Pirlo hatte Italien gegen Kroatien kurz vor der Pause in Führung gebracht. Dann ließen die Azzuri die Zügel schleifen. Mandzukic bestrafte das.

Posen. Mario Mandzukic trifft erneut, Italien hat fast fertig: Nur ein Sieg gegen Giovanni Trapattoni kann dem Weltmeister von 2006 noch den Einzug ins EM-Viertelfinale retten. Gegen Kroatien kam die skandalgeplagte Squadra Azzurra auch in ihrem zweiten Gruppenspiel nicht über ein Unentschieden hinaus und muss nach dem 1:1 (1:0) nun unbedingt gegen „Traps“ Iren gewinnen. Kroatien (4 Punkte) dagegen könnte sich nach dem 3:1 zum Auftakt gegen die „Boys in Green“ im günstigsten Fall sogar eine Niederlage gegen Titelverteidiger Spanien leisten - und stünde dennoch wie vor vier Jahren in der K.o.-Runde.

„Wir werden bis zuletzt kämpfen“, versicherte Italiens Nationaltrainer Cesare Prandelli kurz nach dem Abpfiff, musste sich dabei aber alle Mühe geben, seine Enttäuschung zu verbergen. „Es war eine gute Gelegenheit, aus der wir zu wenig gemacht haben“, stellte er fest. Zugleich prangerte der Allenatore aber auch die Passivität seiner Mannschaft an: „Wir haben zu wenig gewagt.“ Am Ende verstieg er sich noch zu der Einschätzung: „Die Mannschaft hat gezeigt, dass sie zusammenhält und ein gutes Gleichgewicht hat.“

Spielverderber für die Italiener, die das wohl langweiligste Spiel der EM-Endrunde 45 Minuten lang mühelos kontrollierten, war Mandzukic. Der Angreifer vom VfL Wolfsburg, bereits zweifacher Torschütze beim Sieg gegen Irland, belohnte in der 72. Minute das Anrennen seiner Mannschaft. Von Ivan Strinic mustergültig bedient, schoss er aus kurzer Distanz mit voller Wucht an den Innenpfosten, von dort prallte der Ball ins Tor. Andrea Pirlo, der geniale Stratege der Azzurri schon beim WM-Triumph 2006, hatte die Italiener mit einem direkt verwandelten Freistoß in Führung gebracht (39.).

Italien droht nach dem Achtungserfolg zum EM-Auftakt gegen Spanien eine Wiederholung des WM-Desasters von 2010. In Südafrika war die Squadra Azzurra ohne Sieg in der Vorrunde ausgeschieden. Dabei hatte der Europameister von 1968 gegen Kroatien, das seit der Unabhängigkeit 1991 auch im sechsten Spiel gegen den Nachbarn ohne Niederlage blieb, gut begonnen. Vor 37.096 Zuschauern in Posen war das Spiel dann aber vor allem in der ersten Halbzeit zunehmend von Ereignisarmut geprägt, vom Geniestreich Pirlos mal abgesehen. Nach der Pause wollte Italien das Ergebnis verwalten, Kroatien war immerhin bemüht um den Ausgleich - und wurde belohnt.

Bei den Italienern war die Konstanz die Überraschung. Cesare Prandelli, Allenatore der Squadra Azzurra, gab tatsächlich Mario Balotelli eine erneute Chance im Sturm, obwohl der junge Exzentriker sich beim 1:1 gegen Spanien vor dem gegnerischen Tor fürchterlich blamiert hatte. Torschütze Antonio Di Natale dagegen saß auf der Bank. Immerhin hatte Balotelli aber gleich eine gefährliche Szene (3.); wenig später knallte Claudio Marchisio von der Strafraumgrenze auf das kroatische Tor, der Ball zischte haarscharf am Winkel vorbei (11.).

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Auch taktisch beließ Prandelli alles beim Alten: Ein 3-5-2 mit dem Mittelfeldspieler Daniele de Rossi in der Abwehrzentrale, das bei Bedarf blitzschnell in ein 5-3-2 umgewandelt wurde. Kroatiens Trainer Slaven Bilic setzte auf ein Bundesliga-Quartett mit Mandzukic, dem Doppel-Torschützen beim 3:1 gegen Irland. Mandzukic sah jedoch lange keinen Ball: Wenn mal eine Flanke in den Strafraum kam, war sie meist zu hoch oder zu schnell.

Ansonsten passierte nicht viel. Die italienische Defensive stand halbwegs sicher, den Kreativen um Antonio Cassano, der trotz seiner schwulenfeindlichen Äußerungen spielen durfte, fehlten die Ideen. Kroatien war lange nicht allzu sehr am Mitspielen interessiert. Dann kam Pirlos Auftritt - der Weltmeister von 2006 zirkelte den Ball über die Mauer, Pletikosa flog vergeblich. Kroatien wehrte sich spät, aber mit Macht. Mandzukic nutzte seine erste Großchance. (sid/abendblatt.de)

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Vor dem Spiel: Ein Sieg gegen Irland - und schon neigt der eine oder andere Kroate offenbar zu Übermut. "Wir können gegen jedes große Team bestehen", tönte etwa Mittelfeldmann Niko Kranjcar. Und sein Trainer Slaven Bilic fügte an: "Treten wir wie gegen Irland auf, gewinnen wir ganz sicher." Allerdings ist der Gegner heute nicht Irland, sondern einer von den von Kranjcar zitierten "Großen". Italien gehörte beim 1:1 gegen Spanien sicher zu den positiven Überraschungen des ersten Spieltages der Europameisterschaft.

Doch die Azzuri wäre nicht die Azzuri, wenn es trotz des sportlich ansprechenden Starts nicht reichlich Themen Abseits des Platzes geben würde. So sorgte Stürmer Antonio Cassano mit schwulenfeindlichen Kommentaren für Wirbel. Und auch "Enfant Terrible" Mario Ballotelli könnte nach seiner Minus-Leistung gegen die Spanier die Verbannung auf die Bank drohen. Antonio di Natale scharrt jedenfalls schon mit den Hufen. Zu guter Letzt ist da natürlich auch immer noch der Wettskandal, der wie ein Damoklesschwert über den Italienern schwebt.

Für Trainer Cesare Prandelli nannte die Partie gegen die Kroaten das "entscheidende Spiel". Fakt ist: Der Sieger der Partie kann sich beste Chancen ausrechnen, ins Viertelfinale einzuziehen. Prandelli setzt auf Kontinuität mit seiner Dreier-Abwehrkette rund um den in die Defensive beorderten Mittelfeldstar Daniele De Rossi. Davor wird wieder Andrea Pirlo Regie führen, dessen Juve-Teamkollege Claudio Marchisio soll Kroatiens Spielmacher Luka Modric stoppen. „Das ist ein ganz Großer“, warnte Cassano – und spricht dabei sogar dem gegnerischen Coach Bilic aus der Seele, der seinen Schützling für „mindestens gleich gut, vielleicht sogar besser“ hält als Pirlo. „Der soll erst mal wichtige Titel gewinnen“, konterte Prandelli.

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Die Aufstellungen

Italien: 1 Buffon – 19 Bonucci, 16 De Rossi, 3 Chiellini – 21 Pirlo – 8 Marchisio, 5 T. Motta (63. Montolivo) – 2 Maggio, 13 Giaccherini – 9 Balotelli (69. di Natale), 10 Cassano (83. Giovinco)

Kroatien: 1 Pletikosa – 11 Srna, 5 Corluka, 13 Schildenfeld, 2 Strinic – 8 Vukojevic, 10 Modric – 7 Rakitic, 20 Perisic (68. Pranjic) – 9 Jelavic (83. Eduardo), 17 Mandzukic (83. Kranjcar)

Schiedsrichter: Howard Webb (England)

Tore: 1:0 Pirlo (39.), 1:1 Mandzukic (72.)