Fans gegen solche Symbole oder Sprüche Haltung zeigen würden.

Auch während diesem Turnier stimmen die meisten Fans der DFB-Elf auch ein in Sprechchöre wie "Sieg". Zuletzt verurteilte auch Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) diese Rufe. Er schäme sich als "deutscher Patriot". Gerade in Polen und der Ukraine, wo die Wehrmacht schlimme Verbrechen begangen hat, ist die Semantik zur NS-Ideologie in den "Sieg"-Rufen zu hören - auch wenn kein lautes "Heil" folgt. Auch vielen grölenden Deutschen im Stadion von Lemberg dürfte der Kontext dieser Rufe bewusst sein - und auch die Provokation, die sie bedeuten.

Volker Goll von der Koordinationsstelle verteilt mit anderen Aktiven Broschüren an jedem Spielort der DFB-Elf, mit den dortigen Gedenkstätten zur deutschen Besatzung während des Krieges und auch Informationen über die Geschichte. Er empfiehlt dem DFB, eine kontinuierliche Fanbetreuung, auch bei Testspielen und den Auswärtsfahrten. Nur so könne man einen Wandel in der Fankultur erreichen. Denn anders als bei Vereinen, wo die Fans jede Woche im Stadion sind, würde enger Kontakt bei den vielen verschiedenen DFB-Fangruppen nur so entstehen.