Vize-Weltmeister Niederlande reist als einer der Favoriten zur EM. Doch das Selbstvertrauen der Elftal ist nicht mehr so groß wie in Südafrika.

Köln/Amsterdam. Robin van Persie verließ Wembley mit einem Lächeln. Dabei war es so gar nicht sein Spiel gewesen in der Kathedrale des Fußballs, die er vom Fenster seiner Londoner Wohnung aus sehen kann. Beim Stand von 0:0 wurde der Stürmerstar der Niederlande zur Halbzeit ausgewechselt, ohne ein Tor erzielt oder Akzente gesetzt zu haben.

Und als er nicht mehr dabei war, lief es sogar besser. Sein direkter Konkurrent im Oranje-Sturm, der Schalker Klaas-Jan Huntelaar, schoss ein Tor, sein Team gewann den wichtigsten EM-Test in England mit 3:2 - ohne ihn. Und dennoch lächelte van Persie. Es ist seine Saison, und er ist einfach zu gut drauf, als dass ihm Selbstzweifel kommen könnten.

Wo der Kapitän des FC Arsenal schon ist, will Bondscoach Bert van Marwijk die anderen Stars seines Teams bis zu den EM-Vorrundenspielen gegen Dänemark (9. Juni), den Erzrivalen Deutschland (13. Juni) und Portugal (17. Juni) wieder hinbekommen. „Es muss so sein wie bei der WM. Wir brauchen wieder die Gewissheit, dass wir nicht verlieren und unsere Gegner nicht gewinnen können“, sagt van Marwijk. Das Unschlagbar-Gefühl ist abhandengekommen, daran änderte auch der Sieg in England Ende Februar nichts.

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Davor hatte Oranje dreimal in Folge nicht gewonnen, vor allem das 0:3 in Hamburg gegen die DFB-Elf ließ bei den Fans erstmals ernsthafte Zweifel an der EM-Tauglichkeit von Oranje aufkommen. Auch Bert van Marwijk war sich seiner Sache anscheinend auch nicht mehr ganz sicher.

„Das war ein peinliches Spiel für uns. Das tat weh“, sagte der Bondscoach nach der Pleite beim Nachbarn. Er brauchte ein paar Tage, um sich zu beruhigen. Seitdem geht er wieder behutsamer mit seinen Stars um, weiß aber ganz genau: Die „angetrunkene Blaskapelle ohne Dirigent“, wie die Zeitung Volkskrant van Marwijks Elf nach der Schmach von Hamburg nannte, suchte verzweifelt ihren Takt.

Van Marwijk ist klar, dass die Teams aus Deutschland und Spanien noch weiter sind als seine Elf, aber schon 2010 in Südafrika hatte kaum jemand die Niederlande auf der Titel-Rechnung gehabt. Allerdings konnte er sich damals auch voll und ganz auf Wesley Sneijder verlassen. Van Marwijks größte Sorge dürfte deshalb dem Spielmacher von Inter Mailand gelten. Der überragende WM-Regisseur steckt mit dem italienischen Ex-Meister Inter Mailand tief in der Krise und ist wohl am weitesten von allen Vize-Weltmeistern von seiner Normalform entfernt.

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Doch auch Arjen Robben dürfte einer der Spieler sein, die van Marwijk Kopfzerbrechen bereiten. Für den Flügelstürmer von Bayern München war das Spiel im Wembley-Stadion wie ein Erlösung. Nach nicht enden wollenden Ego-Debatten in München schoss er sein Land mit zwei Toren zum Sieg. Doch gerade bei den Bayern konnte der verletzungsanfällige Robben seine Bestform zu selten abrufen.

Derlei Probleme sind van Persie in dieser Saison fremd. Sein achtes Jahr beim FC Arsenal ist bislang sein bestes. Er blieb im Gegensatz zu fast allen seinen Spielzeiten bei den Gunners zuvor von schwereren Verletzungen verschont. Und prompt traf er wie am Fließband.

„Robin ist ein Ausnahmespieler. Seine Bewegungen im Strafraum sollte jede Fußballschule zeigen“, sagt sein Teammanager Arsene Wenger. Nicht von ungefähr machte der Elsäßer den Niederländer zum Kapitän, nachdem Cesc Fabregas zum FC Barcelona gewechselt war. Wegen seiner Tore, seiner Eleganz und seiner herausragenden technischen Fähigkeiten steht van Persie längst auf dem Wunschzettel von Jose Mourinho bei Real Madrid und bei weiteren Top-Adressen in Europa. In van Marwijks 4-2-3-1-System hat er deshalb selbst im Duell mit Schalkes Top-Torjäger Huntelaar die Nase vorn.