Enttäuschten die Dänen noch bei der WM 2010, fahren sie nun dank eines herausragenden Talents als aussichtsreicher Außenseiter zur EM.

Kopenhagen/München. Vor nicht einmal zwei Jahren lag der dänische Fußball noch am Boden. Nach dem peinlichen Vorrunden-Aus bei der WM 2010 malten die Experten schwarz und der Boulevard fragte unverhohlen, ob Morten Olsen noch der richtige Trainer für den dringend notwendigen Neuaufbau sei. Olsen blieb - und leitete in Rekordgeschwindigkeit die „Wiedergebut“ (die Zeitung Berlingske Tidende) seiner „Bande“ ein.

Das Selbstvertrauen ist spätestens seit der souveränen Qualifikation vor Portugal und Norwegen zurück beim Europameister von 1992, der mit fünf Siegen in Serie zum Jahresende 2011 einen Landesrekord aufgestellt hat. „Das Viertel- oder Halbfinale ist möglich“, sagt Stürmerstar Nicklas Bendtner. Und William Kvist vom VfB Stuttgart meint: „Wir können alle schlagen - außer vielleicht Deutschland und Spanien.“ 2010 verlor „Danish Dynamite“ noch in der Vorrunde gegen Japan und musste vorzeitig nach Hause.

Als dann auch noch Größen wie Jon Dahl Tomasson, Jesper Grönkjaer und Daniel Jensen erklärten, künftig nicht mehr zur Verfügung zu stehen, war die Sorge vor dürren Zeiten groß. Doch Olsen, seit 2000 Coach des Landshold, trieb den schon begonnenen Umbau umso energischer voran und vertraute fortan einigen jüngeren Spielern - allen voran Christian Eriksen. Der Profi von Ajax Amsterdam war zwar schon bei der WM dabei, eine tragende Rolle erhielt er jedoch erst danach.

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Mittlerweile wird der 20 Jahre alte Regisseur von internationalen Spitzenklubs gejagt, er selbst traut sich sogar zu, es beim FC Barcelona zu schaffen, wie er betonte. Eriksens Wechsel nach der EURO gilt als wahrscheinlich. Eriksen passt perfekt in Olsens auf Ballbesitz ausgelegtes System, das so gar nichts mit dem „hoch-und-weit“ zu tun hat, wie es in Skandinavien lange vorherrschte. „Spil den naermeste!“, bekommen dänische Kicker schon in der Jugend eingeimpft - den Ball immer dem Nächststehenden zuspielen. Olsens Team profitiert davon.

Hinter Eriksen hält der Stuttgarter Kvist den Laden zusammen, der Christian Poulsen verdrängt hat. Der ehemalige Schalker verletzte sich im Saisonendspurt auch noch am Oberschenkel. Wie Poulsen haben auch andere wichtige Teamstützen Probleme. Kapitän Thomas Sörensen verlor bei Stoke City den Stammplatz im Tor, der ehemalige Wolfsburger Simon Kjaer und Daniel Agger haben schon bessere Tage gesehen, Rekord-Feldspieler Dennis Rommedahl ist in die Jahre gekommen. Olsens größtes Sorgenkind aber ist Bendtner, der in Sunderland zuletzt eher mit seinen zahlreichen Eskapaden denn sportlich von sich reden machte.

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Anders als häufig in der Vergangenheit stimmt diesmal aber laut Rommedahl der Geist im Team. „Wir haben einen besseren Zusammenhalt in der Mannschaft, das spiegelt sich auf dem Rasen wider. Wir sind Kameraden, Freunde, ja fast eine Familie“, sagt der 114-malige Nationalspieler. Allerdings sorgte Olsen mit einem Twitter-Verbot für die Stars für Unruhe in der Mannschaft. Bendtner fand das „ärgerlich“, Agger sagte: „Wenn er (Olsen) meint, dass wir besser spielen, wenn wir keine Nachrichten schreiben, dann bitte sehr!“

Olsen hofft derweil, dass seine Mannschaft unterschätzt wird. „Die Deutschen und Holland müssen gewinnen - wir wollen. Das ist unsere Chance“, sagt er.

Am Ende soll es dann so kommen, wie das Pop-Duo NikundJay im dänischen EM-Song singt. „Vi vandt i dag“, heißt das Lied - „wir haben heute gewonnen“. (sid/abendblatt.de)